Freitag, 19. Dezember 2014

Adventskalender 19. Fenster

TEIL 4


Dass ein Wechsel einem Hochverrat gleichkam, war in der Spaßgesellschaft Amateurfußball nicht jedem klar. Mir zum Beispiel. Der Trainer hielt eine Rede, die sich im Angesicht des Abstieges von den gewohnten Ansprachen maximal unterschied. Karre wieder aus dem Dreck ziehen und so weiter. Nachdem uns allen ausreichend ins Gewissen geredet wurde, sollten sich vor versammelter Mannschaft diejenigen bekennen, die den Verein wechseln wollten. In dem Zusammenhang konnte man froh sein, dass er nicht zur Denunzierung aufrief. Es hatte bestimmt einen Grund warum die Rede so endete und nicht anders.
Zwei von uns haben vor lauter Schuldgefühl ihren Einsatz verpasst. Als ich kurz darauf meinen Wechselwunsch dem Trainer unter vier Augen, plus den glasigen Augen einiger Spielfeldrandexperten, kundtat, kam es zu einer kuriosen Aussage eines … na, ein Fan von mir war das nicht … Vereinsmitgliedes.
„So wie du heute gespielt hast, nehmen die dich nie!“ Gemeint war der Nachbarsverein. Eine sehr spitzfindige Bemerkung, da ich seit ungefähr einem dreiviertel Jahr verletzt war. Da war er, der viel zitierte Situationshumor der Kreisklasse. Leider schob er direkt hinterher, dass er mich ganz genau auf dem Feld beobachtet hätte. Mit wem er mich verwechselte, ließ sich nicht mehr aufklären, seine Verachtung war ihm in dem Moment wichtiger.

Natürlich ergab sich bei mir keine Wunderheilung, so verpasste ich die ersten Spiele mit der  neuen Mannschaft. Zudem begann das Studium und die Prioritäten verschoben sich. Zum Beispiel stand die Erstsemesterparty an. Die Party endete auf einem Spielplatz, genauer auf einer Wippe. Ich oben, irgendwer anderes unten, was mich nicht daran hinderte abzusteigen und mit dem Fuß im Haltegriff hängen zubleiben. Die Bänder waren durch. Also wieder verletzt und wieder stieg meine Mannschaft ab. Dieses Mal war ich nicht der Hauptschuldige. Sowieso schien der Abstieg nicht so schwerwiegend gewesen zu sein. Das darauf folgende Jahr spielten wir wieder in der zweiten Kreisklasse und damit gegen meinen Exverein. Reine Ironie und eine schöne, sportliche Herausforderung, wenn da nicht diese unsinnig geschürte Rivalität gewesen wäre. Von Tsubasa und Hyuga habe ich gelernt, dass Rivalität die eigene Leistung fördert. Obwohl das bei mir nicht der Fall war, gewannen wir beide Spiele deutlich. Wie asozial.

Auf der jährlichen Vatertagstour mit den Freunden und ehemaligen Mitspielern durfte ich mich dafür rechtfertigen, wieso ich denn die eigenen Kumpels nicht gewinnen ließ. Immer wieder Grundsatzdiskussionen und wieder begriff ich nicht, worum es denn nun eigentlich im Amateurfußball ging. Irgendetwas mit Doppelmoral. Im nächsten Jahr kam es zu dem von mir Langersehnten Happy End. Erst schossen wir meine alte Mannschaft ab, eine Woche darauf deren direkten Konkurrenten auf den Aufstieg. So wurde mein Exverein aus eigener Kraft wieder erstklassig und der Hass hielt nur eine Woche an. Das Beste daran war allerdings, dass ich im entspannten Modus in einer qualitativ guten Mannschaft locker wegspielen konnte und der Amateurfußball als das wahrnehmen konnte, worüber sich die Redakteure des 11 Freunde Magazins und der Dreißigjährige Familienvater und Hobbykicker zu Recht amüsieren. Studieren, nebenbei Spiele gewinnen, feiern, sich Freunde machen und endlich ein Verständnis für Taktik entwickeln. Eine coole Zeit, bis zu meinem Bandscheibenvorfall. Aber das ist eine andere, noch längere und ödere Geschichte.

Hätte ich den Dilettantismus, die Slapstickeinlagen, den Größenwahn, die fehlende Selbst-Reflektion, und die Wutreden hervorgehoben, wäre der Text, und damit ich, viel sympathischer rüber gekommen, nur ist es so, dass es genug Leute gibt, die gut gelaunt zum Fußball gehen und schlecht gelaunt wieder nach Hause fahren.
Hä? hin gehen, aber zurück fahren…? Ihr versteht was ich meine.
Darüber sollte mal jeder nachdenken und was ändern. Falls er möchte.
Grüße an Thomas, bald ist Weihnachten.

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