Mittwoch, 30. Juni 2010

Schrass

„Ich bin Doktor der Philologie
Ich habe 13 Jahre geforscht
In Berkeley und in Heidelberg
Nun ist es fertig mein Lebenswerk” Knorkator

Die Wortschöpfung schrass stellt sich zusammen aus den beiden Adjektiven scheiße (schrecklich, schlimm, schlecht) und krass. Krass ist ein positiv geprägter Ausdruck, der häufig in Zusammenhang mit negativen Ereignissen genannt wird, was schnell zu Verwirrungen und Missverständnissen führen kann. Meiner Meinung nach bringt das Wort krass nicht genügend zum Ausdruck, wie schlimm oder schrecklich oder eben scheiße eine Begebenheit wirklich ist. Deshalb fühlte ich mich in der Pflicht, ein neues Wort zu erfinden. Es ist das schrass!

Fällt zum Beispiel ein spektakuläres Tor bei der WM, dann sagt der Volksmund: das war ein krasses Tor. Ein außergewöhnliches Erlebnis, wie ein Konzert, kann krass gewesen sein.
Nun werden irrtümlicherweise negative Ereignisse genauso mit dem Adjektiv krass umschrieben. Zum Beispiel ist es krass, dass Elvis auf der Toilette gestorben ist, es ist aber auch ziemlich scheiße so abzutreten. Explodiert in Göttingen eine alte Fliegerbombe, ist das erstmal scheiße, aber eben auch krass, also schrass.

Das passende Nominativ zu schrass wäre Schrassinn. In der Politik passiert viel Schrassinn. Übrigens ist die Schreibweise mit zwei s richtig. Es sieht besser aus, außerdem halte ich eh nicht viel von dieser Rechtschreibregel.
Was nicht funktioniert ist die Zusammenstellung schrasser Scheiß oder schrasse Scheiße. Dies wäre eine Tautologie, wie zum Beispiel blinder Schiedsrichter. Schon ziemlich schrass was die sich da zusammen pfeifen.
Krasse Scheiße oder krasser Scheiß bleiben als Steigerung des Wortes krass natürlich weiterhin fest im Sprachgebrauch verankert.

Da die Blogosphäre so groß und mächtig ist, sollte die landesweite Verbreitung des neuen, schon längst überfälligen Wortes schrass schneller voranschreiten als ein Lauffeuer. Wenn ich ehrlich bin, habe ich keine Ahnung wie schnell sich so ein Lauffeuer verbreitet, denke aber, der Name ist Programm. Lasst uns etwas schaffen, wozu weder Goethe und Schiller, noch die Wortschaffenden Popliteraten oder Udo Lindenberg je in der Lage waren. Lasst uns die deutsche Sprache etwas eindeutiger machen.

Donnerstag, 24. Juni 2010

Genug Malle für alle

„Ich würde sogar auf Jürgen Drews Beerdigung gehen.“ Hendrik

„ey Alter, biste Malle im Kopp oder was?“ So etwas hört man zum Beispiel aus offenen Autofenstern, nachdem man an der Ampel von der Linksabbiegerspur aus bei grün schnell an den Geradeausfahrern vorbeizieht, weil man spontan bemerkt hat, dass man doch rechts abbiegen wollte. Als Beleidigung ziemlich zutreffend, wie ich jetzt in Erfahrung bringen durfte. Ich war nämlich Vorort. Ich war auf Mallotze.

Wo soll ich anfangen? Also zuerst: jedes Klischee stimmt, weil auch jedes Klischee bewusst bedient wird.

Es wird grundsätzlich in Gruppen angereist. Ein Fußballverein, der noch nicht auf Malle war, ist kein ernstzunehmender Fußballverein. Selbst Mannschaften aus der Verbandsliga kommen um sich mal so richtig wegzuschießen. Schiss wiederum muss man vor den Ü40 Kegelclubdamen haben. Alle außer Form, alle ekstatisch, alle laut und alle haben sie große Hände. Die Truppenzugehörigkeit suggeriert ein gemeinsames Themen-Shirt.

„Wir spritzen alles voll“ - Freiwillige Feuerwehr
„Sonderschulabschluss 2010 – Urlaub auf Insel inkl. WM“ - Ü30 Hedonisten
„Die Aufsteiger sind da“ - Fusi Verein
„Ficken oder was?“ - U30 Hedonisten

Dazu kommen noch alle möglichen Abi-Shirt Varianten. Ganz ohne lustigen Spruch kommen die Ü40 Herren aus. Die tragen alle bunte Jürgen von der Lippe Hemden bis zum Bauchnabel aufgeknöpft, gerne kombiniert mit „Altherren Bräune“ und Kettchen.
Der Rest der Männer läuft mit einem freien Oberkörper herum. Alles Opfer ihrer eher geringen Körpergröße, aufgepumpt bis zum Hirninfarkt. Aber wenigstens haben die alle, wenn schon keinen Hals, einen großen Schatten. Tatsächlich lief eine Gruppe von zehn Mitarbeiterinnen eines Friseursalons an der Promenade entlang, alle in Pink mit blondierten Haaren. Sofort ging die alte Diskussion los: die geht, die geht nicht, man, hat die Hupen, unverschämt, ich sauf mir die jetzt schön, nee lass Alter, digg mal lieber die, dicker, usw.
Passieren tut natürlich nichts. Die Gruppen bleiben alle konsequent unter sich. Ab zwei ist man eine Gruppe und im Grunde sicher vor übergriffen jeglicher Art. Außer vor den Schwarzen, aber dazu später mehr.

Rechtfertigung für alles hier, ist die Sonne. Wir hatten stellenweise 30 Grad, kein Schatten. Da ich mich weigerte, mich dem Malle-Zwang zu unterwerfen, brachte ich keine Asi-Letten und nur ein Shirt mit Aussage mit auf die Insel. Ich cremte mich sogar ein! Ab dem zweiten Tag.
Ohne Schuhwerk darf man konsequent keinen Laden betreten. Also keinen Biernachschub holen, keine Zigaretten kaufen, kein Eis und nicht adäquat pinkeln gehen. Ich machte mir schnell Feinde mit meiner Contrahaltung gegenüber den Asi-Letten.
„Ho` ma ne neue Rutsche Pils“
„Bring mir ma Zigaretten mit“
„Warum pinkelst du denn nicht wie alle anderen einfach ins Meer?“
„Selber Schuld wenn du da rein trittst“
Am vierten Tag kaufte ich mir dann für drei Euro meine ersten FlipFlops. Aber wie es so ist, einigen kannst du es einfach nicht recht machen.
„kannste mal beim gehen die Füße hochnehmen?“


Auf Malle spricht man Deutsch. Falls irgendein Ureinwohner sich weigern sollte einen zu verstehen, dann redet man halt etwas lauter mit ihm. Mit Englisch kommt man nicht besonders weit, außer bei den Schwarzen, aber dazu später mehr. Hochdeutsch ist eher selten. Oft ist die Deutsche Sprache nur anhand Satzverstärkungswörtern, auf die sich scheinbar alle vorher am Flughafen geeinigt haben, herauszuhören. Beispiele: Ficken, Alter, nä, Schland, Normal. Eine Frau konnte noch so hübsch sein, wenn beim reden plötzlich ein sächsischer Akzent herauskam, ist alles nichts. Genau wie bei den Pumpern, deren Bauchnabel nach außen ragt. Es sieht immer scheiße aus, da kannste spritzen was du willst.

Bierkönig, Megapark, Oberbayern, Kölle Kalk, Riu Palace, das sind die wichtigsten Anlaufstationen. Von überall kommen die Flyer-Verteiler und drängen sich mit ihren Angeboten auf. Die leben auf Malle in engen Viermann-Wohnungen, für 1500 Euro im Monat belästigen sie Betrunkene und verdienen sich ihr Trinkgeld damit, dass sie die heruntergefallenen Cent-Stücke aufsammeln. In allen Läden stinkt es nach Schweiß und Kotze. Alle Feiern auf engsten Raum, dazwischen immer wieder unmotivierte Tänzerinnen aus Osteuropa. Wenn man gut aussieht, steht einem die Welt offen, denke ich.
In Deutschland hätten sich schon lange alle untereinander an die Fresse gehauen, hier kommen alle wunderbar miteinander aus. Es ist verrückt. Die Security ist nur dafür da, um die Betrunkenen rauszutragen. Die leichten Damen auf ihren Tanzpodien stoßen selbstständig die Flirtweltmeister von sich ab. Die wiederum lassen sich dafür feiern. Niederlagen kennen die Leute hier nicht.

Das Liedgut ist eine Frechheit. Wie gerne würde ich einem Songschreiber dieser Güte mal beim Texten über die Schulter schauen. 50 Prozent der Lieder kennt man so ähnlich aus den Stadien. Die anderen 50 Prozent kennt man aus den Charts, nur wurde der Text eingedeutscht und auf Deutschland oder sämtlichen Synonyme für Geschlechtverkehr umgeschrieben. Tagsüber, am Strand, drehten sich die Texte ausschließlich darum, dass die große Liebe weg ist und man ihr hinterher heult. Abends ist dann eine neue große Liebe gefunden und alles geht wieder von vorne los. Wenn Frauen einen Ballermann Hit beisteuern, geht es entweder darum, dass ausnahmslos alle Männer schlechte Lover sind, da grölen gerne die Friseursalon Mitarbeiterinnen mit, oder dass er etwas ganz besonderes ist. Wer soll diesen Ansprüchen genügen? Dann doch lieber: „Sie ist solo, sie ist soloooo, ich bin solo, scheiß egal!“

Und mittendrin lauern die von der korrupten Polizei geduldeten Schwarzen Männer mit ihren Sonnenbrillen, Uhren und Designer Schmuck. Armani Sonnenbrille, nur drei Euro. Während des Essens kommen sie an und fragen dieselbe Person problemlos dreimal hintereinander, innerhalb von zehn Minuten.
Sie sind überall, 24 Stunden am Tag. Ihre Frauen arbeiten wenigstens nur nachts. Schwarze Prostituierte, die aussehen wie Oprah Winfrey. Kein Geschenk. Aber fast. 20 Euro für eine schöne Fick. Das schlimmste ist, dass die einen anpacken, im vorbeigehen quasi. Malle ist wie St. Pauli bei Nacht, nur mit Sonne, denke ich. Für einige ist auch das noch ein einziger Spaß. Am Strand kommen die Asiatinnen an und fragen wie es denn mit dem Bedürfnis nach einer Massasch stünde. Asiatinnen klingt ja schon wie eine einzige Sexfantasie, aber die sehen eher aus wie Deine Mudda mit Schlitzaugen, halt wie Asiaten nun mal aussehen, alle gleich und meist hässlich. Die einzige Gattung Mensch, die da noch mithalten kann sind Inder. Und Linienrichter auf Kreisebene.

Wer die schmutzigen Details, alles über das Hotel und vieles mehr lesen möchte, der kann das in naher Zukunft hier tun. Wer nicht eingeladen ist, aber trotzdem mitlesen möchte, soll mir eine eMail schreiben, sich zu erkennen geben und kurz Hallo sagen. Hoffentlich verständlich, dass ich das sondieren werde.

Mittwoch, 23. Juni 2010

Weltmeisterschaft for Dummies

„Von wegen Fußball integriert, da hat doch heutzutage jede Nation seine eigene Mannschaft.“ Sönke

Diese Verrückten. Natürlich freue ich mich alle vier Jahre wie ein kleines Kind auf die Fußball Weltmeisterschaft, selbst der kleine Bruder, die Europameisterschaft, lässt mich vergessen zwischendurch auch mal ein Wasser zu trinken, aber was in Deutschland während des WM-Monats abgeht, wirkt auf mich sehr befremdlich. Seitdem 2006 die Marke „Das Sommermärchen“ als das Aushängeschild der Deutschen überhaupt proklamiert wurde, drehen alle durch. Deutscher Nationalstolz darf wieder gelebt werden und weil niemand weiß wie das geht, schaut man sich das eben aus anderen Ländern ab. Autokorsos stammen aus der Türkei, Vuzuelas aus Südafrika, Menschenaufläufe aus Sumatra, die Laola stammt aus Mexiko und England steuert noch mal eine ganz eigene Interpretation von Begeisterung bei. Die Deutschland-Flaggen wedeln nicht mehr nur von den Hotelbalkonen auf Mallorca, sondern lassen sich mittlerweile überall finden.


Vielleicht kennt ihr das Gefühl, das mich manchmal auf Festivals beschleicht. Man steht in der Menschenmenge vor der Bühne, ist angestrengt, weil man sich schon lange vor dem Auftritt reindrängeln musste, dabei ist das Interesse an der Band gar nicht groß, dafür aber ihr Name und man möchte einfach nur dass es los und auch schnell wieder vorbei geht, damit man endlich sagen kann: ja, die habe ich auch gesehen.
Jedenfalls scheint es mir, geht es so 90 Prozent der Deutschen mit der WM. Plötzlich sind alle Fans des Sports. Sogenannte Erfolgsfans. Da eigene Erfahrungen mit dem Ball oder jahrelange Recherchen fehlen, wird sich die Meinung von der BILD geliehen und oft nicht wieder zurückgegeben. Heute noch die Helden, morgen schon wieder die Wurst-Truppe. Bei Frauen wirkt das ganze noch angestrengter. Aber die dürfen das, Frauenquote ist beim Feiern immer total wichtig. Nicht wenige glauben, Fantreue spiegelt sich durch die richtigen Assecoires und durch das Grölen der angesagten Gesänge wider. Als wollten sie ihre Ahnungslosigkeit durch Schminke, Perücke und Alkoholpegel ausgleichen. Die Euphorie um die Nationalmannschaft ist in einem Land, das Ironie für den Gipfel des Humors hält, schwer einzuschätzen.


2006 habe ich ein einziges Spiel, Deutschland gegen Schweden, zwischen tausenden anderen Anhängern geschaut. Public Viewing genannt. Eine Wahnsinns Abzocke und nur weil tausend Leute auf einmal Jubeln, empfinde ich das nicht als angenehmer oder bedeutungsvoller. Die Frauen haben vor dem Jubeln erst nach links und rechts geschaut, um sicher zu gehen, ob sie sich im Falle eines Abseitstores nicht blamieren. Kinder konnten gar nichts sehen. Der Rückweg zum Bahnhof war das schlimmste. Alles ist laut und eng und stumpf gewesen. Vertreter anderer Nationen pöbeln gegen die Deutschen und die Deutschen gegen alle anderen Nationen. Hooligans freuen sich auf die WM wie arbeitslose Jugendliche auf die Sommerferien, sie fallen dann nämlich weniger auf. Seitdem schaue ich nur noch Privat oder in überschaubaren Kneipen.

Ich würde mich als Fußball-Fachmann bezeichnen. Nicht weil ich jeden Ersatzspieler der Nordkoreanischen Mannschaft von der Konsole her kenne, sondern weil ich selbst am liebsten mitspielen würde. Ich kann ein Spiel lesen und kenne den Charakter der Mitwirkenden. Den Sachverstand eines Günther Netzers weiß ich einzuschätzen und in die Aussagen der Interviewten interpretiere ich ein Stimmungsbild. Ehrlich gesagt, warte ich alle zwei Jahre wieder auf einen Anruf vom Bundestrainer. Meine Nummer habe ich auf der offiziellen Facebook Seite des DFBs hinterlassen, daran soll es nicht scheitern.