Samstag, 26. Mai 2012

FC Bayern München - Die Saison 2011/12


WARNUNG: in diesem Text geht es ausschließlich um Fußball. Was irgendwelche Herren Abseits des Platzes erzählen und behaupten, ist irrelevant.


Als Freund und Förderer des FC Bayern München werde ich oft um eine Stellungsnahme zur abgelaufenen Saison gebeten. Viele scheinen zu ahnen, dass es nach drei verschenkten Titeln nicht unbedingt mit dem Traditionsverein vorbei ist. Wie geht es also weiter, vorausgesetzt Bayern tritt nächste Saison überhaupt wieder an.

Die Saison 2011 – kein Titel

Dortmund spielt den besseren Fußball. Dies war 2011 bereits zu erkennen. Aber nimmt man die Saison der Bayernspieler aus dem Jahr 2010, ist eine durchwachsende Saison und die Wachablösung an der Tabellenspitze absolut nachvollziehbar.
Bayern wurde 2010 Meister, Pokalsieger und stand im Finale der Champions League. Bei der WM 2010 spielten neun Bayernspieler alle sieben möglichen Partien und in welcher Verfassung Robben aus dem Finale wieder kam, daran wurden wir am Dienstag mit dem umstrittenen Freundschaftsspiel gegen Holland erinnert. Und weil ein exzentrischer Louis van Gaal unfehlbar ist, kauft er keinen einzigen Spieler für die Saison 2011 nach und unternimmt stattdessen riskante Wechselspiele. Die Saison konnte man schnell abhacken. Das Argument, das sind Profis, die dürfen nie müde sein, ist kein Argument. Wie gesagt, es geht nur um Fußball.

Die Saison 2012 – immer noch keinen Titel

2012 kam mit Jupp Heynckes, der von mir favorisierte Trainer, zurück zu den Bayern. Auch die Einkäufe stimmten mich auf eine positive Saison ein. Die Hinrunde lief entsprechend gut.
Die Todesgruppe in der Champions League wurde souverän gewonnen und die Herbstmeisterschaft ging, mit einen neuen Vereinsrekord, verdient an die Bayern.
Natürlich fiel es auf, dass die Dortmunder ihre Spielphilosophie verbessert haben. Deutlich wurde es im direkten Duell gegen die Bayern. Sie spielten einen enorm schnellen, präzisen Umschaltfußball. In der Hinrunde lief der BVB noch verzweifelt gegen tief stehende Mannschaften an, eine Spielweise, die merkwürdigerweise in der Rückrunde nur selten von den Gegnern im unteren Tabellendrittel angewandt wurde. Eben die Spielweise, mit der sich der FC Bayern fast immer auseinander setzen muss.
Leider wurde nie weiter hinterfragt, wieso Bayern so desolat aus der Winterpause kam. Laut Heynckes, haben sie sehr gut gearbeitet. Vielleicht waren es die vertraglich festgelegten Werbespiele um die Geldgeber zufrieden zu stellen, denen gibt man aber nicht gerne die Schuld, oder es wurde ganz einfach nicht besonders gut gearbeitet. Bayern ließ gegen defensiv stehende Mannschaften viele Punkte liegen, während Dortmund wiederum seinen persönlichen Vereinsrekord aufstellte. Im direkten Duell war es der Egoismus, bzw. die besondere „Spielerklasse“, auf die sich die Bayern allzu oft verließen und die dann das Spiel verlor. So ist das, wenn das Gewicht in der Mannschaft nicht gleichmäßiger verteilt ist. Robben gewinnt Spiele oder er verliert sie eben. Für mich als Freund und Mitbegründer der dritten Generation war es eine gute Saison. Einen Grund so mitzufiebern, hatte ich bisher nur bei den Welt- und Europameisterschaften. Champions League Finals mit deutscher Beteiligung sind leider viel zu selten um cool zu bleiben.

Die Finalspiele

Die Saison war mit drei Finalspielen, das Rückspiel in Dortmund mitgezählt, keinesfalls ein Desaster. Auch dass alle drei verloren wurden, kann ich verkraften. Das DFB Pokalfinale wurde durch individuelle Fehler auf Bayernseite entschieden. So verliert man natürlich und auch entsprechend hoch. Für mich sah das so aus, als waren die Bayern mit dem Kopf bereits im CL Finale oder sie sind ganz einfach so unheimlich schlecht. Um das herauszufinden, musste man nur eine Woche später das Champions League Finale schauen. Die Bayern spielten überragend, waren eindeutig überlegen, nur hat Cech einmal mehr bewiesen, weshalb er und nicht Neuer, der beste Torwart der Welt ist. Den Vergleich zwischen Drogba und Gomez ging ebenfalls an Chelsea. Dazu unten mehr. Für Fußballästheten hat das unattraktivere System nun mal die Champions League gewonnen. Im Halbfinale gegen Barcelona war ich noch für Chelsea, logisch, einfache Wahrscheinlichkeitsrechnung was den Sieg der Bayern im Finale anging. Barcelona hätte die Münchner in den neunzig Minuten vorgeführt. Man erinnere sich an das Finale 2011, ManU stand von vornherein als Verlierer fest und anders wäre es den Bayern auch nicht ergangen. Naiv wie ich bin, hoffte ich, dass Chelsea in einem einzigen, finalen Spiel mehr aufrücken würde, aber dass die von Minute eins ab so sehr auf den Abpfiff hofften, hätte ich nie gedacht. Falls Abramowitsch davon ausgeht wenigstens diese Saison mit Chelsea einen Gewinn zu erwirtschaften, dann hat er jetzt 3,6 Million mehr die er der einen Milliarde Ausgaben gegenüberstellen kann und falls es ihm nur um das Prestige ging, dann hat er spätestens jetzt ganz Fußball Europa gegen sich aufgebracht. Der Titel hat an Glanz verloren, aber heute redet ja auch keiner mehr über Griechenlands EM Sieg 2004. Die Intensität der Bayern wird aufgrund der Niederlage nicht nachlassen und schaue ich nur ein Jahr weiter, sehe ich Chelsea nicht im Viertelfinale der CL 2013.

Die Saison 2013 – wie es weitergehen könnte

Die statische Spielweise der Bayern, die sehr vom Tempo und der Technik von zwei, drei Akteuren lebt, ist ein gefundenes Fressen für Mannschaften, die ihre stärke nicht darin sehen das Spiel selber aufzuziehen. Gladbach, Hannover und Dortmund haben aufgezeigt, wie man das System knackt. Effektiver Umschaltfußball. Das sind Mannschaften, die sehr selten den Ball lange in der gegnerischen Hälfte halten. Der Ballbesitz findet, wenn überhaupt, in der eigenen Hälfte statt, was dann den aufrückenden Gegnern beim schnellen umschalten mit langen Bällen zum Verhängnis wird.
Die Effektivität dieser Spielweise ist unumstritten, nur sehe ich darin kein internationales Potenzial oder finde besonderes Gefallen daran. Die Bayern orientieren sich nach oben, an den FC Barcelona. Die zelebrieren den Ballbesitz und das Hineindrängen des Gegners in die eigene Hälfte. Barcelona hat aber auch die Zeit und die Mittel investiert um eine perfekte Mischung an Spielern für dieses System zu finden. Sie scheuen nicht davor zurück dreistellige Millionenbeträge für das Zusammenstellen der ersten Mannschaft auszugeben. So kostete die Suche nach einem mitspielenden Stürmer, mit Henry, Ibrahimovic und letztendlich Fabregas und Villa, insgesamt 204 mio Euro (Eto´o Tausch inbegriffen). Auch die über Jahre gewachsene Jugendarbeit, mit weltweit agierenden Jugendscouts und einer klaren Spielphilosophie, ist bei Bayern ebenfalls lange nicht soweit fortgeschritten.
Ganz im Gegenteil. Ein Strafraumstürmer wie Gomez ist eher kontraproduktiv um auf das Niveau der Katalanen zu kommen. Er lebt einzig von der individuellen Klasse der beiden Außenstürmer Ribery und Robben. Wenn der Ball in den Sechzehner des Gegners gespielt wird und Gomez kann ihn nicht direkt abnehmen, ist der Ball auch meist daraufhin wieder weg. Ich persönlich begrüße Bayerns mutigen Weg zum Offensivfußball, alles andere könnte ich mir nur mit Bauchschmerzen anschauen, aber es schadet ja nichts die Spritzigkeit und die Lauffreude anderer Mannschaften in das eigene Konzept einzubinden und letztendlich darauf hinzuarbeiten den Ball durch die entstehenden Gassen in der Mitte zu spielen.
Mit Alaba hat sich aus der eigenen Jugend eine perfekte Lösung für die linke Seite ergeben. Schnell, lauffreudig, offensivstark und mit viel Potenzial nach oben. Wäre das derzeitige Konzept der Bayern nicht so erfolgreich und Gomez nicht als alleinige Spitze so treffsicher, dann würde ich heute schon auf das Barca Prinzip umstellen und mir eine längere Findungsphase gönnen. Im Tor haben wir einen der Besten. Neuer
Die Abwehr ist jung und stand zum Ende der letzten Saison schon fest. Alaba – Badstuber – Boateng – Lahm
Auf der Doppelsechs ist Schweinsteiger gesetzt, daneben fehlt noch ein Weltklassemann. Die kosten ungefähr 40-50 Millionen. Gomez dafür hergeben.
Das Mittelfeld besteht im Grunde aus einer offensiven Viererkette und löst den klassischen Stürmer ab. Ribery – Kroos – Müller – Robben
Müller kann die kurzen Wege im Sechzehner auch machen, wenn nicht sogar besser als Gomez, weil spontaner und einfallsreicher aus dem Mittelfeld heraus mit mehr Übersicht und Tempo. Alle vier können vor dem gegnerischen Tor gefährlich auftauchen, sind abschlussstark und vor allem, sie spielen den finalen Pass und haben die Technik dafür mal auf den Ball zu treten, voran Stolper Gomez bereits scheitert. Das wäre doch mal was. Bayern schiebt eh bevorzugt den Ball in der gegnerischen Hälfte hin und her, dann stecken in dem 4-2-4 System aber viel mehr Gefahr, Ideen, Bewegungen und Möglichkeiten drin. Wo habe ich denn jetzt die Nummer vom Uli…

Merkwürdigerweise bin ich gar nicht so scharf auf eine brutale Titeljagt. Titel sind die angenehme Begleiterscheinung, wenn man attraktiven und effektvollen Fussball spielt.

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