"Mach es doch besser" Talk Show Argument Nummer 2*
Mich turnt Disco oder Club taugliche Musik immer mehr ab. Diese konzeptionell auf Massentauglichkeit produzierte Musik, die angeblich so sehr nach vorne geht, übertönt alles andere und hinterlässt den Eindruck jede Party sei gleich. Ich sehne mich auf Partys nach introvertierter Musik, die dich auch mal stehen lässt und ohne dich weitermacht. Mehr was für den Moment. Musik, die du vielleicht das erste Mal mit anderen zusammen, in einem anderen Umfeld hörst. Die dich weder abfragt - ja, kenne ich - oder sonst was von dir will.
Ein Wirt ist wenigstens noch sein bester Kunde, mit anderen Worten, er weiß was er da ausschenkt. Bei DJs bin ich mir nicht so sicher.
Die Clubs überraschen mich schon lange nicht mehr. Es scheint vielen gar nicht um die Musik zu gehen, die sind so abgestumpft, Hauptsache laut. Vielmehr geht es darum, möglichst lange durchzuhalten. Umso besser die Party, desto länger bleibe ich. Umkehrschluss: umso länger ich bleibe, desto besser die Party. Zumindest denkt man das am nächsten Morgen. Ich werde sowieso nie müde, weshalb ich diesen kleinen Wettstreit mit dem Sonnenaufgang eh nicht nachvollziehen kann.
Die Monotonie ist die eine Sache, die Einfallslosigkeit nochmal eine andere. In einem Club, vor zwei Wochen, war mir jedes Lied bekannt. Es waren keine schlechten Songs, die Probleme sind der Bekanntheitsgrad und das übersättigte Gehör. Es gelang mir sogar den nächsten Song zu erraten, einfach nur, weil genau diese Liedabfolge überwiegend in den verschiedensten / gleichen Clubs gespielt wird. Den DJs, die in manchen Städten nichts anderes sind als bessere Jukeboxes, fällt nichts ein. Die schauen möglicherweise sogar von einander ab, fanden den Move Song A auf Song B folgen zu lassen unheimlich homogen und kopierten es. Sagt das schließlich was über ihren Geschmack aus. Läuft ein Song aus einem Kultfilm, kann das Zufall gewesen sein, folgt ein weiterer Song aus einem anderen Kultfilm, huihui, da scheint jemand Ahnung und Stil zu haben. Aber genau das erwarte ich, wenn ich in einen Club gehe. Die Leute tanzen eben nur zur Musik, die sie kennen. Sie freuen sich, wenn auf
This Boots are made for Walking; Son of a Preacher man folgt. Das Gesprächsthema wird so gleich mitgeliefert. Full Metal Jacket und Pulp Fiction sind nunmal offiziell Kultfilme. Mittlerweile hat es jeder begriffen. Kult bedeutet aber auch, dass es nicht jeder kennt und jedem gefällt. In diesem Fall trifft das nicht zu, weshalb mal jemand das mit dem Kultstatus dringend hinterfragen sollte.
Ich bin ja froh, wenn es denn mal in Richtung Soul geht. Viel entkrampfter als zum Beispiel bei einem anstrengend eintönigen Reggae oder House Tune zuzuhören, bei dem du weißt, das geht jetzt noch fünfzehn Minuten so. Dennoch, obwohl beide unumstritten gut, folgen Aretha Franklins
Respect und Marvin Gayes
Ain't no mountain high enough nicht gerade überraschend aufeinander. Und immer nur diese beiden, selten im Rotationsprinzip mit
Think, ebenfalls von Aretha. Von den Brit Pop Bands mal ganz zu schweigen. Die schießen so schnell aus den Boden, man könnte sie fast mit Pilzköpfe verwechseln. Klar soll mit einem unspektakulären Mix ein möglichst breites Publikum angesprochen und Aktualität vorgetäuscht werden, aber das geht doch auch mit den B-Seiten oder mit Genreverwandten Stücken. So verlieren die Songs nur immer mehr an Größe und der assoziative Bezug ist ebenfalls hinüber.
Wenn der DJ gut auflegt, sind die Leute gut aufgelegt und gehen bei einem langsameren Stück höchstens an den Tresen anstatt nach Hause. Gerade an der Theke stehend, kommt ein Song von The Meters besonders gut. Also ich würde es begrüßen. Es mag eine vorrübergehende Stimmung sein, aber die ganz große Lust auf die Tanzfläche ist zurzeit überhaupt nicht vorhanden. In einem Bericht, lass es bei
Tracks gewesen sein, hörte ich von englischen Clubs, die das Tanzen verbieten. Die Begründung war, jemand, der einmal zu tanzen beginnt, auch weiterhin am tanzen gehalten werden möchte. Das schränkt die Musik zu sehr ein und lässt keine Ausweichmöglichkeiten mehr zu. Ganz im Gegenteil, die Leute werden launig und geben dem genrefremden Songs überhaupt keine Chance mehr. Jedenfalls, Tanzverbot, geniale Idee.
Vermutlich haben die meisten Clubs nicht den Mut gute und gleichzeitig umstrittenere Musik zu spielen, weg von den Singleauskopplungen. Bei der Masse würde das nicht ankommen. Aber gerade die sollte man sich nicht zum Vorbild nehmen. Ich hätte mich niemals in den Tunnel gedrängelt. Da ticke ich anders. Richtig.
Nur zu gerne würde ich in einem Club die grandiosen Songs von Groove Armada hören oder den Pet Shop Boys oder Depeche Modes. Die kennt man doch, wo ist das Problem dabei? Daft Punk ist ja schon eine absolute Seltenheit und wenn dann werden ausschließlich
Around the World und
One more Time gespielt, nie die Extended Version von
Teachers. Wer wegen der Musik kommt, wird nicht viel davon haben. Es läuft darauf hinaus, dass man nur noch zum tanzen weggehen kann und dann am besten nur einmal alle zwei Monate, damit die Frequentierung nicht zu hoch und damit die Enttäuschung zu groß wird. Mir ist klar, dass das ein naiver Gedanke ist, dennoch verstehe ich nicht, wieso es nicht möglich sein soll. Ich schätze viele DJs dürfen nicht so wie sie wollen. Thomas Bangalter darf! Der langhaarige Typ daneben ist
Busy P, denke ich.
*Talk Show Argument Nummer 1 lautet: schau dich mal an.