Sonntag, 23. Dezember 2007

4. Advent

"Ich kaufe ungern Toiletenpapier. Statt Toilettenpapier kaufe ich Haushaltspapier. Das schneide ich in der Mitte durch - die Verkäufer sollen nicht wissen, dass ich kacke." Phillipp Jessen

Das schönste an der Vorweihnachtszeit ist für mich nicht die gefühlsduselige Stimmung bei den Pärchen auf den Weihnachtsmärkten, sondern die Gelegenheit endlich Dinge zu kaufen, die mir zu kaufen den Rest des Jahres unangenehm ist. Man kann alles wie einen weihnachtlichen Geschenkekauf aussehen lassen. Die ehrlich gemeint, gut gelaunten Verkäuferinnen achten nur noch auf den Betrag, der auf der digitalen Kasse aufblinkt, anstatt auf die Produkte, die sie über den Scanner piepen lassen. Wenn man mal an Badezimmerutensilien denkt, wird jeder nachvollziehen können was ich meine. Badezimmerutensilien wie zum Beispiel: Kilometerweise Klopapier, Nasenhaarentferner, Antischuppenshampoo, Kokain, Enthaarungscreme oder so einen Stift, der die ergrauten Haare wieder schwarz glitzern lässt (benötigen tue ich davon natürlich nichts). Oder glaubt ihr wirklich, dass die zu Weihnachten verkauften KuschelRock CDs alle verschenkt werden?

Vorsichtshalber sollte man an der Kasse beim Kauf unangenehmer Dinge alle Register ziehen. Am besten zu zweit einkaufen und sich über die gelungene Geschenkidee unterhalten. „Mensch, der Glenrothes Whiskey ist ein richtig tolles Geschenk für den Opa.“
Dass man ein extravagantes Alkoholproblem hat (und wenn nötig noch direkt auf dem Parkplatz), davon ahnt die Verkäuferin nichts mehr. Ist man alleine, kann man nach der Umtauschgarantie fragen, klappt auch gut. Das schönste Lob für dieses Schmierentheater ist die Frage: „Soll ich es für Sie einpacken?“ In diesem Fall „Ja, bitte“ sagen und genießen.

Probiert es Montag mal aus und kauft euch alle einen Sitzkringel!

Freitag, 21. Dezember 2007

2012: The War for the Souls

„Und dann kam ihm dieser Gedanke – heute leben – auch schon wieder unwahr, ausgedacht, geheuchelt vor, schlicht deshalb, weil er ihn schon zu oft gedacht hatte.“ Moritz von Uslar

Jetzt haben sie mich alle vergessen. Innerhalb 48 Stunden keine einzige eMail im Posteingang. Noch nicht einmal eBay oder GMX 2.0, die einem etwas andrehen wollen. Hätte ich nicht soviel Schiss davor, dann würde ich die Spams durchlesen und beantworten.
Mein Handy klingelt seit Jahren nicht. Ich benutze es nur noch als Wecker und Uhr, weil ich keine Armbanduhren ausstehen kann. Früher hatte ich überhaupt keine Uhr bei mir. Notfalls habe ich einen Schokoriegel oder ein Bier im Supermarkt gekauft um auf dem Kassenbon die Uhrzeit und das Datum zu erfahren. Es funktionierte prima. Freunde wohnen ein paar Straßen weiter. Aber das Wetter ist total beschissen und mir fällt auch kein Grund ein rüber zufahren. Ich kann ja schlecht klingeln und sagen: „Moin, ich langweile mich zu Tode. Kann ich mich bei euch hinsetzen und einfach nur teilhaben?“ Denen geht es ja nicht anders. Nur haben die Familien und langweilen sich, auf lange Sicht gesehen, im großen Stil. Dennoch haben die ihre Schäfchen im trockenen, die brauchen sich nichts mehr zu beweisen. Und schon gar nicht vor mir.

Ideal wäre es sich zu verlieben. Auf die schnelle. Express quasi. Das große Gefühl fordern und wenn es nur für ein paar Monate ist. Sich irgendwie in den Frühling retten. Aus der einen, großen Liebe wird wohl nichts mehr. Nicht mit 30. Da fangen alle an sich zu arrangieren, nennen das nur anders. Wenn mit der Liebe erstmal nichts wird, dann stirbt vielleicht einer aus dem Bekanntenkreis? Das wäre wenigstens mal ein handfester Grund zum jammern und gequält aus der Wäsche gucken. Böser Gedanke. Aber anders kommt man ja nicht an die großen Emotionen, die mich noch mal fordern würden, ran. Dem ungeachtet ist es eine gute Erklärung, warum man sich so benimmt wie ich es tue. Das ist wohl eines dieser Dinge, die man noch nicht einmal denken darf. Sich geistig darauf vorzubereiten kann trotzdem nicht schaden… Wieder Fernsehen. Wenn man all diese übertrieben glücklichen und unglücklichen Menschen im Fernsehen sieht, da kann man schon neidisch werden…

Ich gehe ins Badezimmer und schaue in den Spiegel. Vielleicht ist ja noch irgendetwas zu machen? Ne, schon alles erledigt. Vielleicht eine Veränderung? Eine Narbe an der Stirn mit der dazugehörigen Piratengeschichte? Oder noch einmal duschen? Wenn ich so auf meine schrumpeligen Fingerkuppen schaue, würde ich sagen, zuviel ist auch nicht gut. Ich könnte wieder Depressiv werden… aber das habe ich abgelegt als es Trend wurde. Essen kann man stattdessen immer.

Um Bücher zu lesen muss man sie ja erstmal haben. Das ist mit Musik einfacher, die gibt es im Internet auf Abruf. Ich lese Comics. Gute Geschichten und total unbegreiflich für mich wie man so zeichnen kann. Wenn ich ein Talent hätte, dann könnte ich mir das in den Hinterkopf packen und an harten Zeiten einfach denken: "Ich habe ja noch mein Talent“.
Wäre ich krank, dürfte die Zeit ruhig weiterlaufen. Es gibt mittlerweile für jedes Verhalten eine passende Krankheit. Alles ist Normal und total out. Das beruhigt mich. Der einzige Unterschied liegt darin, ob du mit deinem Verhalten alleine da stehst oder ob du viele Leidensgenossen hast. Zum Beispiel das Boreout Syndrom. Das Gegenteil vom Burnout Syndrom. Langeweile auf und bei der Arbeit. So oder so, du bist Krank. In Amerika hat jeder einen Therapeuten. Ich habe noch nicht einmal einen Hausarzt. Natürlich habe ich einen, der wechselt aber jedes Mal mit der Schwere der Krankheit. So weiß ich nie was ich in der Praxis auf die Frage: „und wer ist ihr Hausarzt?“ antworten soll
Im Kino läuft Spiderman 5. Alleine ins Kino? Wenn ich mir einen bunten Schal anziehe, denkt die Kartenfrau bestimmt ich sei Filmkritiker oder -Student. Vorsichtshalber könnte ich auch beim bezahlen das Handy aus der Tasche ziehen und deutlich vor mir hinbrabbeln: „Oh, sie sitzt schon drinnen.“ Und dann noch einen großen Eimer Popcorn kaufen. Unmöglich, dass ich den alleine essen werde. Das könnte ich machen. Oder ich setze mich vor den Rechner und spreche ein paar Bekanntschaften im Chat an. Online sind genug. Ach, dieses scheiß „sichzuerstmelden“, den ersten Schritt machen, stehe ich nicht durch. Dann diese Machtkämpfe, wer braucht wen am wenigsten? Die anderen tun so beschäftigt und nach zwei Stunden chatten kam nichts rum. Doch, 24 weniger 2. Das lohnt nicht. Man fühlt sich so abhängig und unterwürfig den anderen gegenüber. Wenn ich mir versuche vorzustellen, wie die vor ihren Rechnern aussehen, dann sehe ich nur gelbe Smily Gesichter. Versuche ich mir vorzustellen was diese Smilys gerade machen, sind sie alle anderweitig beschäftigt. Ich bin der einzige, der wirklich auf eine, noch so lakonische, Antwort wartet. Nur um dann seitenweise zurück zuschreiben. Und plötzlich heißt es: Tschüß, ich treffe mich noch mit dem und dem… Scheiße. Was für ein Theater.

Ich mache mir keine Sorgen. Als Kind habe ich mir immer gedacht: Junge, egal was aus dir wird, Michael Jackson stirbt früher. So langsam brauche ich einen Plan B…

Sonntag, 16. Dezember 2007

3. Advent

"Tinkel`s Weihnachtbäume. Blaufichte, Serbische Fichte, Nordmannstanne. Frisch geschlagen." Schild

Tinkel`s Bauwagen.

Wir haben bei uns im Dorf einen Weihnachtsbaumverkauf. Um an die Bäume zu kommen, muss man über den Hof und durch die Scheune von Tinkel latschen. Hinter der Scheune steht ein kleiner Bauwagen mit Platz für 5-6 Personen. Von dort aus steuert Tinkel das weltweite Weihnachtsbaumgeschäft. In diesem Bauwagen stehen ein Ofen und ein Radio. Früher, leider ist auch diese Tradition abgerissen, sind wir bei aufsteigendem Rauch rüber zu Tinkel gegangen und haben ihm Gesellschaft geleistet. Wir haben Spekulatius gegessen und seinen Glühwein, mit gutem Hansen Rum verfeinert, weg getrunken. Über die ganze Zeit habe ich nie einen einzigen Kunden dort gesehen. In dem Bauwagen war dennoch reger Betrieb. Leute kamen und torkelten wieder nach Hause. Nicht jeder war den drei Stufen aus dem Bauwagen, runter zum rettenden Boden, gewachsen. Ich selbst kam nicht selten mit rot eingefärbten Hosen nach Hause. Ständig fragte Tinkel uns: „Sag mal, habt ihr eigentlich schon einen Weihnachtsbaum?“ Natürlich hatten wir bereits einen Weihnachtsbaum. Einen großen. Vor dieser Investition war es verheerend zu Tinkel zu fahren. Er hätte einem ohne weiteres so eine Tanne auf den Gepäckträger gespannt. Geschäftsmann durch und durch. Gerne hätte ich es mal gesehen, wie einer von uns betrunken in diese Baumeinnetzmaschine fällt. Nur gibt es dort keine… Schade.

Ihr fragt euch was der hier für eine Scheiße schreibt? so ganz ohne moralischen Hintergrund, weihnachtlichen Kitsch, erhobenen Zeigefinger, Pointe oder einen lehrreichen Aspekt für die Kinder. Immer nur saufen, saufen, saufen! Früher, früher, früher! Drei Mal das Wort Weihnachtsbaum benutzt und schon gut genug für die Massen. Ich finde diese fünf Minuten Text spiegeln ganz gut den 3. Advent wieder. Noch kam nicht viel rüber vom Weihnachtswahn. Schönen 3. Advent wünsche ich trotzdem und die Weihnachtskalender nicht über Heizungskörper und Kommoden hängen. Viel zu schnell rutscht da beim Türchen öffnen so ein kleines Schokoladenstücken hinter und ist weg.

Sonntag, 9. Dezember 2007

2. Advent

„Weihnachten als Überforderung: Erwartungen an die Familienharmonie, an Ruhe, Entspannung oder Festlichkeit, treffen auf Küchendienst, verunglückte Geschenke, das zweifellos vergebliche Bemühen, es allen recht zu machen, den kaum unterdrückbaren Wunsch nach einer Art Weihnachtsglücks-Empfinden der Kindheit.
Das alles ist wohl eine schlichte Überforderung für einen Durchschnittsmenschen.“ Dorothee Hess-Maier

Ich habe keine Ahnung wie es sich etablieren konnte. Ich weiß auch nur noch lückenhaft wie es anfing. Wir waren in einem Alter, indem wir Heilig Abend nicht mehr unbedingt mit unseren Familien verbringen mussten. Zur Kirche gingen wir auch nur am 24. Dezember. Die Vorstellung, die sehen uns erst in einem Jahr wieder, war in einem Dorf natürlich hinfällig.

Ich möchte Vorausschicken, dass mir die Nummer im Nachhinein doch recht asozial vorkommt und ich es heute nicht mehr begrüßen würde. Selbst dann nicht, wenn die anderen versuchen würden mich zu überreden.

Vor dem Gottesdienst haben Freunde von mir und ich einen Kasten Bier hinter der, sich vor der Kirche befindlichen, Bushaltestelle verschanzt. Wir sind jedes Jahr auffällig früh durch das Dorf Richtung Kirchturm marschiert. Ich weiß nicht was der Rest dachte, für mich sollte jedenfalls ein vorbildlicher Eindruck entstehen. Wir setzten uns also in die Bushaltestelle, tranken Bier, überlegten was am Abend noch so geht und grüßten die anderen Kirchenbesucher. Das eigentlich Schlimme war, dass die Familien, die uns ja alle sehr gut kannten, zurückgrüßten. Welche haben sich sogar auf dem Weg zur Kirche, vorbei an uns, überlegt was sie witziges sagen könnten. Hat es geschneit, kam man sich vor wie in Finnland. Dass wir dann in der überfüllten Kirche nur noch ganz hinten Platz nehmen konnten, hat uns nicht weiter gestört. Dafür hat jeder von uns mitgesungen!

Ein Jahr haben wir vergessen die Kiste bereitzustellen. In diesem Jahr sind wir mit einem randvoll mit Bierflaschen gefüllten, blauen Eimer losgetigert. Das war auch das letzte Mal gewesen. So sterben Traditionen aus.

Sonntag, 2. Dezember 2007

1. Advent


"Vergeßt nicht, Kinder, daß es auch heute noch Menschen unter uns gibt, die ihre Weihnachtslieder selbst singen müssen." Sinnspruch

Es war in der Adventszeit vor sechs Jahren. Ich saß in meinem Zeichnerbüro, das ich mit meiner ebenfalls auszubildenden, amerikanischen Kollegin teilte. Damals hatte ich die Lust an Weihnachten bereits verloren. Ich war in der Ausbildung, habe mein eigenes Geld verdie... bekommen und bin von der Rolle des Beschenkten in die Rolle des Schenkenden getrieben worden. Handschuhe und Schal waren wieder mal irgendwann zum Frühlingsanfang unauffindbar verschwunden, die Weihnachtsbeleuchtung in den Städten turnte nur noch wenig an und man begann sich zu fragen, wer das eigentlich alles bezahlt. Es fiel nur selten Schnee und alles was liegen blieb war grauer Matsch. Bei uns zu Hause wurde, wie jedes Jahr, viel Stress ums Kekse backen, Fensterbilder basteln und Geschenke kaufen verbreitet. Am Arbeitsplatz war auch nichts von Weihnachtstimmung zu spüren. Kein alberner Adventskranz und auch kein Radio mit Last Christmas. Auf eigenen Wunsch. Ich zwang mich zur Vorfreude, indem ich an Weihnachtsgeld, gutes Essen, gute Filme, Urlaub und die Feten dachte. Damals besaß ich noch kein Jackson 5 Christmas Album, also sang ich selber:

„Weihnacht winkt, Batman stinkt
Robin legt ein Ei
das Batmobile taugt nicht viel
und der Joker, der ist frei. Hey“

Meine Kollegin schaute mich böse an. Das war nicht die Reaktion, die ich erwartet hatte.
Nie wieder sollte ich versuchen einen englischen Text so plump ins deutsche zu übersetzen. Selbst nicht, wenn es mir einigermaßen gelang. Ich entschuldigte mich damit, dass der Song von den Simpsons sei.
Sie rezitierte:

„Jingle Bells Batman smells
Robin lay an egg
The Batmobile lost a wheel
And the Joker runs away. Hey”

Das Original ist viel cooler und Live noch besser als auf CD! Selbst als Teenager habe ich solche dummen Sätze nicht gesagt. Aber gedacht habe ich es schon.