Montag, 15. August 2011

Wanderwochenende

Wander-Guru Manuel Andrack

Spätestens nach Manuel Andracks Lektüre über die Lust, ja, geradezu der Notwendigkeit des Wanderns, hat mich die dichterische Form des Gehens in ihren Bann gezogen. Über ein Jahr hat es gedauert bis Martin, der das Ganze damals angeschoben hatte, und ich einen gemeinsamen Termin gefunden bestimmt haben. 13. und 14. August; Rothaargebirge; Winterberg. Martin ist bereits etwas bewanderter, während meine Erfahrung ausschließlich angelesen ist. Ein Beispiel: Ernstzunehmende Wanderer reisen ihr Ziel mit dem Zug an. Sie wandern keine Runden, sondern nur Strecken und ganz besonders verkleiden sie sich nicht als Wanderer. Stichwort Stock und Hut.


Wenn man aus dem Norden kommt, gibt es keine überraschenden Wettereinbrüche. Es ist eher überraschend, wenn mal die Sonne scheint. Eingestellt haben wir uns auf Regen. Um 5:40 ging der Zug nach Winterberg über Dortmund. Sehr früh, aber auch notwendig wenn man Strecke machen möchte. Der Plan im Zug zu pennen ist an meinem lädierten Körper und den unsäglich unergonomischen Sitzen der Schweizer Bahn zerschellt. Somit kam ich auf keine einzige Stunde Schlaf bevor es auf den Rothaarsteig gehen sollte. Übernachten würden wir in einer kleinen, netten Pension, die von einer jungen, holländischen Familie betrieben wird. Die Töchter des Ehepaares, geschätzte zwei und vier Jahre jung, wuselten bereits während des Einschreibens sehr lebhaft im Hausflur umher. Ich ahnte es, hier geht alles sehr familiär zu.
Erst bot man uns an, uns vom Bahnhof abzuholen, was wir natürlich ablehnten, dann drückte man uns Busfahrkarten für die Region in die Hand. Ein Schlag ins Gesicht für jeden ernsthaften Wanderfreund.

 Die Pension Haus Talblick

Eine Pension, ein Wort: Der Talblick

Von vielen nicht gerne gesehen, den Rucksack oder die Tasche auf der Bettwäsche. Mir macht das nichts aus. 


An der Rezeption kaufte Martin eine sehr grobe aber immerhin wasserfeste Karte vom Rothaarsteig.

In der Nähe der Pension wurde uns ein guter Einstieg in den populären Wanderpfad versprochen. Unter der Skisprungschanze entlang, dann links halten oder auch rechts oder war anhalten und umdrehen gemeint? Andracks hochgelobte Ausschilderung trifft wohl nicht für den nördlicheren Teil des Rothaarsteigs zu. Nach anfänglichen Orientierungsschwierigkeiten, in Wanderkarten werden so wichtige Fixpunkte wie Autobahnen oder Atomkraftwerke weggelassen, aus Prestigegründen, fanden wir uns zumindest auf einen Arm des ursprünglichen Weges wieder. 

Das Wetter machte das Terrain schwer wanderbar, ein falscher Schritt und man rutschte metertief in die grüne Hölle. Unaufmerksamkeiten konnte man sich hier nicht erlauben. Am ersten Wandertag erklommen wir den Kahlen Asten mit circa 840 Höhenmetern. Oben erwartete uns ein Hotel, das Mikrowellenspaghetti mit Bolognese anbot. Spagbol, wie es in diversen WG Küchen heißt. So schmeckte es auch. Die Wanderwege waren erschreckend leer. Entweder wurden die Touristen mit dem Bus oder der Lok auf Rädern herumgekarrt oder sie stiegen bevorzugt auf das Mountainbike. Mountainbikes verhalten sich zu Wanderwege wie Schnellboote zum Mississippi, sie passen einfach nicht ins Bild.

Der Rothaarsteig wird auch der Weg der Sinne genannt. Womöglich weil man all seine sechs fünf Sinne beisammen haben muss um konsequent auf dessen Route zu bleiben. Und jetzt kommt es: Die Nebenwege, die, anstatt mit einem durchdesingten Logo wie beim Rothaarsteig, unrühmlich mit X oder W gekennzeichnet sind, sind viel attraktiver. Es ist ja auch selten so, dass bei einem Album der Namensgebende Titeltrack gleichzeitig der Beste Song ist. Oder wer hält Mornig Glory für den besten Song auf gleichnamigen Album? Wir haben uns davon vorerst blenden lassen. Meine Wanderempfehlung ist der Brücken und Schluchten Weg. Siehe zweites Video weiter unten.

Nach der Wanderung wurde bei der Sportschau eine abschließende Lagebesprechung abgehalten und die morgige Route geplant. Ich war so fertig, dass die ADS Kinder der Pensions Familie kaum störten. Wusel Wusel Wusel, Kletter Kletter Kletter, Brabbel Brabbel Brabbel. Mein Außenband im linken Knie machte mir Probleme. Die Überansprunchung, ich kannte das schon, was es nicht besser machte.

Ein falscher Schritt und es geht abwärts

Erkenntnis: „Man freut sich freitags nicht auf das bevorstehende Wochenende, sondern weil der Freitag der Tag ist, von dem das vorangegangene Wochenende am weitesten entfernt liegt. Man soll sich erholen am Wochenende und nicht immer so kaputt feiern. Sonst funktioniert man erst wieder am nächsten Freitag richtig. Stattdessen die Frage, was hast du am Wochenende getan? mal mit Inhalt füllen. Kurz: Du musst Wandern.“

Der zweite Tag versprach Regen. Nicht wie im Norden, wo Nebel am Morgen oft Sonnenschein am Mittag verspricht, verheißt die Nebelbank in den Tälern von Winterberg nur weiteren Regen. Erklären kann ich das nicht. Es hätte eh nichts geändert. Wir hatten uns dazu entschlossen bevorzugt die Nebenwege zu wandern, gen Süden, was sich als pittoreskes Highlight erwies. Ein weiteres Highlight war ein Eingeborener, der uns auf dem Weg entgegenkam. Zwar schützte er sich feige mit einem Schirm gegen den Regen, machte uns aber sogleich auf seinen Fauxpas aufmerksam. Er entschuldigte sich fast dafür nicht dem Wetter gemäß gekleidet gewesen zu sein. Wohin kernige Typen wie wir wandern würden, wollte er wissen. Nachdem wir diverse Streckenfreunde Kumpeleien ausgetauscht hatten, wurde es privat. Wir jungen Leute sollten mal in Norden was anschieben, aufpassen keine Immigranten zu werden und Griechenland bekäme ebenfalls keinen Cent mehr, wenn es nach ihm ginge. Wir mussten ihm versprechen das Rothaargebirge mit einem Rucksack voller Konjunkturideen zu verlassen und dass ihm bloß kein dritter Weltkrieg losbricht. Ok, Versprochen.
So ist das, wanderst du, hält man dich für einen Macher. Vollkommen zu Recht. Netter Mann.


 Im Wohngebiet verfranzt

Merkwürdig und doch folgerichtig, Martin ereilten die gleichen Knieschmerzen, die mich schon wieder seit ein paar Kilometern quälten. Die falsche Belastung, ich sage es euch. Bei allem Mitleid, ich war froh, dass es nicht ausschließlich an meinem ruinösen Körperteilen liegen konnte. Körper, das ist etwas auf dass man nicht stolz sein kann. Nie. Und die, die stolz darauf sind, sind auffällig oft Idioten. Die vorgenommene Strecke ermöglichte uns das bequeme Erreichen des Zuges Richtung Bremen, trotz der teilweise auf 2-3 km/h reduzierten WDG. Ohne einen Vergleich zu haben, sage ich, dass vieles auf der Wanderung wunderbar gelaufen ist. Dinge die man besser machen kann:
  • Plastikflaschen anstatt Glasflaschen mit sich führen
  • Ein drittes (also fünftes und sechstes, wegen der Wandersocke, die man unter den normalen Socken trägt) Paar Socken mitnehmen
  • Eine weitere Plastiktüte um die trockenen Sachen vor dem Regen zu schützen
  • Zwischen-, und Ausdehnen
Erkenntnis: „Regen ist keine Qual, erstrecht kein Dauerregen. Eine Qual sind Monotonie, Partnerlook und Quengeleien.“


Regen von der Seite


Reißende Bäche. Die Szene erinnert etwas an Rambo

So friedlich kann es sein


Die Karte hat es trotz Beschichtung nicht unbeschadet überstanden. Wir: Am Ende. Nach circa 40 zurückgelegten Kilometern. Die Busfahrkarten blieben selbstredend ungenutzt. Andrack wäre stolz. Wer mehr über den Rothaarsteig lesen möchte, dem empfehle ich dieses Buch.


Übrigens: Manuels WanderBlog. So unter Kollegen sollte man ja verlinken... und Duzen.


EDIT: die ungefähre Strecke

2 Kommentare:

  1. Ausgezeichnet wandern kann man übrigens in Bayern, egal wo. Zumindest die Gastronomie lässt einen da nicht im Stich!

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  2. Auf was zünftiges hat der Wanderer ja immer Lust. Empfehlen kann ich das Spießbratenbrötchen an dem Hänchenstand vor dem Kaufpark. 2€, unheimlich lecker, fantstisches Preis/Leistungs-Verhältnis. Sonntags geschlossen.

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