Mittwoch, 17. März 2010

Der Berufsberater

"Bist du Fleischermeister? Studierst du Medizin?
Bist du ein Zugereister oder kommst du aus Berlin?
Bist du Dominatrix oder doch eher devot?
Bist du Pianistin oder Hubschrauberpilot?" Farin Urlaub

Im Grunde steht der Berufsberater auf einem verlorenen Posten. Was soll er den Kids im Abschlussjahr ihrer Schullaufbahn schon großartig vermitteln? Anhand von Noten, was ich sowieso für einen Fehler halte, schieben die einem immer dieselben Berufsempfehlungen zu, immer etwas abseits von der Realität. Nur Berufsberater will keiner werden.
Frei nach Farin Urlaub „Es ist egal was du bist, Hauptsache ist, es macht dich glücklich“, sollte man die Berufswahl angehen. Wie oft begegne ich Verkäufern an der Kasse eines Supermarktes in meinem Alter oder in einem Außenposten eines Internetanbieters gestriegelt im Anzug und unheimlich wichtig ausschauend und ahnungslos. Denen ist das ganze Jobding entweder nicht so wichtig, die sparen ihre Kohle für den jährlichen Urlaub oder den Flachbildfernseher, oder sie machen sich glaubhaft etwas vor.
Absolut beneidenswert, wenn man sich dem Druck, sich über die Tätigkeit definieren zu müssen, völlig entledigen kann. Schlechte Erziehung vorausgehend, habe ich das Gefühl das elterliche Haus und Hof, plus übertrieben großer Garage, Toppen zu müssen. Ist Quatsch, weiß ich auch, soweit aber die Erwartungshaltung.

Ich habe in verschiedenen Berufen gearbeitet, auch auf Lohnsteuerkarte. So viele Jahre sind noch nicht zusammen gekommen, aber aufgrund von Vergleichen und spannenden Erzählungen von Freunden aus deren Berufsalltag, kann ich mir ein Bild machen, wie ein angenehmes Berufsleben, das sich nicht allzu sehr in das echte Leben einmischt, im Idealfall sich sogar gut untermischt, auszusehen hat.

Was ein angenehmer Beruf mitbringen sollte:

1. Man sollte nicht am Wochenende arbeiten müssen
2. Man sollte seine eigene Kleidung tragen dürfen
3. Man sollte vor der Arbeit duschen müssen, nicht danach
4. Man sollte sich nicht nur auf sich selbst verlassen können

Es gibt ja einen Grund warum nirgends so sehr gelogen wird, wie in beruflichen Angelegenheiten. Das geht von den Kollegen, über die Tätigkeit, bis hin zum Gehalt. Immer wird etwas beschönigt. Ach ja und ausfüllen tut es einen auch.
Gesellschaftlich gesehen darfst du nicht einfach etwas tun, was dich am kacken hält. Wenigstens sollte nebenbei etwas laufen, das den kargen Job in jungen Jahren rechtfertigt. Aber da ist kein Roman in der Mache, keine Studioaufnahmen, kein extravagantes Hobby, kein illegaler Handel mit irgendwas, keine revolutionäre Geschäftsidee, kein Patent, kein Studienplatz, sondern man kommt einfach nur über die Runden.
Für strebsame Karrieremenschen und diejenigen, die diese vorantreiben, ist das so, als würde man bei Monopoly vergessen Straßen zu kaufen und sich nur durch das Wasser- und Stromwerk und den einen oder anderen Bahnhof über Los halten. Unvorstellbar, so ganz ohne Gewinnstrategie ins Berufsleben einzusteigen.

Für mich sind diese Leute ein Indiz dafür, dass es auch anders geht. Sozialwissenschaftler haben dafür bestimmt einen unelegant abgekürzten Begriff parat.
Letztens kam bei uns die Frage auf: Wie können Busfahrer in München sich dort ein geregeltes Leben finanzieren? Allein die Tatsache, dass sie umsonst die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen dürfen, kann das gesicherte Familienleben wohl kaum garantieren.
Für mich stand im Grunde schon immer fest, dass ich studieren möchte. Allein wegen des Bildungsstatus. Erst mit der Enttäuschung, was das Studienleben und das damit hergehende Verhalten einiger Gleichaltriger angeht, begann ich umzudenken. Scheiß auf die, die von mir irgendetwas erwarten.
Es stand so schlecht um mich, dass ich damals davon ausging, dass Busfahrer grundsätzlich mies gelaunt sind; Kellner nach der Arbeit heulend ins Kissen fallen und Kundenberater sich in ihren Anzügen viel zu ernst nehmen; logisch, die haben ja alle auch einen scheiß Beruf.

Heutzutage ist der Arbeitsmarkt Krieg. Alleine das ist schon ätzend genug, zusätzlich noch davon auszugehen, sich den aussichtsreichsten Posten erkämpfen zu müssen, artet in puren Stress aus und man entfernt sich schneller von sich selbst, als es einem bewusst wird.

Sich den Beruf wieder zunutze zu machen anstatt umgekehrt, ist ein erstrebendwertes Ziel.

Egal was man ist. Natürlich bin ich froh dieses aus einer Position heraus schreiben zu können, aus der der Schuhverkäufer einem immer noch an Al Bundy denken lässt, aber das Recht zu Scheitern möchte ich mir deshalb nicht nehmen lassen.


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