Montag, 30. Mai 2011

Der Typ im weinroten Pyjama

„Die neue Nachtwäschekollektion für Männer, die Authentizität und innere Werte schätzen: Ein authentischer, schnörkelloser Stil mit "Intellectual comfort". Ausgesucht hochwertige Materialien geben dieser Nachtwäsche ihren einzigartigen Trage- und Wellnesskomfort.“ Strellson Homepage

Ich will mir einen Pyjama zulegen. Den Gedanken hege ich schon seit längerem. Die Schuld dafür gebe ich dem amerikanischen Fernsehen und dem dort gezeichneten Bild des Familienoberhauptes an einem Milchmann-Sonntag. Im Bett einen Pyjama zutragen kann ich mir allerdings nicht so richtig vorstellen. Die Variante Shorts hat sich bewährt und dabei wird es auch nach dem Kauf bleiben. Als Kind hatte ich Frottee Schlafanzüge, einmal abgewöhnt möchte man nie wieder dahin zurück.
Der Pyjama ist für die ergiebigen Morgenstunden am Wochenende gedacht. Schon zu Studentenzeiten hätte ich einen Pyjama gut gebrauchen können, aber eher für die Abendstunden. Den Tagesabschnitt „Morgens“ gab es damals im traditionellen Sinne nicht.
Wie oft hätte ich die drei Fragen: wo bist du? bist du nüchtern? kannst du mich abholen? mit: Tut mir leid, ich habe bereits meinen Pyjama an, abschmettern können! Dafür hätte jeder Verständnis gehabt. Aber man tat es ja ausnahmslos gerne. Das Abholen. Von vernebelten Kleinstadt Bahnhöfen. Um 1 Uhr nachts.

Ich kann mir richtig gut vorstellen mit einer Tasse Kakao in der Hand und der Zeitung unter dem Arm auf den Balkon zu treten, den Nachbarn zuzugrüßen, mit der Zunge zu schnalzen und nach den Pflanzen zu schauen, die sich langsam durch die Balkonfliesen arbeiten. Die Zeitung würde ich nach dem Ausflug auf den Balkon direkt ins Altpapier entsorgen. Eigentlich würde das Bild des legeren Vorstadtmenschens durch die aufgeschlagene Sonntagszeitung und einer Pfeife im Mundwinkel komplettiert werden, aber das wäre mir viel zu anstrengend. Dann soll wenigstens die Farbe stimmen. Weinrot muss er sein und die Hose muss perfekt fallen. Nichtsdestotrotz darf es gerne etwas schludrig aussehen.

Ein Pyjama am Leib ist wie ein Kronleuchter an der Decke. Ein mondänes Accessoire, das dem Rest der Wohnug/ des Menschen eine gewisse Grundsolidität zuspricht. So möchte man doch sein. Grundsolide. Zumindest am Samstagmorgen.

Hier. Nee, hier ein Bild von meinem favorisierten Modell. Morgen wird bestellt.

(via)

Ansonsten komme ich jetzt über zwei Wochen ohne Handy aus, was in meinem Fall bedeutet, dass ich gleichzeitig auf den MP3 Player verzichten muss. Ehrlich gesagt wiegt letztes um einiges schwerer. Wirklich vermissen tue ich nur das Erreichen, zum Beispiel jemanden, der mich von nebeligen Kleinstadt Bahnhöfen abholt, um 1 Uhr nachts. Ich war nie einer von denjenigen, die ihr Handy für die reine Telephonie brauchten. Ihr wisst schon, jedes Gespräch, das über zehn Minuten andauert und Privates beinhaltet. Das kommt bei mir so gut wie nie vor, ich wüsste auch gar nicht was ich sagen sollte und dann wird es schnell peinlich. Was ich unbedingt sagen will, ist: es geht ohne Handy, aber es geht nicht ohne Pyjama.

Samstag, 28. Mai 2011

Das Unwort des Jahrzehnts

„Milk is chillin, Giz is chillin, what more can I say? Top billin.” Audio Two

Ich schäme mich wenn Menschen ihre ironischen Aussagen mit einem albernen Dialekt unterstreichen. Man versteht es doch auch so, ohne „icke“ und „joa mei“. Schlimm sind auch die, die dir und dich oder mir und mich verwechseln und nicht aus dem Ruhrpott kommen, es also mit Absicht machen. Alles klar, urkomisch, dann doch lieber die Situation unkommentiert lassen, als so vor sich herzubrabbeln.

Unsere Meine Muttersprache wird schon genug zum Krüppel immigriert. Der Amerikaner hat mit seinem MTV Sprech einen großen Teil dazu beigetragen. Gegen eine stetige Weiterentwicklung der Sprache ist nichts einzuwenden, wer will schon ein angestrengtes Deutsch sprechen wie Heinrich Mann oder ein hochgestochenes Englisch wie Shakespeare? Es würde nicht dem Sound des 21. Jahrhunderts entsprechen.

Unerträglich wird die Entwicklung erst dann, wenn Wörter bis in die Bedeutungslosigkeit mutieren. Ich bin ein langjähriger Anhänger der Rap Musik. Manchmal passen MCs die Wortendungen dem Reimschema an, getreu dem Motto: alles für den Reim. Je nach Talent hört sich das gekonnt und vor allem gewollt an. Ein Nachteil dieser Wortmutationen ist, dass sie 1:1 aus dem amerikanischen Slang ins deutsche übernommen werden.

Um auf den Punkt zu kommen: ich kann das Wort chillen nicht ausstehen. Chillen ist in jeglicher Ausführung der George W. Bush unter den Anglizismen. Das amerikanische chilling beutet soviel wie kühlen, im Sinne von abkühlen, lockern, entspannen. Im deutschen bedeutet chillen scheinbar nichts weiter als sich hinsetzen.

Genauso wie man einen Schwarzen an seiner Hautfarbe erkennt, erkennt man einen Idioten an der Nutzung des Begriffs Chillen.

Dem Ausdruck den Todesstoß versetzt, hat vor Jahren bereits die ehemalige MTV Moderatorin Anastasia. Sie traf sich mit irgendeiner HipHop Formation, lass es die Massiven Töne gewesen sein, zu einem Interview in einem Berliner Café und moderierte ihr Tun mit den Worten: ich chill noch mal eine Runde bevor die Jungs da sind. Hauptsache irgendetwas Genretypisches daherplappern. Daraufhin setzte sie sich auf einen Stuhl und wirkte so hyperaktiv wie zuvor. Noch nie ist eine Vokabel so dermaßen inflationär benutzt wurden. Seitdem verwenden den Begriff nur noch Idioten. Im Radio werben sie damit, dass ihre Musik zum abchillen sei. Das klingt aus dem radio wie ein Qualitätsmerkmal, dabei spielen die eh immer nur die zweihundert vorbehaltenen Songs.

Ungenutzter kann man Zeit nicht verbringen, als mit chillen.

Neben Kopf und kleinen Zeh Stoßen, gibt es doch nichts, das einen wütender macht als ein grenzdebiler Typ, der einem rät mal zu chillen. Chill ma`. Falls man sowieso gerade in Rage ist, sollte man besser Menschen meiden, die halb sitzend, halb liegend in einem Stuhl lungern.
Auffällig ist auch, verdächtigt man jemanden und dieser jemand erinnert einen daran erstmal zu chillen, dann ist dieser jemand immer, ausnahmslos immer schuldig wie die Hölle. Idioten verwenden den Begriff hauptsachlich dazu alles auf Null, also auf ihr Niveau, zurückzusetzen. Sie wollen Zeit gewinnen oder hoffen ernsthaft, dass derjenige, der ruhig bleibt recht bekommt. Sogar ein ganzes Wochenende verbringen jene unter der Prämisse zu chillen. Was soll das bedeuten? Fernsehgucken, nüchtern bleiben, Sitzen oder gar Liegen?
Nicht nur für mich ist chillen das neue Unzurechnungsfähig, der Inbegriff des unbewussten Handelns. Die Gerichtsmedizin weiß bereits bescheit.
Das musste mal gesagt werden.
Peace...

auch so ein Wort

Freitag, 27. Mai 2011

Neulich im Zug

"If you fool around
With the dealer
Remember soon
You'll have to pay
He'll creep behind you
Like a hunter
Just to steal your soul away" Deep Purple

Wir kamen aus dem Zoo. Vier Leute, ein fünfer Länder-Ticket. Im Wagon stand ein unauffälliger, ja… Mann mittleren Alters neben uns und fragte mich, ob er auf unserer Karte mitfahren könnte. Es tat mir leid, Nein. Er hatte wahrscheinlich bereits vorher ausgemacht, dass wir nur zu viert waren. Darauf angesprochen, willigte ich ein. Ich hatte ja nicht aus Prinzip nein gesagt, sondern weil ich mit autoritären Entscheidungen einfach schlecht umgehen kann. Was hätte ich machen sollen, abstimmen lassen?

Nachdem die anderen drei ausgestiegen waren und ich noch eine Dreiviertelstunde Zugfahrt vor mir hatte, setzte er sich mir gegenüber. Er bedankte sich und erklärte mir, dass er kein Geld für die Fahrt hätte, weil er an einem Rehabilitierungsprogramm, oder Therapie, wie er es nannte, teilnehme. Ist doch selbstverständlich, versicherte ich ihm und schaute verlegen aus dem Fenster. Er müsse für die Sitzungen, einmal die Woche mit dem Zug pendeln. Wegen seiner Spielsucht. Deshalb wäre das Geld knapp. Nachdem er das Kiffen aufgegeben hatte, brauchte er was anderes um sein Suchtverhalten zu kompensieren. Wie bescheuert hatte er das Geld in den Automaten gesteckt. Seine Freunde taten es ihm gleich, seine richtigen Freunde mahnten ihn, es sei doch verrückt sein gesamtes Geld in die Automaten zu stecken. Es kommt selten vor, dass ich jemanden treffe, der mitteilungsbedürftiger ist als ich.

Früher hat er auch gedealt. Erst mit Gras. 30 bis 40 Euro Netto am Tag hätten ihn anfangs gereicht. Dann kamen die Frauen, da mussten es schon 300 bis 400 Euro sein. Nachvollziehbar. Die Familie wurde ebenfalls unterstützt und nachdem das Gewissen beruhigt war, kam der Größenwahn. 3000 bis 4000 Euro Netto am Tag, das konnte man mit Marihuana natürlich nicht verdienen. Er stieg auf härtere Drogen um. Aufgrund der Dealerei hat er sich in der Stadt einen Namen gemacht, kam viel rum und brachte ordentlich was unter die Leute. Die Polizei wusste bescheid, konnte ihn aber aufgrund seiner peniblen Vorsichtsmaßnahmen nicht überführen. Wohnungsdurchsuchungen brachten nur ein paar lächerliche Gramm Marihuana hervor. Sowenig, dass er sich vor Gericht sogar eine große Klappe leisten konnte. Seine kleinen Delikte und damit die Bewährungsstrafen häuften sich an.

Er fragte mich, ob wir rauchen wollten. Dass wir uns in einem Zug befanden, störte ihn nicht. Gehen wir halt auf die Toilette, versuchte er zu überzeugen. Meine Skepsis, die Rauchmelder betreffend, wimmelte er ab. Gibt es nicht. Das war mir zu anstrengend, er solle mal alleine gehen. Von meinem Sitzplatz aus konnte ich den Gang mitsamt Toilettentür gut einsehen. Es hat sich eine ungewohnt lange Schlange vor der verschlossenen Toilette gebildet. Nach fünfminütigem Warten hatte er die Lust verloren und setzte sich wieder. Schade, ich hätte gerne in die genervten Gesichter der wartenden Fahrgäste gesehen, als einziger wissend, weshalb sie dort warten mussten. Den Reiz Komplize eines Verbrechens zu sein, kannte ich schon gar nicht mehr.

Er hatte sich gleich mehrere Wohnungen gemietet. In den angemieteten Wohnungen, von denen er glaubte, die Polizei würde sie nicht mit ihm in Verbindung bringen, kam es zu den Übergaben. Dort lagerte auch die Ware. Der Stoff kam über die Grenzen. Holland und so.

An einem nervösen Tag, brachte er einen lukrativen Käufer zu einer seiner inoffiziellen Wohnungen. Einen Deutschen, denen vertraute er. Er schwur mir, dass er sonst immer vor der Wohnung gewartet hätte bis Niemand mehr auf der Straße war oder in den Autos saß. Der Deal war zu verlockend. Kiloweise wollte der Kunde das Zeug aus der Bude tragen. Er wurde unachtsam und ignorierte die Jugendlichen in dem Auto auf der anderen Straßenseite. Sie wirkten auf ihn harmlos, sie lachten dümmlich vor sich hin und das Auto war selbst für Zivilbullen Verhältnisse zu schäbig. Ob der Käufer auch von der Polizei war, erwähnte er nicht.

Kaum war der Deal über die Bühne gegangen, traten die gepanzerten Polizisten seine Wohnungstür ein. Wie im Fernsehen. Auf den Bauch legen, Hände auf den Rücken, Kopf zur Seite, anschreien lassen. Das volle Programm. Alles eine riesige Scheiße, wie er mir versicherte.

Seine Bewährungsstrafe war aufgebraucht. Ich wusste gar nicht, dass das so funktioniert. Solange Scheiße bauen, bis der Richter sagt, nur noch einmal, dann ist aber auch mal gut. Er holte sich einen spitzen Typ von Anwalt. Der brachte ihn in die Therapie und bewahrte ihn so vor dem Knast. Er konnte sich, als er mir dies erzählte, das Grinsen nicht verkneifen. Er hatte dem Richter noch gedroht, obligatorisch, und setzt sich nun einmal im Monat in den Zug zur Therapie. Nach einem kurzen Ausflug durch unser Rechtssystem und den dort vorherrschenden Relationen in Sachen Strafmaß, erfuhr ich, dass es jawohl viel schlimmer sei betrunken Auto zu fahren als zu dealen. Er sei ein guter Mann, der nie seine Frau geschlagen hat, na gut, einmal, aber das war berechtigt. Hartz IV reiche nicht zum leben, wenn ihm Kollegen nicht hin und wieder Arbeit zuspielen würden, wäre er längst wieder in die Kriminalität getrieben worden. Vom Staat. Also auch von mir. Das war natürlich bitter. Wenn ich nicht soviel Angst vor ihm gehabt hätte, hätte ich ihm meine Hand auf das Knie gelegt und mich aufrichtig entschuldigt.

Vielleicht zieht er um, in ein neues Umfeld, eine neue Stadt, überlegte er sich. Das Problem in einer fremden Stadt sei es nur den Fuß ins Drogenmilieu zu bekommen. Seine anfängliche Läuterung, er fügte an fast jeden Satz „das war Scheiße“ an, schien verschwunden. Er markierte mir gegenüber den unbeugsamen Draufgänger, gab mir die Hand und verabschiedete sich. Noch zwei Sitzungen hatte er vor sich, dann kann das Leben weitergehen.

Dienstag, 24. Mai 2011

Gemeinsame Gegenwart – Fazit

„Du musst abliefern, ich muss abliefern, am Ende fragt man doch nur, ob du geil abgeliefert hast!“ Heinz Strunk in Fleisch ist mein Gemüse

Tja, das war es schon. Persönlich bin ich sehr zufrieden mit dem Ergebnis, mit dem Ablauf, mit den Texten sowieso, im Grunde ist fast alles reibungslos abgelaufen und ich hoffe, so manche hat ihre Angst vor dem veröffentlichten Wort abgelegt. In der Blogosphäre ist diese Aktion weitestgehend untergegangen, was erfahrungsgemäß daran liegt, dass es was zu lesen gab. Hätten wir alle eine Woche lang Fotos von Katzen hier reingestellt, hätte das der Server nicht mitgemacht. Aber darauf kam es nie an. Im erweiterten Bekanntenkreis habe ich viel Lob bekommen, auch mir selber hat es unheimlichen Spaß gemacht die verschiedenen Eindrücke Tag für Tag zu lesen. Ich finde es weitaus interessanter und somit anspruchsvoller, wenn man im Kollektiv wirklich etwas abliefern muss, anstatt zu verlinken oder Bilder hoch zu laden. So etwas funktioniert nicht ohne die zuverlässige Hilfe von begeisterungsfähigen Menschen. Danke, dass ihr euren Alltag/Urlaub mit uns geteilt habt, für eure Mühe und eure Zeit:

Silke
Ole
Verena
Tanja
Diana
Julia
Jan-Hinnerk
Maria und
Marc

Ich werde die Texte noch eine Zeit lang im Netz lassen, danach biete ich eine PDF Datei zum Download an, wenn ich das mit dem Web Space geregelt bekomme. Ansonsten kann man sie bei Verena nachlesen. Wenn bei den Beteiligten, wie beim Leser, das Interesse besteht, würde ich die Aktion gerne in einem gebührenden Abstand wiederholen. Vielleicht in einer Adventswoche, vielleicht in einem der tristen Wintermonate.

Wie hat es euch gefallen? Wollt ihr so was wiederholt sehen? Was bleibt?

Sonntag, 22. Mai 2011

Gemeinsame Gegenwart - 01. Mai 2011


+++ Johannes Paul II. wurde seliggesprochen; Meldung über Tötung von Gaddafis Sohn; Flugschreiber Air France Maschine gefunden; Tausende von Menschen gehen in Deutschland gegen Rechtextremismus auf die Straßen; DGB-Chef Michael Sommer sieht Arbeitnehmerrechte zunehmend in Gefahr; Deutschland öffnet den Arbeitsmarkt zu Osteuropa +++

Sonntag, den 1. Mai 2011 - Silke

Heute ist Familienparty im großen Stil angesagt – Oma wird 90. Da geht’s natürlich schon früh los, um 10 Uhr stehen wir alle im Gasthaus der Stunde zum Empfang der fast 70 Gratulanten bereit; die Zugehfrau hat einen Schauspieler angeheuert, der ganz im Sinne der britischen Krone die Gäste ankündigt. „Lady Ahrens and Lady Meyer are here! “ Es fängt also schon gut an, der Sekt fließt selbstverständlich, der Altersdurchschnitt liegt bei 60 Jahren (4 Enkelkinder reißen den Durchschnitt von 70 Jahren runter), alle sind lustig.
Dann fängt das stundenlange Essen an, unterbrochen von Reden und Diashow. Ich bin glücklich, es gibt Kroketten. Meinetwegen müsste es an solchen Anlässen auch nur ausschließlich Kroketten geben; wenn ich mal so alt werden sollte, gibt es nur Kroketten. Und Soße. Kroketten sind so fantastisch, dass sie ähnlich wie ein sehr guter Song nur zu speziellen Anlässen genossen werden sollten – um zu vermeiden, dass die Besonderheit entschwindet und der Genuss in Langeweile umschlägt. Vielleicht sollte ich das Prinzip auch auf Beziehungen anwenden: „Ich finde dich super, ich bin total verliebt in dich – lass uns also nicht so oft sehen, ich habe Angst, dass wir einander überdrüssig werden.“
Meine Oma ist klasse. Mit 90 Jahren wohnt sie noch alleine, fährt Auto (zugegebenermaßen eventuell nicht mehr ganz so frisch wie mit 60 – aber ihre Argumentation ist fehlerfrei: „Die kennen doch alle mein Auto, dann können die ja zur Seite fahren wenn die mich sehen“), schwimmt regelmäßig, spielt Karten und hat generell ein besseres Social Life als ich. Außerdem ist sie wunderbar direkt, da kann es keine Missverständnisse geben. Besonders wenn es um meine Beziehungen (oder auch nicht existierende Beziehungen) geht, macht sie unmissverständlich klar, dass sie mich gerne wieder in den Armen meines Ex-Freundes (mit dem ich seit mehr als 8 Jahren auseinander bin) sehen würde („Das war doch so ein Gentleman. Und schick war der auch!“). Weiterhin habe ich von meiner Oma gelernt, dass ich auf mich achten muss da ein klarer Hang zur Dicklichkeit vorhanden ist („das hast du von deiner Uroma“), ich die Männer nehmen muss, wie sie sind – denn es gibt keine anderen („aber sieh zu dass die mindestens 4 Jahre älter sind als du. Sonst wird das nix“) und dass ich mit meiner Arbeit und dem ganzen Rumgereise sowieso keinen Bräutigam finde („wenn du immer auf’m Swutsch bist brauchst du dir nicht einbilden, dass da einer Lust zum warten hat“). Trotzdem, und da sind wir uns einig: „Arbeit kommt zuerst. Dass war bei uns früher schon immer so.“

Ich glaube, wenn sich nur alle von meiner Oma inspirieren lassen könnten, nur ein bisschen – mit ihrem Pragmatismus, Optimismus und Lebensfreude wäre die Welt schon ein bisschen freundlicher. Nach 90 Jahren muss sie es schließlich wissen.


Age is an issue of mind over matter.  If you don't mind, it doesn't matter.  ~Mark Twain

Sonntag, den 1. Mai 2011 - Ole

Wiedersehen.

Ich liege mit dem Gesicht im Kissen, um ausschlafen zu können. Hätte fast funktioniert! Wir frühstücken und hören Cake. Mittags begleitet Joni mich noch zur Haltestelle und ich fahre zum Hauptbahnhof. Dort treffe ich meine Eltern auf dem Rückweg vom Urlaub. Wir gehen noch etwas essen, weil wir noch eineinhalb Stunden auf den nächsten Zug warten müssen. Es gibt viel zu erzählen. Wer glaubt, dass trotz des heutigen Standes der Technik ein Kreuzfahrtschiff noch auf Grund laufen und Leck schlagen kann? Sie sind mit dem Schiff von Bergen zum Nordkap und zurück. Auf halber Strecke geschah das Unglück. Glücklicherweise fährt das Kreuzfahrtschiff immer nah am Ufer – aber wahrscheinlich ist es auch aus diesem Grund auf Grund gelaufen. Das Schiff konnte sich noch in den nächsten Hafen retten und alle mussten das Schiff verlassen. Mit zwei Tagen Verspätung ging die Tour auf einem anderen Kahn weiter...
In Nienburg angekommen holt uns meine Schwester vom Bahnhof ab und läd uns zu sich zum Kaffee und Kuchen ein. Dort kann ich mir die Geschehnisse zum zweiten Mal anhören. Was ich die letzten zwei Wochen getrieben habe, interessiert niemanden. Ist teilweise auch besser so...
Zum Glück darf ich mich wenigstens mal im Blog meines Lieblingsmenschen mitteilen, sonst würde ich wahrscheinlich bald an Vereinsamung sterben, oder so. Ein Hoch auf dieses Internet, das einem das Gefühl gibt gehört und verstanden zu werden. Haha.
Das ist (Ge)Meinsame Gegenwart!?
Dank Dittsche erfahre ich noch alles Wissenswerte über diese Hochzeit am vergangenen Freitag von William und Kate Mittelmeer, BVB's Meisterschaftssieg, dass Frau Kager aussieht wie Kevin Großkreuz und Lothar Matthäus ne neue Neue hat – ein Kettensägenmodell.

Sonntag, den 1. Mai 2011 - Verena


Ein typischer, ereignisloser Sonntag. Man schläft so lange man will und dann kann man schön frühstücken und auf der Couch rumhängen und fernsehen. Den ganzen Tag. Sonntags ist so was total ok. Insbesondere, wenn es der einzig freie Tag der Woche ist. Zwischendurch kann man mal was aufräumen oder Menschen anrufen.

Ich bin auch noch kurz zu Hause bei Mama vorbeigefahren und habe den neuesten Klatsch aus der Nachbarschaft erfahren. Und ja, ich sage immer noch „zu Hause“, obwohl ich schon jahrelang nicht mehr da wohne. In der WG hat man mich dafür angepöbelt, weil mein neues zu Hause ja schließlich jetzt da sei. Bin gespannt, wann ich das nicht mehr sage.

Sonntag, den 1. Mai 2011 - Thomas

8 Uhr. Wenn ich bequem den Zug um 10 Uhr 19 kriegen möchte, muss ich jetzt aufstehen.
8 Uhr 30. "bequem" und "muss" in einem Satz, das war von vornherein zum Scheitern verurteilt.
9 Uhr. Ich stehe auf, packe meine Tasche, ziehe mich an, gehe ins Bad und kurz darauf zur S-Bahn Station. Am Bahnhof Frühstücke ich - Rooney like - zwei Cheesburger, dazu gibt es Cola. Die Voraussetzungen sind gut.

Heute ist wieder Spieltag. Wir treten gegen Duddenhausen an. Ein Verein, der damals durch alle Jugendmannschaften weg nie etwas zu lachen hatte. Warum die plötzlich in unserer Klasse spielen, werde ich heute herausfinden. Aufgrund meiner mangelnden Trainingsbeteiligung darf ich erst ab der 60. Minuten ran. Es steht 1:0 für uns, durch Elfmeter. Einen gegnerischen Elfmeter hat unser Keeper gerade abgewehrt, als ich das Feld betrete. Viel kommt nicht von mir, es reicht aber für eine Torvorlage und ein Tor. Ein eleganter Lupfer, der im Nachhinein etwas an Wertschätzung einbüßt, da ein Duddenhausener Abwehrspieler, anstatt mir direkt zu gratulieren, mit seinem Hinterkopf den Ball auf der Linie noch in die Torecke verlängern muss. So was zählt selbst in der Bundesliga, mit ihren  omnipräsenten Kameras, nicht als Eigentor. Bei uns letztendlich auch nicht, wie aus dem Spielbericht hervorgeht. Endergebnis 3:1. Der erste Sieg seit meinem Wechsel nach Drakenburg, Anfang dieses Jahres. So überfällig wie nötig.

Nach dem Spiel sitzen wir in der Sonne, trinken Bier, schauen uns ein 2.KK Spiel aus dem Südkreis an und amüsieren uns prächtig über das Niveau. Danach fahren wir zum TUS Heim und machen dort dasselbe, nur ohne Fußball. Am Abend bringt mich mein Cousin zum Bahnhof. Pünktlich zu Batman - The Dark Knight bin ich wieder in Bremen. Kurz darauf war es das mit der Woche für mich.

Ich gebe zu den Hintergrund des 1. Mais nie richtig verstanden zu haben, was genau war noch mal der Zweck, wenn er auf einen Sonntag fällt?

Sonntag, den 1. Mai 2011 - Tanja


Am siebten Tag ruhte Gott von seiner Arbeit aus. Er sagte: „Dieser Tag gehört mir. Er ist ein heiliger Tag. Ein Ruhetag.“

Die Innenstadt schläft und nur die Kinder hört man für gewöhnlich draußen spielen. Der Sonntag in Deutschland hilft jedem zeitlos lebenden Menschen, auch ohne Kalender die Wochentage im Blick zu behalten. Hat alles geschlossen und nur die Dönerbuden laden einen zum verkaterten Schmaus von gefüllten Brottaschen ein, so kann es nur der Sonntag sein. In China allerdings nicht. Hier ticken nämlich chinesische Uhren, die ganze sieben Tage dazu einladen, jeden Tag in der Woche gleichermaßen genießen zu können. Tage, an dem einen die Milch oder Eier ausgegangen sind und nun auf den nächsten Montag gewartet werden muss, gibt es hier nicht. Supermärkte, Shoppingmalls, Einkaufspassagen, Restaurants und sämtliche Bars haben hier geöffnet. Die Menschen hier sind ausgehfreudig und beleben alle Orte einer Stadt. Ich weiß auch gar nicht, wie ich mich wieder an einen normalen Sonntag gewöhnen soll. Wahrscheinlich erwische ich mich vor verschlossenen Türen eines Supermarktes beim Kauf von Frühstückseiern.
An dem heutigen Abend sollte auch niemand von uns schlafen: M. feierte in sein neues Lebensjahr. Das heutige Motto des Abends sollte „schlaflos in Shanghai“ lauten. Morgen sei der 1. Mai, der Tag der Arbeit, und somit ein freier Tag für alle chinesischen Arbeitstiere. Bevor es aber wild werden sollte, wollten wir den Tag entspannt starten.

Wir nutzten den späten Vormittag, um ausgiebig zu Brunchen. Serviert wurde:
Leberwurst, Salami, Aufschnitt in verschiedensten Ausführungen, Käse, Frischkäse, Bockwürstchen, Eier, Nutella, Marmelade, ein paar Gemüsesorten und frisches Brot. Im Hintergrund lief brasilianischer Bossa Nova Chill Out Remix. Oft zieht es uns aber auch in die Kommune im Tianzifang, wo die besten und originellsten Sandwichs der Stadt angeboten werden. Der Besitzer des Ladens ist ein großer, blonder Surfertyp aus Australien und ich würde lügen, wenn es die ein oder andere nicht auch deswegen dort hinzieht.

Heute sollte etwas Entspanntes auf dem Plan stehen und so machten wir uns zum Century Park – dem größten Park Shanghais- auf. Das schöne an Shanghai ist, dass es der Stadt nicht an Grün fehlt. Ein Park nach dem anderen ist zu Fuß schnell zu erreichen und an vielen Orten der Stadt blüht und duftet es nach einem Meer aus Blumen. An der Metrostation ausgestiegen, erwarteten uns auch schon etliche kleine Garküchen, die sich ungünstigerweise an dem Gehweg zum Ticketschalter platziert hatten. Die Leute, die sich für die kleinen Häppchen angestellt hatten, blockierten den Weg für diejenigen, die auf dem Weg zum Ticketschalter waren und andererseits auch für diejenigen, die sich zurück zur Metrostation machten. Irgendwann hatten wir uns gegen das Gruppenkuscheln entschieden und für die Abkürzung durch die Lücke zweier Garküchen. Wir standen endlich am Eingang vor dem Ticketschalter. Die Schlange war viel zu lang und das Wetter viel zu heiß, um sich normal anzustellen. Aber ehe ich mich mit dem Gedanken abfinden konnte, stand auch schon A. mit zwei Eintrittskarten vor meiner Nase da und deutete auf den leeren Ticketschalter für körperlich Benachteiligte. Er hatte dem Ruf eines Fuchses wieder einmal alle Ehren gemacht!

Was uns auf den ersten Blick erwartete, war eine kilometerlange Wiese, die von unzähligen  “Strandmuscheln“ und Picknickdecken bedeckt und verschluckt wurde. Nur wenn man sich konzentrierte, konnte man hin und wieder einen kleinen Grashalm erkennen. Viele Familien und Pärchen kommen hier hin, um ein wenig vom hektischen Stadtleben abzuschalten. Viele von ihnen nutzen aber auch die Gelegenheit, um ihr Fotoalbum aufzupeppen, indem sie sich ein Stückchen Natur mit aufs Bild nehmen, es umarmen, küssen, streicheln oder auch platt treten. Das Blumenbeet wird schnell zur beliebtesten Kulisse, um sich mit dem schönsten Victory-Zeichen ablichten zu lassen.

Leider reichte die Zeit nicht mehr, um eine gemütliche Runde mit dem Boot zu drehen. Es ist spät genug geworden und das gemeinsame Abendessen stand unmittelbar bevor- es fehlte nur noch die Geburtstagstorte.
Die Chinesen lieben Süßkrams: von Bonbons, Gebäck, Eis bis hin zu Kuchen und Torten. Naschkatzen sind hier zu Hause und kriegen ihren Zucker weg! Besonders beliebt und variantenreich sind hier Kuchen und Torten. Kuchen in Form von Fußbällen, Hello Kitty Köpfen, Melonen und anderen Kuriositäten. Man nehme 1kg Zucker und mische es in ein einziges Kuchenstück. Manchmal sind es aber gerade die, die nach außen hin protzen die ungenießbaren Torten unter den schmackhaften. Was M.s Kuchen anbelangt, da fiel mir gleich die Hochburg aus Marshmellows und Schokolade auf. Bezahlt, verpackt und ab nach Hause, um sich noch einmal frisch zu machen.
Nun hat auch schon der wilde Part des Abends begonnen. Vorerst noch mit einem gemütlichen Beisammensein bei einem Snack im Element Fresh und später dann in einem Club, um auf M. und sein neues Lebensjahr anzustoßen. Die ein oder anderen mögen am nächsten Morgen nicht mehr wissen, was sie sich den Abend zuvor bestellt hatten. Um allen Anschein zu vermeiden: ich bestellte ein Steak Sandwich.

Es ist immer etwas los in der “Stadt über dem Meer“. Es gibt keinen Tag, an dem nicht irgendwo ein Reissack umfällt. Am Mittwoch würde auch schon mein Bruder zu Besuch kommen – nur noch 3 Tage vor dem nächsten großen Sturm.
上海欢迎你!

Sonntag, den 1. Mai 2011 - Diana

Guten Morgen Welt.

Wer Samstag‘s feiert, dem fehlt der Sonntag. Ich weiß nicht wie viele Sonntage mir fehlen, aber die Partys möchte ich nicht missen!  Wenn ich mit meinen Eltern über das Partydasein erzähle, ist klar wie sehr sich die Feierkultur verändert hat. Früher ist man schon gegen 21Uhr in den Klub gegangen, der meist ohne Eintritt war und mit Live Musik statt eines DJ. Dafür ging es  nur bis 2 oder 3 Uhr in der Nacht. Vielleicht liegt es an der allgemeinen Verschiebung der Menschheit. Sommer beginnt mittlerweile ja gegen April / Mai und  vor 23 Uhr würde unser Eins keinen Klub aufsuchen.
Hier sind es sagenhafte 25 Grad, allerdings kann ich es im Moment nicht genießen. Es ist 10.30 Uhr  und wir kamen gerade erst von unserer Nachtschicht aus Stuttgart zurück. Das Navi hat uns komplett über die Landstrasse geschickt. Obwohl ich die ganze Zeit geschlafen habe, kam mir die Fahrt wie eine Ewigkeit vor. Kurz bevor mir die Augen zugefallen sind hab ich mich gefragt wie lange es wohl dauern wird, bis ich meine neue Umgebung genauso gut kenne wie meine Heimat. Denn 60-100 km rundum Nienburg kenn ich in und auswendig – mal davon ab das mein Vater immer sehr viel Wert darauf gelegt hat, dass wir einen ausgeprägt  guten  Orientierungssinn  pflegen, bin ich hier froh wenn ich in der Stadt die Quadrate hoch- und wieder runter laufen kann. Quadrat klingt erst mal sau einfach, aber die „Monnemer“  Innenstadt  ist für Neulinge ein Labyrinth aus „Yam Yam’s,“ Dönerläden, Bars und diversen Shoppinghäusern verteilt in Buchstaben und Zahlen. Wir feiern in Q5 und essen in G7!


Noch mal guten Morgen Welt. Ich freu mich, dass meine Kollegin sturmgeklingelt hat und es erst 17 Uhr ist, denn heute ist die legendäre Beacheröffnung am Hafenstrand, ein Muss für jeden Mannheimer der elektronischen Musik mag. Die Woche war lang und auspowernd und alles woran ich jetzt noch denken mag ist satte Musik, leckere Drinks, einen Freudentanz zu Dj Seebase und Kopf zu machen. Freitanz unter blauem Himmel.
Ein Prost auf Sonntag – und ein Hoch auf Dich und mich, das Leben ist geil!

Sonntag, den 1. Mai 2011 - Maria


Nothing will work unless you do.

Der 1. Mai verspricht ein aufregender Tag zu werden. Und ich habe da nicht die aus Berlin bekannten Demos und Krawalle im Sinn.. Nach viel zu wenig Schlaf, aber in allerbester Laune aufgestanden, macht mir der ewige Himmel-Sturzbach jedoch kurzerhand einen Strich durch den Plan, einen traumhaften Sonntag in einem der schönsten Gärten Lissabons bei einem Jazzkonzert zu verbringen. 
Die kurzfristige Kursänderung sieht dann ein Treffen mit meinem Portugiesisch-Tandempartner vor, Fleißigsein passt eben besser zu einem Regentag. Wir entscheiden uns für Café-Hopping, Teil 10. Hauptthema heute sind Sprichwörter, deutsche und portugiesische. Es ist wie immer viel zu lachen. 


++ Alle Zitate (Überschriften) von Maya Angelou.

Sonntag, den 1. Mai 2011 - Jan-Hinnerk

Wieder die Morgenroutine: Ich schalte den Computer an und der zweite Artikel, der mir nach dem Borussia Dortmund Foto bei Spiegel Online begegnet, ist die Vorberichterstattung zum Hamburger Polizeieinsatz am 1. Mai, dem Tag der Arbeit. Diesen Feiertag gibt es heute auch in Thailand, doch hier interessiert das niemanden so richtig. Insbesondere keine Krawallmacher.

In dem Reiseführer, den ich ganz zu Anfang meiner Auslandsreise gelesen habe, steht wortwörtlich „Bangkok ist bei Nacht nicht gefährlicher als… Bielefeld.“ Ich war noch nie bei Nacht in Bielefeld und ich habe es auch nicht vor, aber ich vermute, dass es in Bangkok sogar chilliger ist. Das gefällt mir. Ein bisschen liegt das bestimmt daran, dass die meisten Menschen hier Buddhisten sind und damit aus kulturellen Gründen Konfrontationen und Streit eher aus dem Wege gehen. Überhaupt ist es beeindruckend wie friedlich arme und unglaublich reiche Menschen hier in unmittelbarer Nachbarschaft zusammenleben. Wobei mir einschränkend einfällt, dass es gerade letztes Jahr natürlich auch blutige Auseinandersetzungen in Bangkok gab. Am Ende musste das Militär eingreifen und meine Kollegen konnten fast 14 Tage lang nicht ins Büro kommen, weil Straßenkreuzungen und Stationen von Aufständischen kontrolliert wurden. Dieser Aufstand war aber offenkundig politisch motiviert und hat mit Alltagskriminalität und Vandalismus nichts zu tun. Im Großen und Ganzen ist Bangkok friedlicher als Bielefeld. Ich habe in den letzten Monaten jedenfalls nur Soldaten gesehen, die sich bei 7-Eleven gerade Cola kaufen.
Wenn ich so an meine Zeit in Stuttgart denke, muss ich feststellen, dass ich da mehr Schiss hatte: Bekloppte S21-Demonstranten, die mit Steinen schmeißen und Mülltonnen durch die Gegend treten. Noch beklopptere Polizisten, die im Gegenzug mit Wasserwerfern auf Schüler zielen und einem Demonstranten ein Auge rausjagen. Mitbürger mit Migrationshintergrund, die in der S-Bahn schwarzfahren und den Kontrolleur beschimpfen oder mich beim nächsten Mal nachts in der S-Bahn anrempeln und beleidigen. Vielleicht hatte ich nur Pech, aber so richtig wohl kann man sich da nicht fühlen.

An Skytrain und Metro, den öffentlichen Verkehrsmitteln in Bangkok, kleben keine Graffiti. Es gibt keine eingeschlagenen oder verkratzten Scheiben und Müll ist nirgends zu sehen. Am Bahnsteig stellen sich alle Leute gelassen in Reihe an, auch wenn es brechendvoll ist. Okay, gelegentlich drängeln sich versprengte Europäer vor, aber trotzdem ist es selten hektisch. Es kann auch keiner schwarzfahren, weil man nur mit Fahrschein auf den Bahnsteig kommt und Bahnfahren außerdem so günstig ist, dass es den Sprung über die Absperrung nicht wert wäre. Ich wünsche mir dieses Niveau von der Deutschen Bahn. Ironischerweise wird der Airport Link, also die Bahnlinie zum Flughafen Bangkok, von der Deutschen Bahn betrieben. Das soll mir mal einer erklären.
Als Gegengewicht zu diesem vergleichsweise harmonischen System, präsentiert sich der Straßenverkehr als lebensgefährlich und nervtötend. Ständig ist Stau, überall nur Autos, Tuk-Tuks und Mopeds. Natürlich trägt auf dem Moped kaum jemand einen Helm - obwohl das inzwischen sogar Pflicht ist/wäre. Wo es möglich ist, fahren dafür aber alle zu schnell und sprinten in dem engen Großstadtgewühl rechts und links an den fahrenden Autos vorbei. Kein Autofahrer macht ruckartige Lenkbewegungen, weil sonst sofort ein Zweirad auf der Seite liegen würde. Die übliche Schutzausrüstung der Motoristen besteht aus kurzer Hose, T-Shirt und Flipflops. Unfälle enden deswegen häufig hässlich. Wer sein Leben mag und die Zeit für den obligatorischen Verkehrstau erübrigen kann, der fährt besser Taxi. Aber das ist eben die Art von Großstadtterror, mit der man in Bangkok leben muss. Und mir ist es allemal lieber, als unkontrollierte Krawalle am 1. Mai.

Apropos 1. Mai… Wie beschrieben ist heute ja auch in Thailand "Tag der Arbeit". Und weil Feiertage, die auf das Wochenende fallen, arbeitnehmerfreundlich auf den nächsten Werktag verschoben werden, habe ich morgen noch mal frei. Auch darüber könnten wir in Deutschland mal nachdenken. Ich verbuche den Tag jedenfalls als Ersatz für den entgangenen Ostermontag am Wochenanfang. Und so schließt sich der Kreis der Woche.

Sonntag, den 1. Mai 2011 - Marc


Liebes Tagebuch, es beschwert meine Laune, dass dies nun der abschließende Eintrag ist. Leider auch noch ein sehr kurzer, da meine heutigen Aktivitaeten sich sehr einfach und kurz beschreiben lassen: bett, Sofa, DVD, Bett, Sofa, DVD, Kumpel vom Airport abgeholt, Sofa, essen holen, DVD, DVD, schlafen. Es ist ein lahmes Ende meiner zweiten, schoenen Urlaubswoche, die doch leider durch ein Jahrhundertereignis ueberschattet wurde. Doch ich kann sagen, dass die Welt sich fuer viele sofort normal weiterdreht, auch fuer mich. Morgen werde ich dann wieder um 5.30 Uhr aufstehen, um puenktlich ins Buero zu kommen. Ich freue mich riesig...
Gute Nacht und bis denne, liebes Tagebuch, auf Nimmer-Wiedersehen.

Samstag, 21. Mai 2011

Gemeinsame Gegenwart - 30. April 2011


+++ Borussia Dortmund ist deutscher Fußballmeister 2011; Mutmaßlich islamistische Terroristen planten offenbar Bomben-Anschläge in Deutschland; Anwohner und Geschäftsleute im Hamburger Schanzenviertel hoffen auf ruhigere Nacht in den 1. Mai +++

Samstag, den 30. April 2011 - Silke

Schön ausschlafen heute, am Samstag. Da habe ich mich schon die letzten beiden Wochen drauf gefreut – endlich mal schön ausschlafen. Um 7 Uhr wache ich auf, bis um 9 Uhr versuche ich wieder einzuschlafen, dann gebe ich auf. Soviel zum schön mal ausschlafen. Ob es das fortgeschrittene Alter ist? Das 27 anders als 18 ist, ist klar. Das ist auch gut so und ich freue mich in regelmäßigen Abständen darüber. Weniger erfreulich sind die sich klar um die Augen abzeichnenden Fältchen (ganz klar jedenfalls, wenn ich 5cm vor dem Spiegel genau hingucke), ob die tolle Creme vom Bodyshop da wohl hilft?
Also aufstehen, frühstücken. Mama ist der Meinung, ich müsste nach dem ganzen Reisen erstmal wieder „geerdet“ werden und schickt mich in den Garten. E. ist am Rasenmähen, mit dem Rasenmähertrecker (heißt das so? Sieht auf jeden Fall so aus), das sieht nach mehr Spaß aus, als Wäsche aufhängen jemals sein könnte. Geschickt biete ich meine Hilfe an und sitze auf dem Gefährt, umgehe damit also langweiligere Erdungsarbeiten. Die Sache stellt sich als durchaus entspannend heraus (ich hoffe, das versehentlich abgemähte Blumenbeet fällt nicht auf).

Die Sonne scheint. Später geht’s zu einem meiner Top 3 Lieblingsplätze in Europa, Blumen gießen: der lokale Friedhof. Hier könnte ich Stunden verbringen; schöner als jeder Park, ruhiger als jeder Park. Kein Buch vonnöten, hier liegen genug Geschichten. „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“ steht da geschrieben; kann ein Satz mehr Wahrheit sprechen?
And so they are ever returning to us, the dead.

Zum Einbruch der Dunkelheit finde ich meinen Weg wieder nach Hause; in der Stube findet die Familie zusammen. Mein Vater berichtet, dass vor dem Haus unserer Nachbarn (die, wohlgemerkt, über einen Kilometer von uns entfernt wohnen) die Strasse abgesperrt ist und Autos mit Blaulicht davor stehen. Nach einigem Rätseln, was dies wohl sein könnte (Meine Mutter: „Komisch, alte Leute wohnen da doch gar nicht, die umgekippt sein könnten“) ruft mein Vater bei den Nachbarn an. Die Tochter des Hauses nimmt ab, weiss aber auch nichts. Spannend.
Ich finde die Neugierde und unbedingte Nähe der Gemeinschaft erst einmal wieder befänglich, fast unangenehm – nach Jahren der absoluten Anonymität in London, Amsterdam und Wien muss ich mich neu daran gewöhnen, was Gemeinschaft bedeutet. So groß ist der Gegensatz; in der Stadt würde sich eine Oma nie eine Tasche nach Hause tragen lassen, im Dorf würde die Oma sich wahrscheinlich bei den Eltern des Kindes beschweren, welches ihr hätte helfen können.


Each of us is a being in himself and a being in society, each of us needs to understand himself and understand others, take care of others and be taken care of himself.  ~Haniel Long

Samstag, den 30. April 2011 - Ole


Schall und Rauch.

Joni hat nur Vorhänge vorm Fenster, drum ist's um halb 12 schon vorbei mit Rausch ausschlafen...
Erstmal kalt duschen und ordentlich FrühSpätstücken. Am Nachmittag geht’s dann wie geplant wieder in die Stadt zum Shoppen. Der Smallville Recordstore öffnet gerade seine Türen, wir sind die Ersten, doch bereits eine Minute später ist der kleine Laden voll. Alles ist nach Labels sortiert, das gefällt mir eigentlich sehr gut. Oft findet man ohne die Unterstützung des Verkäufers sonst nicht eine Platte. Hier ist allerdings das Problem, das die Plattentheken so vollgestopft sind, dass man die Platte gar nicht erst aus dem Fach bekommt. Zudem liegen sogar noch große Stapel Schallplatten oben drauf. Nachdem ich schätzungsweise eine Halbe Tonne Plastik von rechts nach links und zurück gestapelt habe, kaufe ich vier Scheiben.
Auf dem weiteren Weg entdecke ich noch einige nach Keller duftende Secondhand-Schuppen und ich kann meine „Blödelhits“ LP Kollektion von einer LP auf zwei erweitern!
Wir chillen ein Stündchen am Elbufer und bruzzeln mit Eis in der Sonne.
Mein Handy klingelt. So Fresh, So Clean – Outcast. Hehe.
Ich verabrede mich mit einer Freundin aus Hamburg auf einen Drink im Schanzenviertel. Aufgrund des bevorstehenden 1. Mai fährt der Bus nur 3 Haltestellen. Dann ist Endstation. Das gesamte Schanzenviertel ist in einem Radius von mehreren Kilometern für sämtlichen Verkehr hermetisch abgeriegelt. Nach knapp einer Stunde Fußmarsch in der prallen Sonne bestelle ich drei Bier und noch einen doppelten Espresso für mich. Wir unterhalten uns gut und verabreden uns für heute Nacht ebenfalls in der Schanze. Auf dem Rückweg essen wir noch eine Ofenkartoffel gefüllt mit Hähnchenbruststreifen, Peperoni, Tomate, Salat, Nachos und mexikanischer Soße. Die Alternative zum Döner! Von der Haltestelle Sternenschanze können wir glücklicherweise direkt zurück nach Harburg fahren.
Ich leg mich noch ein Stündchen ab. Danach machen wir uns fertig und fahren zurück in die Schanze. Jetzt fällt mir auf, dass ich besser nicht nur Schwarze Hosen mitgenommen hätte. Zusammen mit meiner schwarzen Jacke sehe ich in den Augen der unzählig vielen Polizisten jetzt wahrscheinlich so aus, wie ein gewaltbereiter Mai-Extremist...
Die Stimmung im Viertel ist allerdings in meinen Augen erstaunlich entspannt, außer eines brennenden Müllcontainers gab es nicht viel zu sehen. Da hätte ich etwas mehr Engagement erwartet liebe Hamburger!
Ich möchte nicht wissen was dieser Polizeieinsatz gekostet hat und dann haben die nicht einmal etwas zu tun gehabt - außer Kaffee saufen und an jeder Ecke rumstehen...
Wir trinken drei Bier in einer netten Eckkneipe. Danach fahren wir wieder heim. Ich bin fertig vom (Vor-)Tag. Als wir gerade in die Bahn einsteigen klingelt mein Handy, wo wir uns treffen wollen. Schade.
Joni und ich trinken noch eine Dose Bier auf dem Garagendach, lassen die Füße herunterbaumeln und starren in den Sternenhimmel. Wann hast du das letzte Mal da hochgeschaut?

Samstag, den 30. April 2011 - Verena


Wie soll ein Tag gut starten, wenn man samstags schon um 6 Uhr aufstehen müsste. Also Konjunktiv. Aber immer noch fast rechtzeitig. Dann ab auf die Autobahn und nach Köln. Fast so schlimm wie das frühe Aufstehen ist dann noch die Parkplatzsuche an der FH. Deshalb sollte man auch früher losfahren. Egal, Parkplatz gefunden und nur 15 min zu spät zur Vorlesung: 3 Stunden Corporate Communication. Gibt schlimmeres. Zum Beispiel, wenn der Professor fragt, wer denn die Southfork Ranch noch kennt und dann auf mich zeigt „Sie kennen das bestimmt!“ – „Na toll. Sehe ich so alt aus?“ Verdammt, natürlich kannte ich es, das war von Dallas. Kann ich auch nichts dafür, dass die anderen so jung sind. Außerdem bin selbst ich für Dallas noch zu jung. Meine Mutter macht uns heute noch Vorwürfe, dass sie es damals nie gucken konnte, weil wir nicht ins Bett wollten. Aber ich kenne es, das ist Fernseh-Allgemeinbildung, geguckt hab ich es aber nie.

Der Rest war ganz interessant. Es ging um Hirnforschung und Psychologie und wie uns die Werbung unterschwellig Sachen andreht, ohne dass wir es merken und so. Kenn ich.

Dann nach Hause. Vorher noch in die Waschanlage und was einkaufen. Ein bisschen aufräumen, ein bisschen putzen, dabei ein bisschen fernsehen und Kaffee trinken und auch was essen, weil gefrühstückt hatte ich nicht.

Bin sogar noch laufen gewesen. Diesmal mit der angeschalteten runtastic App. Ging sogar schon besser. Idioten mit gelb-schwarzen Schals fuhren an mir vorbei. Kein gutes Zeichen.

Danach noch was auf die Couch, aber ich konnte nicht schlafen. Abends dann R abgeholt und ins Come In gefahren. Eigentlich war es langweilig. O und C waren auch da. Sie streben den gleichen hedonistischen Yuppie-Lifestyle an wie ich, lassen es aber zu sehr raushängen. Insbesondere, wenn man in einen alternativen Rockladen geht, sollte man das lassen. Ich war freiwillig Fahrer und hab nichts getrunken und was macht R? Trinkt ein Weizen und dann nur noch alkoholfrei. Ist eigentlich auch nicht richtig so was.

Samstag, den 30. April 2011 - Thomas

11 Uhr. Jack Bauers typischer Handy-Ton unterbricht meinen traumlosen Schlaf. Ich habe mir den Klingelton aufgrund der Serie Pastewka, kompliziert, kompliziert, auf mein iPhone geladen und erst im Nachhinein erfahren, dass der Sound ursprünglich aus der Serie 24 stammt. Seitdem ist mir der Spaß daran vergangen. Timo will wissen, wann wir uns wo genau in der Stadt treffen.

11 Uhr 50. Ich treffe Timo und Steffi am Roland. Wir laufen einige Geschäfte ab, es geht hauptsächlich um Kleidung und Musik. Heute ist bei Hot Shots der letzte Tag einer "Gebraucht zum halben Preis" Aktion, auf Originale gibt es immerhin noch 20 Prozent. Ich nehme mir "Unterschied" von den Massiven Tönen, "Different Class" von Pulp, "Idlewild" von Outkast und eine Michael Jackson DVD, die nach seinem Tod herauskam, für insgesamt 10 Euro mit. Da kannst du nicht meckern.

Auf dem Weg zurück in die Neustadt treffe ich auf ein paar Antifa, Punks oder Linksextremisten. Schwer zu sagen. Heute ist eine Nazi Demo angekündigt und das lockt diese Hacky Sack spielenden, Politikverdrossenen Steineschmeißer an, wie Scheiße eben Fliegen nun mal anlockt. Ich lasse mir den Stand der Dinge erklären und Feuer geben. Die Demo ist gerade vorbei, verletzt hätten sie Bedauernswerterweise niemanden. Die Polizei, diese Schweine, hätten die Nazis aus dem Wurfbereich abgeführt. Kein Wort über das scheiß System.

Linke sind wie Hunde, wenn ihre Herrchen in der nähe sind, oder wie die Kirche, sie tun nur so als ob sie friedlich wären. Das Volk ist mindestens genau so besorgniserregend wie ihr Pendant, die Herren von der Leitkultur. Beide Seiten haben ein klar definiertes Feindbild, von dem sie glauben, es würde ihren Scheiß rechtfertigen. Beide Seiten sind schlecht angezogen, beide hören nervige, geistlose Musik und beide wirken auf mich unheimlich dumm und gewaltbereit. Keiner von denen macht den Eindruck als wüsste er was er da tut und wohin das führt. Mit irgendetwas muss man ja die Adoleszenz rumkriegen.

Ich widme mich dem Hirn und esse Knipp. Nach dem späten Mittagessen nutze ich den Tag, indem ich Mails verschicke, lese und Musik höre. Am Abend verrichte ich kleinere Dinge im Haushalt, zu mehr langt es einfach nicht. Der Schwips von vergangener Nacht steckt mir in den Knochen. Mittwoch geht es in den Flieger nach Barcelona, bis dahin wollte ich die Bude sauber haben. Allein die Vorstellung nach dem Urlaub in eine verdreckte Wohnung zurückzukehren, lässt mich den Besen in die Hand nehmen. Mit Spießigkeit gegen das Chaos im Leben. Vor lauter unmotivierten Wischen, vergesse ich die geliehene DVD zurückzubringen. Patrick Bateman wäre das nicht passiert.

Heute wäre Tanz in den Mai. Irgendwo läuft Techno Musik. Ich habe keine Lust.

20 Uhr 15. Wetten Dass...? läuft im Fernsehen. Selten wurde ich so schlecht unterhalten. Désirée Nick, ist die wirklich eingeladen oder wurde die bei einer abgesetzten RTL-Produktion im Studio vergessen? Peinlich. Der Rest der Gäste, sowie alle Wetten bleiben Dankbarerweise vornehm im Hintergrund und versuchen erst gar nicht irgendetwas mit dem Niveau anzustellen. Nur der Liefers wirkt sehr angestrengt dabei als Kulturfreund ernst genommen zu werden. Als US-Star, der rechtzeitig seinen Flieger kriegen muss, wurde Whoopi Goldberg auserwählt. Warum hat Gottschalk eigentlich keinen Fliesentisch für seine drittklassigen Gäste bereitgestellt? Wäre doch angemessen gewesen. Kurz überlege ich den Ton auszuschalten…

Ton aus. Der glattrasierte Hugh Laurie schaut ganz bedröppelt aus der Wäsche. Wie viele Dr. House Anspielungen der sich wohl gefallen lassen muss? Als ich wieder aufwache, suche ich im Dritten Programm nach einer Sportsendung. Bayern hat Schalke mit 4:1 nach Hause geschickt. Ich bleibe bei Death Proof hängen. ARD zeigt den Quentin Tarantino Film in HD. Es ist der mit Abstand schlechteste Tarantino, den ich je gesehen habe und spätestens jetzt habe ich sie alle gesehen. Ich weiß schon warum ich den bisher gemieden habe. Ausgerechnet die Dialoge machen den Film so durchschnittlich.

Um 2 Uhr sehe ich endlich die vier Bayern Tore im Bayrischen Rundfunk und kann zufrieden einschlafen.

Samstag, den 30. April 2011 - Tanja

Der Samstag begann mit einem „Frühstück“ im Abbey Road. Serviert wurden zwei Schnitzel pro Teller mit wahlweise Rösti, Wedges, Spätzle, Pommes oder Salat. Nicht zu vergessen, die Pilzrahmsauce für all die, die sich nichts aus weiteren 300 Kalorien machen. An dem heutigen Samstag sollte es nach Zhujiajiao gehen – eine beschauliche Wasserstadt, die leicht an Venedig erinnert. Da ich bereits davon ausging, dass es dort nichts Kaubares für meinen westlich antrainierten Gaumen gäben würde, wollte ich provisorisch vorsorgen. Selbst jemand mit einer bereits sinisierten Zunge, sollte an derartigen Orten vorsichtiger sein. Heute ist ein ziemlich heißer Tag gewesen und wer weiß, wie lange die Baozi bereits an der Sonne brutzelten und vor sich hin verdunsteten.

Auf lange und stickige Busfahrten hatten wir ebenso weniger Lust und da das Taxifahren in China ohnehin einen Apfel und ein Ei kostet, hatten wir uns für die bequemste Art entschieden. Es war unser Glück, dass der Taxifahrer sein lukrativstes Geschäft des Tages in uns witterte. Auf dem Hinweg zum Abbey Road bot er uns eine Hin- und Rückfahrt an und obendrauf würde er sogar auf uns warten. Abgemacht! Er lachte und wir freuten uns über diesen Extraservice.

Die Hinfahrt dauerte etwa eine Stunde und kostete uns insgesamt 230 RMB (ca.25 Euro). Auf der Autobahn bemerkte ich, dass sich meine Strickjacke in der Tür verfing und ¼ der Jacke nun aus dem Auto hing und durch die Luft wedelte. Bemerkt hatte ich es aber erst, als ich mich für ein Nickerchen zu Recht legen wollte. Es klappte aber auch mit Bewegungseinschränkung, auch wenn ich mir den Rest der Fahrt anders vorgestellt hatte. Ursprünglich ginge ich vom Folgenden aus:
Einsteigen – Small Talk – Nickerchen – aufwachen – uns absetzen – aussteigen.
Die Realität sah aber folgendermaßen aus:
Eingestiegen – eingeschränkte Bewegungsfreiheit – Nickerchen – aufgeweckt worden – verfahren – Missverständnis – verfahren - verfahren – am richtigen Ort vorbeigefahren –Missverständnis – verfahren –umgedreht- angekommen- 230 RMB- ausgestiegen.
Welch ein Maleur! Zum Ende der Fahrt konnte ich mir sogar eine Handvoll Straßennamen merken. Das schaffte ich noch nicht einmal nach 4 Monaten in Peking.
Andererseits hatten wir auch Glück im Unglück: Das ständige Verfahren half uns die Zeit hinauszuzögern, die uns sowohl das Eintrittsgeld (freier Eintritt ab 16:00 Uhr) als auch den Touriauflauf ersparte. Ich bin mir sicher gewesen, wären wir einige Zeit früher angekommen, dann hätte ich mehr Köpfe als Wasser vor der Linse gehabt - Schnitzel und lästige Taxifahrt sei Dank aber nicht!

Einen Spaßverderber hatten wir dennoch im Boot sitzen– die stechend heiße Sonne. Das Wetter wurde unerträglich und die schmalen Gehwege und Gassen wurden zu stickigen Saunabuden. Die Gerüche verschiedenster Garküchen verschmolzen hier miteinander und wäre da nicht der Stinketofu, der dem unausweichlichen Gestank seine gewisse Note dazu verlieh, wäre das Ganze auch kein Problem gewesen. Auf der Suche nach einem Zufluchtsort, hatten wir uns dummerweise verlaufen und es hatte uns ein wenig Zeit gekostet wieder zurückzufinden.
Nach zwei Stunden hatte es uns dann aber auch gereicht. Zhujiajiao ist zwar ein interessantes Plätzchen, unterscheidet sich allerdings nicht groß von anderen touristischen Orten in China, wenn da nicht das Wasser und das venedische Flair wären.

Ich hatte meine Erkältung zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirklich auskuriert und es wurde auch Zeit wieder zurückzufahren. Der Samstag endete für mich ungewöhnlich früh, als ich auf der Wohnzimmercouch einschlief, während A. noch munter Fußball schaute. Es stand 4:1 für den FC Bayern München.

Samstag, den 30. April 2011 - Diana

Tanz in den Mai du Sau!
Wohin ist das Feeling das man mit 15 hatte wenn Tanz in den Mai war? Heute arbeite ich als Kassiererin auf einem Festival in Stuttgart. Ich wechsele den Leuten ihr Geld in Marken, lächle und wünsche ihnen viel Spaß beim feiern. Plötzlich ist es egal welcher Tag ist, Hauptsache du erlebst ne gute Zeit. Wie definierst du Zeit und wie definierst du gut?
Zeit heißt für mich in den Tag zu leben ohne Verpflichtungen und gut ist es wenn ich jede Menge zu lachen habe.

Ich könnt mir nix schöneres vorstellen als mit meinen Freundinnen auf dem Fahrrad zu sitzen und zu irgendeiner Anlaufstelle zu fahren um andere Bekannte zu treffen. Aber dabei ginge es mir nicht um die anderen, sondern um die Zeit mit meinen Mädels. Also um Zeit und was Gutes. Als ich im Oktober meine Heimat verlassen habe, wurde mir ein Satz mit auf den Weg gegeben den ich Monat für Monat wieder neu selektiere “Du merkst erst wenn du weg bist wer deine wahren Freunde sind.” Ich teil das nicht, weil ich nicht erst fortgehen muss um das zu erkennen. Wahre Freunde hast du ein Leben lang - das erkennst du mit der Zeit. Menschen die früh in dein Leben treten, dich die ganze Zeit begleiten und unterstützen, mit denen du streitest, weinst, rumzickst und lachst. Menschen die dich mal enttäuschen für einen Moment, aber die dir niemals einen Riss ins Herz schneiden oder dich hintergehen. Ich habe einige gute Freundinnen aus Kinder und Jugendtagen, Mädels deren Gesichter ich mir gern auf den Körper tätowieren würde, mit denen ich Jahr für Jahr an Geburtstagen zusammen sitze und darüber lache wie wir uns verändern. Dieses Jahr wird eine meiner liebsten 25 und ich frage mich ob ihre Wohnung mit Schachteln zugehangen wird mitten in der Innenstadt. Ich hab immer gesagt, dass ich vor meinem 25. Geburtstag nicht mehr in Nienburg wohnen werde und somit dem Kult entkomme – ha gepackt! Mit der anderen liebsten plane ich seit über 15 Jahren eine Mega Geburtstagsparty weil unsere Geburtstage so dicht beieinander liegen, aber wir haben es nie geschafft. Stattdessen teilen wir andere gute Momente und peilen realistischerweise den 3. Oder 4. März 2017 an!
Doch jetzt wird erstmal verkauft und stumpfen kleinen Kids mit neonfarbenden Sonnenbrillen ne fette Nacht gewünscht, ich bleib hier in meinem Häuschen sitzen und philosophiere über meine Zukunft – die definitiv spannend wird, weil ich das will. Heute bin ich Kassiererin, morgen bin ich die Königin der Tanzfläche, darauf die Woche gestalte ich Designs für Partys und wische Nachts die alten Holztische in meiner Lieblingsbar ab. Die Welt ist ein Stück Kuchen und ich möchte von jedem Stück etwas kosten.

Samstag, den 30. April 2011 - Maria


There is no greater agony than bearing an untold story inside you. 

Der Samstag beginnt erneut mit Kultur, D. und ich sehen uns das Haus Ferando Pessoas an, des größten portugiesichen Dichters. Leider ist es dermaßen überrenoviert, dass man von der ursprünglichen Gestaltung nicht mehr viel erahnen kann. Viele Informationen sind der Ausstellung leider auch nicht zu entnehmen, deswegen ziehen wir beleidigt weiter, um unsere Enttäuschung mit einem Stück des expilzit 'besten Schokoladenkuchens der Welt' zu kompensieren.
Das Ganze dehnt sich zu einer Zwangsregenpause mit unbestimmtem Ende aus, denn wenn es in Lisboa einmal regnet, dann regnet es. Wir blockieren also das 2 Tische 'große' Café einen ausgedehnten Nachmittag lang, reden einmal mehr über Gott und die Welt.

Daheim empfangen mich wieder meine Notizen, Aufgaben und endlosen To-Do-Lists.  
Okay, lieber erstmal kochen. Danach kann ich ja immer noch nichts abarbeiten. Die Liste starrt mich wie immer vorwurfsvoll an: "WAS, immer noch nicht?? Du musst dich so langsam mal um ne Wohnung in Berlin kümmern, du WEIßT doch, wie der Wohnungsmarkt da jetzt aussieht! " und: "Wie bitte, was zum Teufel hält dich davon ab, mal eben diese zwei emails zu tippen?!"
Doch alles bleibt beim alten Fluchtverhalten, ich finde mal wieder keine 'Zeit', die vorgeblich 'wichtigen' Dinge des Lebens zu erledigen. Zu schön ist es, das Erasmussyndrom voll auszuleben.

Für die Nacht steht auf dem Plan, alte Freunde wiederzusehen. Ich werde sie mit ihnen auf der Straße verbringen. Wir reden von großen Plänen, J. möchte seinen Job und Portugal endlich verlassen, nach Finnland gehen und dort ein Album aufnehmen. Einfach so. Außerdem gibt es Pläne, vorher per Anhalter nach Deutschland zu reisen. Ich habe große Lust, gemeinsam mit ihm diesem Trip Richtung Heimat zu unternehmen.. Mit dieser Vorstellung im Kopf nimmt auch der Schrecken vor der Rückkehr ein wenig ab, ich kann mir mittlerweile wieder ein paar gute Dinge ausmalen, auf die ich mich sogar freuen kann. Niemand wacht gern aus einem süßen Traum auf, doch der Realität ist manchmal auch gar nicht so übel.

Samstag, den 30. April 2011 - Jan-Hinnerk

Ich schlafe bis weit über Mittag. Es ist ungefähr 14 Uhr als ich das erste Mal auf die Uhr sehe. Noch reichlich umnachtet stehe ich auf und latsche ins Wohnzimmer, wo ich wie jeden "Morgen" zu allererst meinen Computer einschalte. Ganz so als wäre es mein Gehirn, dem ich nach der Nacht durch einen Knopfdruck den Saft einschalte. Heute klappt das nicht. So einfach lassen sich die Synapsen samstags nicht beeindrucken. Ich brauche einen echten Saft: Kühl und sauer.

Ich verdaddel noch eine gute Stunde in Bad und Internet, bevor ich beschließe, diesem Tag eine Wendung zu geben und ins Konsum-Wunderland der Stadt zu fahren. Der Wechselkurs zwischen Euro und Thailändischen Baht hat sich in letzter Zeit wieder etwas erholt. Ein Euro ist über 44 Baht wert. Das sind 10 Prozent mehr als zu Anfang meiner Zeit hier! Das heißt auch, gefühlt ist für mich jetzt alles 10 Prozent billiger. Die Gunst der Stunde will genutzt werden.
Ohne zu wissen, wonach ich eigentlich genau suche, lasse ich mich durch die einschlägigen Malls treiben und halte mich vor allem in Klamottenläden und Elektronikabteilungen auf. Einmal betrete ich auch einen Schuhladen. Den aufdringlichen Verkäufer werde ich sofort mit meiner Standardfrage los: "Haben sie den auch in Größe 46?" Das hat bislang immer geklappt. Die Menschen in Thailand sind durchschnittlich eben kleiner. Überhaupt scheint es eine gute Strategie zu sein, motivierte Verkäufer gleich mit einer Gegenfrage zu konfrontieren. Die Antwort lautet in 90 Prozent aller von mir erfassten Fälle "nein". Ich kann das empirisch belegen. Bei einem Verkaufstraining für Vertriebsmitarbeiter wurde mir mal beigebracht, dass man das Wort "nein" nur äußerst selten sagt. Und wenn doch, dann bettet man es in watteweiche Floskeln. Das scheinen die hier anders zu sehen. Neinsagen kann was.

Samstag, den 30. April 2011 - Marc

Dieser Tag ist schnell vergangen. Wir machen eine BBQ party. Etwa 12 Stunden lang mit netten Leuten in Tuscaloosa bei meinem Boss und Kumpel. Sein Haus ist nicht beschaedigt, Garten auch nicht. Keine besonderen Vorkommnisse abgesehen von 17 Mueckenstichen, die auf jeden Fall die naechsten acht Tage jucken werden. Oh, mir faellt doch noch ein, dass der Präsident der USA, Herr Obama, die zerstoerten Bereiche der umliegenden Staedte besucht und sofortige Hilfe zusichert. Vielen Dank dafuer, sehr freundlich. Ich melde mich freiwillig fuer die naechste Woche zum Aufraeumen. Ok, das war dann also Samstag, der vorletzte Tag meines einzigen Tagebuches ueberhaupt. Ich merke schon, wie mich ein sentimentales Gefuehl beschleicht...

Freitag, 20. Mai 2011

Gemeinsame Gegenwart - 29. April 2011


+++ Prinz William heiratet die bürgerliche Kate Middleton; Mutmaßliche Mitglieder von Al-Kaida in Nordrhein-Westfalen festgenommen; Libyen: Kämpfe um wichtige Hafenstädte überschreitet die Grenze nach Tunesien; Obama verspricht schnelle Hilfe für die Tornade-Opfer; Mittlerweile forderte das Unglück über 300 Opfer +++

Freitag, den 29. April 2011 - Silke

1900 Gäste zur kirchlichen Trauung, 650 Gäste zum Empfang, 300 Gäste zur wilden Party am Abend und 24 Millionen Zuschauer in der UK allein – sowie 3 Kommentatoren im ersten deutschen Fernsehen, die ab jetzt unwichtigen Leuten aus der Luft gegriffene Fragen stellen um die nächsten 8 Stunden Hochzeitsübertragung rum zu kriegen. An einem Tag wie heute danke ich den Göttern, vom Home Office aus zu arbeiten und warte darauf, dass Catherine (so heisst sie jetzt, ganz offiziell) und William meinen angeschlagenen Glauben an Romantik und Liebe wieder herstellen. Go!
Schon eine halbe Stunde nach Beginn der Übertragung lerne ich, dass Catherine gerne Blumen im Haar getragen hätte, die Queen aber auf das Diadem bestanden hat. Wenn das kein schlechtes Zeichen ist – nachher verlangt die Queen noch von Catherine, William jeden Tag seine Pantoffeln bereit zu stellen. Mädchen, du musst dich frühzeitig durchsetzen!
Also keine Blumen im Haar, schade. Dafür besteht der Brautstrauß nur aus britischen Blumen, das durfte die Catherine selber bestimmen. Wer das Kleid ausgesucht hat, wird nicht gesagt. Dafür aber schon, dass es ein Catherine Walker Design aus dem Hause Alexander McQueen ist. Ein Prinzessinnenkleid! Romantik, da bist du.
Die Kirche wird langsam voll und da sind sie auch schon – Prinz William und sein Best Man, Prinz Harry. Harry ist wesentlich nervöser als Wills, der macht das ganz souverän. Ich frage mich, warum? Vielleicht hat er ja heimlich seine On/Off Freundin Chelsea (?) geschwängert und hat jetzt Angst, dass sie ihm eine Riesenszene macht. Oder er hat einfach Angst, der nächste sein zu müssen.
Nach gefühlten 2 Stunden ist es dann endlich soweit – Catherine arrives! Tatsächlich, ein Prinzessinnenkleid. Sie betritt die Kirche, William steht schon vorne, darf sich aber lt. Protokoll nicht umdrehen. Harry schon – das tut er, sieht sie, sagt etwas zu Wills und lacht dreckig. Es geht los. Beide sagen „I do“ (Überraschung!), Elton John singt (mit). Riesenparade zum Buckingham Palace, jetzt kommt der heißeste Teil – rumknutschen auf dem Balkon.  Das Volk (und die Touristen) sowie die ARD Kommentatoren sind aufgrund von den bereits jetzt schon konsumierten Getränken in bester Partylaune, die Sonne scheint, alle feuern kräftig an.  Nach einer halben Stunde zeigt sich die Royal Family endlich auf dem Balkon, es geht los. Dieser Kuss ist für die Briten ungefähr so wie eine Live-Sex-Show in Amsterdam für Touristen.  Catherine und William lehnen sich zueinander, er presst seine Lippen auf die ihren, das Volk jubiliert. Sie entzieht sich seiner Leidenschaft nach wenigen Sekunden (blink and you’ll miss it). Kein gutes Omen – ob der ROR bei den beiden wohl stimmt?
Nachdem der offizielle Zirkus vorbei ist, setzen sich William und Catherine in ein Cabriolet und fahren in ihr neues Zuhause, er am Steuer, sie am winken. Ihr neues Zuhause – eine WG! Eine royale WG mit Charles, Camilla, Prinz Harry und seinen wechselnden Affären (der hat bestimmt welche, das wird nur nicht so publik gemacht).
Alles in allem eine schöne Veranstaltung, nicht ganz billig, aber bitte. Für irgendwas habe ich ja schließlich 6 Jahre lang Steuern gezahlt und dieses direkte Resultat der britischen Steuereinnahmen lässt mich wieder hoffen. Ich bin mir sicher, diese beiden, die lieben sich wirklich (auch wenn es durchaus schon leidenschaftlichere Küsse in Live Übertragung gab).


Marriage means commitment.  Of course, so does insanity.  ~Author Unknown

Freitag, den 29. April 2011 - Ole

Hallo Bimmelbahn – Nighttrain.

Semesterticket und Sonnenschein. In 1:47 Stunden von Nienburg nach Hamburg über Verden und Rotenburg. Eigentlich echt Entspannt. Nur in dem RE von VER nach ROW setzt sich eine junge Frau samt Sittich hinter mich. Der verstörte Vogel fährt anscheinend zum ersten Mal Zug. Ich kenne mich mit Vögeln nicht besonders gut aus, aber ich hab gehört, dass die meisten eine Decke drüber legen...
Endlich ein Wortwitz!
Der Sittich piept den ganzen Wagon voll und zu allem Überfluss sitzt auf der anderen Seite des Ganges ein echt tighter Wangster, der seiner tussigen Freundin ganz stolz von seinen diversen beinahe-Schlägereien des letzten Wochenendes berichtet. Manchmal möchte man am liebsten den Feuerlöscher unter dem Sitz hervorholen und zweckentfremden... Aber ich habe zum Glück die Sennheiser HD-25 II um den Hals hängen. Zack! Vogel weg, Macker(im Volksmund kastrierter männl. Esel) weg. Ich höre ein Set von David Moufang aka Move D. Großartig – Musik und Kopfhörer.
In Harburg wartet Joni schon am Bahnsteig. Ich freue mich echt ihn wiederzusehen. Wir fahren noch eine Haltestelle mit der U-Bahn. Er wohnt mit 6 anderen Studenten in einer alten, roten Villa direkt neben dem Campus. 100m Luftlinie in die erste Reihe des Hörsaals. Praktisch. Man muss keinen Thermos befüllen, man kann den Kaffeebecher direkt mit rüber nehmen. Er studiert Maschinenbau an der TU und kennt scheinbar jeden, der uns auf dem Campus entgegenkommt. Mit Dreien davon verabreden wir uns später zum Grillen. Um 17:00 Uhr verperlen wir das erste Astra Urtyp. Es folgen einige Weitere und eine Flache Chardonnay, worauf dann wieder weitere Biere folgen. Joni verbürgte sich zuvor bei mir für das Sprichwort „Wein auf Bier, das rat ich dir. Bier auf Wein, das rat ich dir.“
Wir fahren gegen 23:00 Uhr auf den Kiez. Ich hasse Menschenmassen! Voll anstrengend. Aber hier hat es wenigstens niemand eilig, wie im Hauptbahnhof Hannover. Wir trinken noch bei einem der ca. 1000 Junggesellenabschiede am heutigen Abend einen Becher Xuxu. Widerlich. Aber die Gruppe war sehr nett. Anschließend trennen wir uns von Joni's drei  Kommilitonen. Ich gehe mit Joni in eine urige Kneipe, trinke noch ein Bier zu den Beats von Andrea Berg und warte, dass das EGO gegenüber endlich öffnet.
Ach ja, heut war doch irgendsoeine Hochzeit!? Naja, wenns wichtig war wird Dittsche mir Sonntag davon berichten...
Das EGO öffnet endlich seine Tür. Der Club ist von außen nicht zu erkennen. Ein gutes Zeichen! Ich rauche noch die Zigarette auf, als uns der Türsteher fragt, was wir denn hier wollen? Als ich ihm erkläre, dass ich wegen Oskar Offermann und Moomin aus Hannover anreise bietet er sogar an drinnen weiter zu rauchen... Auch immerwieder ein sehr gutes Zeichen, wenn der Club das Publikum auf Gäste beschränken kann, die alle aus demselben Grund da sind. Der Club ist klein, dunkel und leer. Zwei Mädels gehen dennoch bereits zu knackig klappern und blubbernden Beats auf der Tanzfläche steil. Im eine Stufe erhöhten Loungebereich entdecke ich Oskar auf dem Sofa sitzend. Als ich ihn kurz darauf an der Theke treffe stelle ich mich vor und wir unterhalten uns über Vinyl, Musik, Berlin, Hannover, Frankfurt und Hamburg. In Heidelberg waren wir beide noch nicht :-D
Ich frage ihn, ob er seine neue Scheibe dabei hat. Die ist zur Zeit nämlich schon überall Out Of Stock und ich habe keine abbekommen. Er hat sie leider nicht dabei, aber am Nachmittag einen Karton voll im Smallville Recordstore vorbeigebracht. Bestens – da wollt ich morgen eh hin. Aber jetzt geht’s erstmal auf den mittlerweile vollen Däncefloor!!!
Um 6:00 Uhr sind wir schonwieder in Harburg. War ein langer Tag und außerdem wollt ich ja eigentlich Samstagabend erst richtig losziehen. Jake The Rapper im Ü & G.

Freitag, den 29. April 2011 - Verena

Ein schwarzer Tag für alle, die jahrelang gehofft hatten, Prince William zu heiraten. Und umso mehr, wenn plötzlich ein Meeting für 12 Uhr angesetzt wird. Wer macht denn so was? Zum Glück wurde es zufällig noch verschoben und wir konnten das Wichtigste der Hochzeit auf Leinwand (!) gucken. Dazu drei Sätze, die ich auf keinen Fall auf meiner eigenen Hochzeit hören möchte:

  • „Die Schwester sieht ja viel besser aus!“
  • „Ob der sich nicht für die Falsche entschieden hat?“
  • „Wieso trägt der denn keinen Ring?“
Danach das Meeting mit der Kollegin aus Brüssel. Ich erfuhr nichts Neues und fühlte mich um eine Stunde meiner Lebenszeit beraubt. Lange mit H telefoniert und über Kuba, Kolumbien und den Einfluss Venezuelas diskutiert. Dann noch alle Dolmetscher besorgt und mich gefreut. Bis ich feststellte, dass noch nicht alle Arbeitspapiere auf Spanisch da sind. Ich hab noch eine Woche Zeit. Egal, mach ich Montag. Wochenende!!

Noch einkaufen. Wenn ich mir mal vernünftigere Einkaufszettel schreiben würde, würde es schneller gehen und ich würde nicht ständig hin und her laufen müssen. Zu Hause Salat gemacht, den auch gegessen, ferngesehen. Für Laufen war es zu spät. Und eigentlich wollte ich noch J&C anrufen und London durchsprechen. Wir haben das Hotel noch nicht gebucht, aber immerhin wissen wir schon, welches. Ach, mach ich morgen. Aufschieben rules.

Morgen früh ist Vorlesung. Ätzend.

Freitag, den 29. April 2011 - Thomas

Das Beste an der Arbeit ist schon bald das Autofahren. Wir reservieren uns ein Firmenwagen und fahren wieder zu der Schule. Erfahrungsgemäß kann man sagen, das Projekt wird eine langatmige Geschichte werden. Im Radio geht es ausnahmslos um die Hochzeit von William und Kate.

„William Arthur Philip Louis, willst Du diese Frau als Deine Dir angetraute Ehefrau nehmen?“
„I will“
„Catherine Elizabeth, willst Du diesen Mann als Deinen Dir angetrauten Ehemann nehmen?“
„I Kate“

Bei Facebook habe ich Statusmeldungen gelesen, in denen Frauen ankündigen sich einen Fernseher auf die Arbeit zu stellen oder sich gar den gesamten Tag frei zu nehmen. Eine Hochzeit als Massenphänomen. Ich muss unweigerlich an Gülcan Kamps denken. Wie kaputt bin ich eigentlich? Ok, da heiraten zwei, etwas durchweg Positives, sollte man meinen. Meine persönliche Anteilnahme bleibt trotzdem eher verhalten. Der Hype und die Melange aus Walt Disney Fantasien und Gala Gesinnung, die das Ganze prägt und überreizt, sprechen mich nicht an. Pompös ist das genaue Gegenteil von meiner Vorstellung einer Trauung. Prunk ist eine sehr kitschige Variante von Romantik, oder anders gesagt, es ist die einfachste. Viel Inszenierung bedeutet viel Liebe; viel Bescheidenheit bedeutet viel Charakter. Stimmt ja beides nicht, aber letzteres ist die geschmackvollere Lüge.

Ich arbeite bis 16 Uhr. Auf dem Nachhauseweg kaufe ich Cola, Zigaretten, Chips und leihe mir einen Film aus. Megamind, soll gut sein. Ich bin mit D. ins Modernes verabredet und schon fast traditionell wird der Abend aufgrund geographischer Bequemlichkeit bei mir eingeläutet. Auf dem Weg zur Videothek treffe ich S. Sie weiß noch nicht ob sie dabei ist, mal sehen, vielleicht, wenn sie kommt, dann kommt sie. Ok, damit kann ich arbeiten. Zum Training fahre ich heute nicht. Das würde bedeuten zurück auf das Dorf, wieder Zug fahren und die Nacht auf dem harten Bett oder Gästesofa verbringen, nur damit am Samstag ebenfalls nichts los ist. Zudem bin ich ja verabredet.

18 Uhr. Linus ruft an. Er sitzt im Nova Zena und hält Plätze für das Werder Spiel heute Abend frei. Die Zeit dazwischen langweilt er sich. Ich leiste ihm auf ein Pils Gesellschaft. Wir unterhalten uns über Fußball, bis genug seiner Leute aufgeschlagen sind, um die begehrten Plätze einzunehmen. Linus kommt später ebenfalls ins Modernes. Das verspricht ja einiges.

21 Uhr. D. und S. sind da. Der Film ist wirklich empfehlenswert. Zwischendurch ruft Timo an, ich verabrede mich mit ihm für morgen in der Innenstadt. Wir schauen Megamind ein zweites Mal, nur dieses Mal auf Englisch. Allein weil Will Farrell die Hauptrolle spricht. Vergnügt geht es weiter. Wir holen Linus und Paul vom Nova Zena ab. 90er Party, Rhythm ist a Dancer usw., aber eben auch The Prodigy und Konsorten. [hier fehlenden Abend einfügen]
Recht spät verlieren wir geschlossen das Interesse an den 90ern und gehen zu mir um die Reste zu verwerten und um zu Kniffeln. Kniffeln ist das Kiffen der coolen Jungs. Bis 6 Uhr morgens geht das so, nebenbei läuft Akira im DVD Player. Für mich das hundertste, für die anderen das erste Mal. Ich glaube, ich habe den Großteil des Einsatzes gewonnen.

Freitag, den 29. April 2011 - Tanja


Ausgerechnet in der Nacht vom Donnerstag auf den Freitag hatte ich fleißig Bazillen gezüchtet. “Friday I’m in love“ von The Cure sollte nicht die heutige Parole des Tages werden. Der Arbeitstag war unerträglich! Die Nase lief, die Augen brannten und ich fühlte mich wie ausgespuckt. Das pausenlose Starren auf den Bildschirm verschlimmerte meinen Zustand zugleich. Jeder, der schon einmal auf die dumme Idee gekommen ist, trotz Krankheit zur Arbeit zu gehen, weiß wovon ich spreche. Ans nach Hause gehen, dachte ich allerdings nicht. Erstens sehe ich mich als Kämpferin und zweitens wollte ich nicht einen meiner zustehenden Urlaubstage verlieren. Außerdem war es ein Freitag und ich konnte mich am Wochenende auskurieren- so sei der Plan.
Das Gerücht, dass Chinesen angeblich kein Zewa beim Putzen der Nase benutzen, ist tatsächlich wahr. Zewa gibt es hier nicht, stattdessen aber Taschentücher ähnlicher Marken, die denselben Zweck erfüllen. Die Zeiten, in denen der Schnodder die Nase hochgezogen wird, sind passé. Der moderne Chinese von heute schnupft in Taschentücher.

Die Geschehnisse in Libyen waren auch Thema in China. Anders als bei den Ausschreitungen in Ägypten, konnte man die Vorfälle in Libyen in allen öffentlichen Medien kontinuierlich nachverfolgen. Was aber vor und an dem 11. Februar 2011 in Ägypten vorgefallen ist, darüber waren nur wenige Chinesen mit Zugang zu ausländischen Medien informiert. In den Zeitungen konnte man nichts darüber lesen. Die Regierung hatte hier anscheinend zwischen Freiheitskämpfern und aufständischen Rebellen unterschieden und man sortierte dementsprechend all’ die Nachrichten aus, die einen schlechten Einfluss auf das Volk und Land haben könnten. Einen Aufstand hätte es angeblich auch in Shanghai und Peking gegeben. Die chinesische Regierung hatte aber jegliche Proteste innerhalb von wenigen Minuten aufhalten können und gemerkt hatte es somit niemand. Was Libyen anbelangt, so hatte die chinesische Presse den Eingriff der Nato stark kritisiert.

Nach 8 Stunden permanent laufender Nase und 8 x 10 aufgebrauchten Packungen Taschentücher, konnte ich mich endlich auf dem Weg nach Hause machen. Für größere Akrobatik am Abend war ich nicht zu haben. Nur gut, dass es M. ebenso erging und wir verabredeten uns auf einen Kaffeeklatsch in der Captain’s Bar.
M. ist ein guter Freund von mir. Er studiert mit mir zusammen in Bremen und seit neuestem verkauft er auch Spezialfolie an wichtige Kunden in ganz Shanghai. Sein treuester Freund und Wegbegleiter? Sein Koffer. Und auch sonst ist er ganz dufte – ob mit oder ohne Alufolie im Schlepptau.
M. bestellte einen Salat und ich 0.5 Liter Draft Beer. Bedient wurden von Sailor Moon höchstpersönlich. Den Mondstein haben wir nicht fliegen sehen, aber dafür wissen wir jetzt, was Sailor Moon unten drunter trägt. Zwar ist die Captain’s Bar nicht mit einer Bar Rouge gleichzusetzen, dennoch gehört sie zu den Bars mit einem der besten Ausblicke auf den Pudong.
Die Unterhaltung mit M. ließ meine Erkältung in Vergessenheit geraten. Selbst die Strumpfhose, die ich mir in einem unvorsichtigen Moment beim Sichern der Pole Position auf das Panorama an der Tischkante zeriss, ließ mich zunehmend kalt.
Sailor Moon hatte für einen glorreichen Abend gesorgt, auch wenn der Tag zunächst unglücklich gestartet ist.