Dienstag, 22. Dezember 2009

Marilyn Hausmann

"Meine Wohnung lebt, bebt, klebt, denn ich hab seit Dekaden nicht gefegt,
Gewischt, und alles, was dazu gehört
Hätt´ ich doch auf Mutti gehört:
Ach mein Sohn, wie oft hab ich dir schon gesagt,
Mach deinen eigenen Kack wech
Heute fängt sie schon zu kotzen an, sieht sie nur mein Backblech" Fischmob
Neben Fensterputzen, meine Fenster gehen wenigstens noch nach innen auf, weshalb ich sie trotzdem nicht putzen werde, ist Wischen das lästigste, was dir deine Wohnung abverlangen kann. Ich habe Laminat. Damit wird oft in den Wohnungsanzeigen geworben, obwohl es kaum Gründe dafür gibt. Laminat sieht nur aus wie Holz, ist aber Plastik, ein fußkalter Staubmagnet, der selten richtig verlegt wird und obendrauf angeblich sehr empfindlich ist.

Bei der Unterschrift des Mietvertrages ermahnte mich die Maklerin, den gerade neu verlegten Boden nur Nebelfeucht zu wischen. Laminat sei ja so empfindlich. Vor dem Einzug kaufte ich mir, billig billig, einen Wischmop, ohne irgendwelchen modernen Schnick Schnack. Im Grunde ein Kunststoffstiel mit Lappen unten dran. Die Vormieterin hat mir die Bude, und damit auch den Boden, blitzblank übergeben. Die ersten Monate gab es also keinen Grund für mich den Boden zu wischen. Eine Freundin teilte diese Meinung, meinte dennoch mir erklären zu müssen, wie man den Umgang mit dem Mop möglichst Nervenschonend über die Bühne bekommt. Sie empfahl beim Wischen immer ein Tuch bei sich zuführen, falls man zuviel Wasser auf den Boden geklatscht hat. Es besteht die Gefahr, dass der Boden sonst stumpf und oder wellig wird. Laminat ist ja so empfindlich. Ich sah schon die hinterlegte Kaution davon treiben. Meine Nervosität muss auf sie übergesprungen sein. Sie selbst stand kurz vor einem Umzug und wollte plötzlich los, ihren Laminatboden begutachten.

Mehr aus Neugierde als aus einer Notwendigkeit heraus, beschloss ich im Sommer dieses Jahres den Boden zu wischen. Bei geöffneten Fenstern ist die Bude wieder ratzfatz trocken, so meine Idee dahinter. Fläche Freiräumen, Fegen, Eimer, spezielles Reinigungsmittel, Warmwasser, Wischmop, Tuch, allein der Aufwand ließ die Erwartungen steigen. Im Grunde habe ich den Dreck vor mir her geschoben, bis an die Türschwelle ran.

Ein halbes Jahr später, also im Winter, genauer dieses Wochenende, wurde ich gezwungen den Boden ein zweites Mal zu wischen. Bisher haben die Socken den gröbsten Dreck aufgenommen, aber gegen den Schneematsch unter den Schuhen und das Gekleckse beim Kochen und Essen kamen die dünnen Businesssocken nicht mehr an.

Die Werbung würde diese Flecken als hartnäckig bezeichnen. Mal eben drüber gleiten war nicht, stattdessen war Schrubben angesagt. Der billige Teleskopstab des Mops hielt dem Druck nicht stand und brach in zwei Hälften, also musste ich in gebückter Haushälterinhaltung weitermachen. Auf Nebelfeucht war danach geschissen. Viel hilft viel. Auch auf taktisches Vorgehen, um Fußabdrücke auf der frisch gewischten Fläche zu vermeiden, verzichtete ich wohlwollend.
Hauptsache es bremst nichts mehr beim Moonwalk üben. Der Flur bleibt wie er ist, mit mehr Fußabdrücken versehen als der Walk of Fame. Solange draußen Schnee liegt ist das die reinste Sisyphusarbeit.
Die Auszeichnung zum Hausmann des Jahres hat mir meine Waschmaschine verliehen, in Form einer einzelnen Socke. Sowas passiert wirklich.

Donnerstag, 17. Dezember 2009

Avatar - Aufbruch nach Pandora

„Mein Blatt hat 3D Format, mein Stift ist Zauberstab“ Dendemann

Wenn mich mal meine Kinder fragen: „Wie war das denn damals für Sie, als der 3D Film in die hiesigen Lichtspielhäuser Einzug hielt?“, dann kann ich antworten: „yoah, schlecht nicht, schlecht nicht.“

Ich war gestern in dem ersten ernstzunehmenden 3D Film mit realen Schauspielern. Avatar - Aufbruch nach Pandora. Der Film ist ein edel verpacktes Der mit dem Wolf tanzt oder Pocahontas, wie ich gestern lernen durfte. Ein fremder Planet soll von seinen Rohstoffen befreit werden. Doof nur, dass die drei Meter großen, blauen Ureinwohner breitärschig auf den größten Rohstoffvorkommnissen des Planeten hocken. Die Aliens sehen aus, als ob Snoop Dogg der Blue Man Group beigetreten wäre. Um die Ureinwohner zu infiltrieren wird das Bewusstsein eines Menschen in gezüchtete Alienklone transferiert. Wie in Second Life. Bisher waren Wissenschaftler die Auserwählten für die Außenmissionen auf dem Planten mit der für Menschen giftigen Atmosphäre. Bis einer der Nachwuchswissenschaftler stirbt, weshalb dessen Zwillingsbruder den auf die DNA abgestimmten Avatar lenken darf. Ein verkrüppelter Exmarine. Er schafft es in den inneren Kreis der Ureinwohner aufgenommen zu werden und interpretiert die ganze Situation mit der Kolonisierung plötzlich anders. Überraschend kämpft er mit seinen neuen Brüdern und Schwestern gegen die Armee der Eindringlinge, die aus hirnlosen Söldnern besteht. Alles sehr vorhersehbar.
Erst die anfängliche Skepsis, dann die Verbrüderung mit dem Clan, dann der Verstoß aus Selbigen, erneutes Vertrauen gewinnen, Gemetzel, Happy End.

Aber wegen dem Storyboard war ich nicht im Kino. Nachdem sich die Augen an die neue Sichtweise gewöhnt haben, fallen die Effekte gar nicht mehr so sehr auf. Anfangs sieht man richtig wie Szenen nur gedreht wurden, weil man da so schön einen 3D Effekt einbauen konnte. Zehn Minuten hält das an, danach achtet man nicht mehr darauf und lässt es einfach auf sich wirken. Umso kleiner die Details, desto besser kommt die dritte Dimension rüber. Es ist nicht so, wie sich das viele vorstellen. Wenn ein Ball ins Bild geworfen wird, dann möchte man den nicht auffangen und man hält sich auch nicht schützend die Arme vor das Gesicht wenn ein Auto durch das Kino rollt. Wie gesagt, am besten kommen die kleinen Details, wie fliegender Dreck oder langsame Kamerafahrten. Es bringt den Film nicht voran, es stört aber auch nicht.

Letztendlich braucht 3D kein Mensch. Vermutlich ist das der Reiz dahinter, es ist so schön unnütze. In Filmen, die mehr auf das Drehbuch setzen, wird 3D nicht so gut ankommen. Die Gefahr ist natürlich groß, dass um die Effekte herum geschrieben wird. Ich lasse mich aber auch gerne vom Gegenteil überzeugen. Ins Actionkino gehe ich eh selten und Rambo funktionierte bisher auch prima in 2D.

Gedanke: Woody Allen könnte noch mal einen 3D Film drehen. Nicht weil er die neue Technik gut in seine Filme integrieren könnte, sondern weil alle im Kino Woody Allen Brillen auf hätten. Wäre ein tolles Bild. Das muss ihm doch die Tränen in die Augen schießen lassen.

Die Brille kauft man übrigens mit, bei jedem Besuch wieder. Vielleicht ändert sich das, wenn sich das Konzept durchgesetzt und jeder zweite so eine Brille zu Hause rum liegen hat.

Insidergag: Geht Gringo ins 3D Kino…

Montag, 14. Dezember 2009

Meister der blauen Pausen

„Wenn nichts passiert, dann bin ich meistens glücklich
Und dennoch muss ich immer etwas tun“ Sven Regener

Wenn man von dem was man sich vornimmt 50 Prozent in die Tat umsetzt, halte ich das schon für einen guten Schnitt. Kommt natürlich darauf an wie viel man sich vornimmt und wie umfangreich die Unternehmungen sind. Im Grunde ziemlich armselig, könnten es doch 100 Prozent sein. Ich meine, wo liegt das Problem?

Ich achte darauf, dass aus mir keiner wird, der Versprechen macht und im Voraus schon weiß, dass dies mehr eine Geste war, als wirkliches Interesse.
Wenn jemand sich etwas vornimmt, das nur ihn selbst betrifft, wie zum Beispiel in naher Zukunft reich, clean oder dünn zu werden, dann urteile ich da nicht drüber. Soll er. Man muss im Leben nicht immer auf Sieg setzen. Das darf gerne daneben gehen, wie gesagt, 50 Prozent halte ich für eine gute Quote.

Aber wenn man andere an seine genialen Vorhaben beteiligt oder selbst in die Pläne anderer mit einbezogen wird, Besuche, Ausflüge, Investitionen usw., dann liegt mir sehr viel daran, dass ich in Zukunft die betroffene Person, wenn sie wieder von einem Vorhaben berichtet, nicht belächle, sondern sagen kann: genau so wird es gemacht.
Zustimmen tue ich solchen Planungen nämlich fast immer. Warum nicht, denke ich mir. Irgendetwas muss man ja immer tun. Ich bin dabei. Hört sich doch gut an. Ja, natürlich sehen wir uns bald wieder. Na klar kannst du mich jederzeit besuchen kommen, aber ruf vorher an, ich könnte unter der Dusche stehen. Wohl wissend, dass meine voreiligen Zusicherungen, begleitet von einem Schmunzeln, immer noch mehr Wert sind als die leeren Gesten der anderen. Ideal wäre es natürlich wenn man es wie Hannibal Smith machen könnte und mindestens einmal pro Folge sagen dürfe: Ich liebe es wenn ein Plan funktioniert.
Leider läuft es heute noch oft wie in der Kindheit ab. Irgendetwas wird, mit dem Zusatz wenn du älter bist, versprochen, in der Hoffnung, dass dann Friede herrscht. Das Kind würde sich vielleicht, im Gegensatz zu mir, sogar trauen die richtige Antwort zu geben: Ein Scheiß wird passieren.
Aber es sind ja die Gesten und das Zwischenmenschliche was zählt. Nur kann ich nichts mit solchen Gesten anfangen. Das Einbeziehen deiner Person ist mit Sicherheit gut gemeint, was es aber gleichzeitig zu dem genauen Gegenteil von gut macht.

Menschen, die sich diesem Problem bewusst sind, erkennt man daran, dass sie gar keine festen Zusagen mehr machen. Man könnte sie ja an ihren Aussagen festnageln. Sich alle Optionen offen zuhalten, die Angst jemanden zu enttäuschen und seine Entscheidungen an anderen festzumachen sind jedenfalls keine Lösungen. Auch seine eigenen Worte mit einem „eigentlich“ und dem dazugehörigen Konjunktiv zu endkräftigen, finde ich genauso sinnfrei. Sätze in denen das Wort „eigentlich“ vorkommt, sind eigentlich gar keine Sätze, sogenannte Nullsätze. Jedem sollte sein Wort doch etwas wert sein, nur scheint es mir, dass viele das Vertrauen in sich und andere bereits verloren haben.
Oder auch nicht, mal sehen, sage ich dann…

Um dagegenzuwirken mache ich hier und jetzt aus meinem spekulativen „Natürlich wird das gemacht“ ein handfestes „genauso wird es gemacht“. Soweit ich mich entsinnen kann, habe ich dieses Jahr jedes Mal meinen Worten Taten folgen lassen. 100 Prozent Quote. Ich liebe es wenn ein Plan funktioniert.

Klar kannst du nächstes Wochenende hier pennen, Christoph
Ab Februar sind wir Nachbarn, Linus
Ich würde sehr gerne mit dir nach Russland fliegen, Julia
Im Mai wird gewandert, Martin
Ich spiele am kommenden Beach Soccer Turnier für den TUS
Und ich fliege mit euch nach Mallorca
Amsterdam steht, Martin

Freitag, 11. Dezember 2009

Partylift

„Gebt mir ein YEAH wenn ihr wisst was ich meine“ Dendemann

Es gibt gewisse Dinge, die steigern das Wohlbefinden von null auf hundert innerhalb einer Sekunde. Möpse. Auch. Aber worauf ich hinaus möchte sind Dinge, die man gezielter abrufen kann als Sonnenschein oder eben Möpse. Es geht um die Zeit vor dem ausgehen, vor dem rausgehen, vor der Party. Wenn das Befinden noch nicht für Wochenendeinsteigermusik wie Dusty Springfield oder A Tribe called Quest bereit ist, dann liegt es nahe, gemeinsam Filme oder Serien auf DVD zu schauen, anstatt ins Wochenende zu schwofen.

Bei mir ist es zum Beispiel die Serie Scrubs. Wenn man die schaut, bevor man irgendwo hinfährt, dann kommt man dort in der Regel total albern drauf und gutgelaunt an. Denselben Effekt haben Monty Python oder Family Guy.

Möchte man sich in eine coole, elitäre, leicht arrogant anmutende Haltung versetzen, sollte man den absoluten Geheimtipp Stuckrad bei den Schweizern anschauen. Schlag- und ausgehfertig nach neun Folgen genialem Einbahnstraßendialog von dem ehemaligen Autor der Harald Schmidt Show Benjamin von Stuckrad Barre.

Vergesst das Gefühl, das ihr habt wenn ihr auf eine Party geht, gerade von einem Konzert kommend, und auf die Frage warum ihr denn jetzt erst aufschlagt, mit: ich war eben noch auf einem Konzert, antworten dürft. Das ist nichts wert, wenn ihr vor der Party einen Helge Schneider Film mit Audio Kommentar vom Meister Himself geschaut habt. Außer bei Praxis Doktor Hasenbein, ihr werdet merken wieso. Etwas Bodenständigeres habe ich selten gehört und gesehen. Viel besser kann man Musik, Schauspiel und Charakter nicht verbinden. Man hat das Gefühl, die ganzen Erkenntnisse könnten abfärben, wenn man es nur oft genug schaut. Helge redet dich in eine beschwingliche Scheißegalhaltung hinein, ich möchte es gar Zufriedenheit nennen.

Wird das Milieu sozial auffälliger, empfehle ich den Film Menace II Society. In den 97 Minuten wird öfters das N-Wort benutzt als auf jeder ONYX Platte. Dazu werden Knarren schräg gehalten, Fastfood gefressen, Joints geraucht und ausschweifende Partys gefeiert mit dem dazu passenden Soundtrack. Der Film Kids haut in dieselbe Kerbe. So langsam sollte ich aus dem Alter raus sein mir solche vorpubertären Gangsterfilme anzuschauen, aber normalpubertäre Gangsterfilme wie Scarface sind so lähmend, die funktionieren nicht vor Partys in Nbg an der W.

Es ist unausweichlich, dass es in Verbindung mit Alkohol irgendwann losgeht sich gegenseitig mit lustigen Youtube Videos zu übertrumpfen. Noch in dieser Phase sollte man aufbrechen. Dieses Otto Waalkes typische „Einen hab` ich noch…“ hört nicht auf und man verpasst den Anschluss an Bus, Bahn oder Gesellschaft.

Was ich persönlich für eine sehr gute Idee halte, ist es klassische Musikvideos von DVD oder wer hat, von Festplatte eines DVD Recorders abspielen zu lassen. So hat man Musik und einen Blickfang. Den Rest kann man auf Konversation setzen. Das funktioniert noch besser, wenn man zuvor ein paar Stunden dieser „die lustigsten Homevideos“ Sendung aufgenommen und den dicken Kommentator rausgeschnitten hat. Beißende Hunde, fallende Skater, plumpsende Kinder, dumme Menschen allgemein garantieren in Bierlaune den einen oder anderen Lacher. Das läuft tonlos neben der smoothen Musik und wenn man mal nichts zu reden hat, schaut man da halt hin. Jackass oder ähnliche Formate werden sogar noch untertitelt und eignen sich perfekt für unter der Musik. Wo ich vorhin den Film Kids erwähnte, dort läuft im Hintergrund ein Skater Video. Sehr cool, aber da muss man schon eine gewisse Grundstimmung mitbringen und wie wir alle wissen, macht man sich durch nichts schneller unbeliebt, als tanzend einen Raum zu betreten.


Und das trinken dabei nicht vergessen.

Donnerstag, 10. Dezember 2009

Jahresrückblick 2009

"This is it, I can say
I’m the light of your world , run away
we can feel, this is real
Every time I’m in love that I feel" Michael Jackson

Was ihr hier lest ist die dritte Version des Textes. Erst wollte ich aufzählen was war gut, was war nicht so gut dieses Jahr, während ich das so aufschrieb dachte ich: ein Glück musst du das nicht lesen. Ist das Langweilig.
Beim zweiten Anlauf wollte ich es mir einfacher machen und stumpf eine Linkliste erstellen, die für sich sprechend, das Jahr rekapitulieren sollte. Nicht so schlecht die Idee, aber gewisse Dinge müssen abschließend gesagt werden, die ich so nirgends im World Wide Web fand.

Jetzt also doch einwenig plaudern.

Finanzkrise einander mal

2009 ist im Nachhinein betrachtet, und darum geht es ja bei einer Retrospektive, ein ziemlich ereignisreiches Jahr gewesen. Irgendwo las ich auch von 2009, dem Krisenjahr. Im Managermagazin womöglich. 2008 fing die Scheiße mit den Lehmann Brothers an. Letztes Jahr war ich ein frischgebackener, also arbeitsloser, Bauingenieur, der, falls er die Gelegenheit gehabt hätte eine Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen, eine ganze Versicherungsgesellschaft mit seinen Beiträgen durch die Krise hätte schleppen können. In der Zeit habe ich mich unter der Finanzkrise schön weggeduckt und Tabletten gegen meinen gereizten Spinalnerv gefressen, als wären es Nimm 2.
Im Dezember 2008 unterschrieb ich einen Arbeitsvertrag, der mir die Möglichkeit eröffnete nach Bremen zu ziehen. Die ersten Wochen wohnte ich noch bei einer Freundin, bis ich im Februar meine eigene Wohnung bezog.
Die eigene Wohnung. So mächtig wie das klingt ist es nicht. Ich finde es wichtig, dass man das mal sagt, sonst denken andere sie müssten um so etwas ein riesiges Geschiss machen. Abitur, erstes Auto, erster Arbeitsvertrag, erste Wohnung, 30, Kind, Hochzeit, Scheidung. Darauf darf man anstoßen, aber bitte erzählt mir nicht, wie heftig das alles ist.

Das alte, leidige Thema

Wenn Ärzte sich Röntgenbilder anschauen, sollten sie nicht fluchen. Allgemein sollten Ärzte nie fluchen. Mein neuer Neurochirurg verschrieb mir innerhalb von zwei Minuten eine Physiotherapie. Ich bekam letztes Jahr bereits Physiotherapien und ging dazu noch ins Fitnessstudio, ein speziell auf Bandscheibenprobleme abgestimmtes Programm. Besser wurde es nur für kurze Zeit. Was bei der Tortour letztendlich herauskam waren erneut Rückenschmerzen. Nun hat man in Bremen eine größere Auswahl an Ärzten und Kompetenzen. Der erneute Anlauf einer Physiotherapie verzeichnete früh Erfolge. Vor allem, weil mir endlich vieles richtig erklärt wurde. Die Psyche mischt sich ja in jede Krankheit ein und wenn es ein gebrochenes Bein ist. Seit ungefähr dem vierten Quartal kann ich gänzlich auf Tabletten verzichten. Selbst das Härteprogramm, Ostkurve im kalten Weserstadion, läuft problemlos ab. Die versprochene Besserung ist eingetreten. Leider wurde mir auch versprochen, dass ich eine vollkommene Heilung, mit der dazugehörigen Beweglichkeit, bei meinem Schreibtischjob ausschließen könne.
Die Schlacht ging aber erstmal an mich. Ich darf wieder Fußball spielen und habe im November mein erstes Spiel gemacht. Konditionell ungefähr auf demselben Niveau, auf dem sich Paul Gascoigne heute befinden dürfte, aber dafür sind die zwanzig Minuten, die mir vergönnt wurden, schmerzfrei abgelaufen. Ich konnte sogar einwenig brillieren.

Extrablatt, Extrablatt, alle Tot
Was wurde in diesem Jahr viel gestorben? Wenn ich die ganzen Einträge lese und die schlecht zusammengestellten Videos betrachte, mit dieser scheiß Musik unterlegt, dann hoffe ich, dass diese Social Network Blase bereits geplatzt ist, wenn ich abtreten muss.
Zeitweise fühlte ich mich richtig bedroht von Leuten, die mir ihre Links und Gruppeneinladungen schickten. Mir kam es vor wie am 11. September, als mir von überall her gesagt wurde, was ich zu empfinden habe.
Jeder soll auf seine Weise trauern, aber ich weigere mich zuglauben, dass es irgendwem hilft mit seiner Trauer besser fertig zu werden, indem er sie über das Internet verbreitet. 99 Prozent dieser „Trauernden 2.0“ geht es bei ihrer Anteilnahme nur um den Gutmensch Charakter, den man billig absahnen kann. Trauer, Pietät und Mitgefühl funktionieren im Stillen viel besser.
Einige machen sich noch nicht einmal die Mühe Rest in Peace auszuschreiben.
Und warum auf Englisch, warum nicht auf Chinesisch? Hat man sich das etwa irgendwo abgeschaut? Genau wie das Verhalten in solchen Situationen einfach kopiert wird? Nach dem Motto: Mein gewissen ist rein, ich habe ein Kreuz an den virtuellen Straßenrand gestellt?
Eine StudiVz Gruppe zum Gedenken an einen verstorbenen Menschen zu gründen, macht aus dir noch lange keinen besseren Menschen.

Allgemein wurde sich dieses Jahr wie bescheuert auf Gutmensch Themen gestürzt: Trauer, Mitleid, Toleranz, Ein Herz für Blogs, daran sieht man mal wie verunsichert alle sind.

Der King of Pop lebt im Kühlregal

Die mediale Inszenierung von verstorbenen Personen des öffentlichen Lebens ist zum einen Berichterstattung und zum anderen ein Fluch für die Verbliebenen. Wenn es hieß Michael Jackson wurde in einem Studio gesehen, dann interessierte mich das genauso wie dessen Todesursache. Nämlich sehr. Was da dieses Jahr in den Medien passierte, war nur die logische Konsequenz eines arrangierten Lebens und die ganzen R.I.P. - Schreiber kaufen konsequenterweise die CD Regale leer.
Ich wurde tatsächlich von jemand gefragt, ob bei 6 GB Michael Jackson Material alles dabei sei…
Wen Michael Jackson nicht als Kinderstar oder Frontmann der Jacksons oder als Solokünstler erreicht hat, den hat er spätestens mit seinem Tod erreicht. Wie viele das letztendlich wirklich waren, soll jeder für sich einschätzen.
Ich bin mal gespannt, wann die Werbung Michael Jackson ausschlachtet, wie bei Elvis mit dem Curry King...

Courage und Suizid

Dominik Brunner wird vor lauter Zivilcourage von ein paar Jugendlichen erstochen und Robert Enke hat Depressionen und schmeißt sich vor einen Zug. Natürlich besteht besonders im zweiten Fall ein öffentliches Interesse. Nur wie mit der Trauer umgegangen wurde, war für viele wieder die falsche Art. Der Trubel war pietätlos und wer das behauptete war selber pietätlos und kann sich mal bitte jemand Gedanken um den Lokführer machen usw.
Hätten die mal alle die Schnauze gehalten. Klar haben die Medienmacher am Modell Michael Jackson gesehen, wie sich mit der Verunsicherung der Menschen und deren daraus entstehender Auseinandersetzung mit dem Reizthemen Tod und Anteilnahme, Kasse machen lässt. Wäre Michael Jackson noch am Leben, dann hätte es keine Kerner Sondersendung über den Tod von Robert Enke gegeben. Sage ich.
Wie wenig wirklich nachgedacht wird, sah man an dem Länderspiel Deuschland : Elfenbeinküste. Vor dem Spiel fanden eine Schweigeminute und sonstige Huldigen für den verstorbenen Nationaltorhüter statt. Es wurde nochmals an die schwere Last erinnert, die Robert Enke mit sich herum trug. Alles verständnis- und rücksichtsvolle Menschen im Stadion, denkt man. Als dann in der circa 70. Minute Mario Gomez eingewechselt wurde, wurde dieser von demselben Publikum, noch vor dessen ersten Ballkontakt, ausgepfiffen. Idiotie, wie sie die Simpsons-Macher nicht besser hätten inszenieren können.
Außerdem wette ich, dass Leser mich darauf ansprechen werden, dass ich ja selber Stellung nehmen würde und dass man so was nicht schreiben dürfe. Dazu kann ich nur sagen: lasst mich, ich habe Depressionen.

Apropos, das Thema Depression ist zurzeit total hip. Wenn jetzt eine weitere Staffel von Germanys next Topmodel laufen würde, dann gäbe es keine Diskussion über mangelnde Bildung oder Magersucht, sondern die dummen Bohnenstangen wären alle Depressiv. Mit Sicherheit.

Musik, Buch, Film – Glück ist positiver Cashflow
Musik, Buch und Film bleiben in Kombination ein guter Parameter um das Jahr einzuschätzen.

Ich bin oft ins Kino gegangen. Die kindliche Vorfreude musste ich mir nie erhalten, für mich wird der Kinobesuch immer ein Ereignis, auf das es sich zufreuen lohnt, bleiben. Egal wie der Film letztendlich war. Ähnlich wie beim Stadionbesuch, für Licht- wie Fußballspiel gilt: beides kann ereignislos ablaufen.
Ganz in meiner Nähe wohnt eine Videothek, mit einer bisher ungekannten Vielfalt. Man kann nachfragen, bekommt Empfehlungen und sogenannte Geheimtipps. Da kann das Internet nicht mithalten. Der Preis ist ungeschlagen, billiger als jede Abmahnung, weshalb ich auch dutzende Filme in diesem Jahr gesehen habe. Der beste von Ihnen war Inglorious Bastards.

Das Knalleralbum dieses Jahres kam bereits 2008 heraus. The way I see it von Raphael Saadiq. Ansonsten wurden 2009 viele gute Alben veröffentlicht. Jay Z, Reakwon, Jan Delay, Depeche Mode, U2, Air, Jochen Distelmeyer, Element of Crime, Muse, Williams usw. Wirklich gekauft habe ich mir davon keins. Das wird aber nachgeholt, sobald ich einen neuen CD-Player, bzw. mich mit iTunes angefreundet habe. Meine größte Aufmerksamkeit genießt weiterhin das totgesagte HipHop Genre und dem damit verbundenen Ausverkauf der Vinyl Scheiben. Eine Single für 3 Euro, Ein Album 6 Euro, bitte!
Viele gute Bands erschlossen sich mir, von denen ich vorher nie etwas gehört hatte. Bei anderen, mir bekannten Interpreten, entdeckte ich wiederum in den Tiefen ihrer Discographie so manche Perle. Die Charts habe ich mir mittlerweile, eher unfreiwillig, völlig abgewöhnt.
Drei Jahre ohne MTV oder Viva gehen spurlos an einem vorbei.
Genau wie die großen Festivals wieder Mal an mir vorbei gingen. Trotzdem war ich, für meine Verhältnisse, auf vielen Konzerten vertreten. Ob die Band Live besser ist, kommt natürlich auf die Band an. Der Zustand Live garantiert noch lange kein gutes Konzert. Das denken häufig kleine Jungen mit Zahnspange, die trotz allem eine Chance bei Mädchen haben wollen, die genauso denken. Ich wurde aber nicht enttäuscht, gerade Kool Savas hat seit dem Splash Finale von 2005 nicht nachgelassen.

Meinen Vielleserstatus (ab 30 Bücher im Jahr. Habe ich mal irgendwo gelesen, was sonst?) dürfte ich knapp verfehlt haben. Ist mir eigentlich nicht wichtig, nur, wenn man die Zeit für Bücher findet, hat man anderes ebenfalls im Griff. Diesen Eindruck bekam ich jedenfalls über die letzten Jahre. Total simpel, wer braucht da noch Feng Shui?

Der Verein
Klinsmann ist dann doch voreilig entlassen worden, was natürlich einzig an den hohen Erwartungen lag. Experiment fehlgeschlagen und mit van Gaal auf nun mal sicher gehen. Von wegen. Schwierige Holländer. Die Saison verläuft nicht optimal, aber ich habe auch schon gute Spiele in diesem Jahr gesehen.
Was mich beruhigt, obwohl es gar keinen Grund zur Unruhe gibt, ist die Tatsache, dass Bayern selbst bei einem Neuanfang nach der Ära Hoeneß und einem eventuellen Scheitern van Gaals mit den jungen Spielern eine super Mannschaft zusammen hat. Kroos, Müller, Badstuber, Lahm, Schweinsteiger und Gomez sind über die nächsten Jahre eine gute Grundlage um Deutscher Meister zu werden. Wer die Mannschaft erweitern wird, seien es schwer zu haltende Stars wie Ribery, Robben oder Demichelis, oder ob neu eingekauft werden muss, ist dabei egal. Aber wie es aussieht nimmt alles ein glückliches Ende. Wie so oft.
Bayern Kontext gehört in jeden Jahresrückblick.

Dein Lieblingsmensch

Die Gefühlslage schwankte so vor sich hin. Ein paar Menschen haben mich positiv überrascht und andere hingegen nachhaltig enttäuscht. Nachhaltig ist gut... auch nicht mehr als sonst. Unabhängig von meiner Erwartungshaltung. Das betrachte ich aber als normal. Dafür kenne ich einfach zu viele Menschen, als dass es immer untereinander glatt läuft und außerdem ist es ja schon schwierig genug mit sich selbst klar zukommen. Leider habe ich viele Dinge, die ich ändern oder anpacken wollte, nicht geändert oder angepackt. Das muss ich mir vorwerfen lassen. Mir gegenüber.
Ich wollte die Hände mehr in die Hosentaschen stecken, anstatt sie in den Jackenärmel verschwinden zu lassen. Das sieht so unreif aus. Im Taxi wollte ich mich nach hinten setzen. Bei allen drei Taxifahrten in diesem Jahr saß ich wieder vorne. Das Thema Fremdsprachen habe ich fast aufgegeben, ich kann es einfach nicht. Guido, mach was.
Optimistisch gesehen, gehen mir für 2010 die Vorhaben so schnell nicht aus.
Das Archiv reflektiert mein Jahr im Grunde genug.

2009… This is it.

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus.

Montag, 7. Dezember 2009

Truck me harder Mothertrucker

„Ich stehe zu meinem Laster wie Spediteure“ Dendemann

Mein Urlaub ist geplant. Wie ich bereits erwähnte, ist der klassische Club Urlaub nichts für mich. Urlaub ist sowieso das falsche Wort. Meine freien Tage in der ersten Juni Woche sind verplant, ist richtiger. Es geht auf Achse. Martin, der während der vorlesungsfreien Zeit sich das Geld für die horrenden Studiengebühren mit LKW Fahren verdient, fährt auch dieses Jahr wieder und nimmt mich sogar mit. Wir liefern Fracht aus in alle Herrenländer. Wahrscheinlich aber nur nach Dortmund oder Bochum, maximal Österreich. Hoffentlich Österreich. Vorgenommen hatten wir uns das schon lange, nur wie es halt so ist, jeder macht seinen Kram und schwups ziehen die Jahre ins Land.

50 Tonner. Das klingt nach Arbeit, ist es aber nicht. Nicht für mich. Eher Kategorie komfortabler Abenteuerurlaub. Jeden Tag wird mindestens ein Ganove zur Strecke gebracht.
Die heutigen Lastkraftwagen erinnern mehr an ein Wohnmobil mit Einbauküche als an ein Nutzfahrzeug. Luxus pur. Früher, als mein Vater noch Zuckerrüben zwischen alle Herrendörfer kutschierte, durfte ich hin und wieder mitfahren. Damals hatten die Trucks, wenn es hochkam, eine Schlafkabine direkt hinter dem viel zu harten Fahrersitz. Mein Vater behauptete einst, dass LKW Fahren erst richtig Spaß mache, wenn man Kolonne fahre. Er meinte damit wohl die halbstündigen Überholmanöver. Über Funk wurde verabredet, dass der hinterste LKW auf die linke Fahrbahn ausschert und die gesamte Autobahn hinter sich staut, die anderen vor ihm ziehen alle in die frei gewordenen Lücke und überholten. Bergauf.
Entdeckte man eine Kontrolle von der Rennleitung (Polizei), wurden entgegenkommende Kollegen mittels hochhalten der orangefarbenden Tachoscheibenverpackung gewarnt. So eine Kameradschaft findet man auf der Straße heutzutage nur noch in Motorradgangs.

Martin ist ein richtiger Mothertrucker. Jederzeit bereit die Tachoscheibe zu fressen oder bei schlimmeren Vergehen auch mal eine Entführung vorzutäuschen. Mein Job wird es sein Martin die Muntermacher in den Mund zu werfen und alles textlich zu dokumentieren. Bild- und Videomaterial wären, was die Beweislage angeht, ein Schuss ins eigene Bein. Ich bin mal gespannt, wann auf unserer Tour das erste Mal auf die Funkdisziplin geschissen wird. Das wird groß, Schmidt groß. Danach werden wir uns womöglich ein Jahr nicht wieder sehen wollen.