Mittwoch, 23. Juni 2010

Weltmeisterschaft for Dummies

„Von wegen Fußball integriert, da hat doch heutzutage jede Nation seine eigene Mannschaft.“ Sönke

Diese Verrückten. Natürlich freue ich mich alle vier Jahre wie ein kleines Kind auf die Fußball Weltmeisterschaft, selbst der kleine Bruder, die Europameisterschaft, lässt mich vergessen zwischendurch auch mal ein Wasser zu trinken, aber was in Deutschland während des WM-Monats abgeht, wirkt auf mich sehr befremdlich. Seitdem 2006 die Marke „Das Sommermärchen“ als das Aushängeschild der Deutschen überhaupt proklamiert wurde, drehen alle durch. Deutscher Nationalstolz darf wieder gelebt werden und weil niemand weiß wie das geht, schaut man sich das eben aus anderen Ländern ab. Autokorsos stammen aus der Türkei, Vuzuelas aus Südafrika, Menschenaufläufe aus Sumatra, die Laola stammt aus Mexiko und England steuert noch mal eine ganz eigene Interpretation von Begeisterung bei. Die Deutschland-Flaggen wedeln nicht mehr nur von den Hotelbalkonen auf Mallorca, sondern lassen sich mittlerweile überall finden.


Vielleicht kennt ihr das Gefühl, das mich manchmal auf Festivals beschleicht. Man steht in der Menschenmenge vor der Bühne, ist angestrengt, weil man sich schon lange vor dem Auftritt reindrängeln musste, dabei ist das Interesse an der Band gar nicht groß, dafür aber ihr Name und man möchte einfach nur dass es los und auch schnell wieder vorbei geht, damit man endlich sagen kann: ja, die habe ich auch gesehen.
Jedenfalls scheint es mir, geht es so 90 Prozent der Deutschen mit der WM. Plötzlich sind alle Fans des Sports. Sogenannte Erfolgsfans. Da eigene Erfahrungen mit dem Ball oder jahrelange Recherchen fehlen, wird sich die Meinung von der BILD geliehen und oft nicht wieder zurückgegeben. Heute noch die Helden, morgen schon wieder die Wurst-Truppe. Bei Frauen wirkt das ganze noch angestrengter. Aber die dürfen das, Frauenquote ist beim Feiern immer total wichtig. Nicht wenige glauben, Fantreue spiegelt sich durch die richtigen Assecoires und durch das Grölen der angesagten Gesänge wider. Als wollten sie ihre Ahnungslosigkeit durch Schminke, Perücke und Alkoholpegel ausgleichen. Die Euphorie um die Nationalmannschaft ist in einem Land, das Ironie für den Gipfel des Humors hält, schwer einzuschätzen.


2006 habe ich ein einziges Spiel, Deutschland gegen Schweden, zwischen tausenden anderen Anhängern geschaut. Public Viewing genannt. Eine Wahnsinns Abzocke und nur weil tausend Leute auf einmal Jubeln, empfinde ich das nicht als angenehmer oder bedeutungsvoller. Die Frauen haben vor dem Jubeln erst nach links und rechts geschaut, um sicher zu gehen, ob sie sich im Falle eines Abseitstores nicht blamieren. Kinder konnten gar nichts sehen. Der Rückweg zum Bahnhof war das schlimmste. Alles ist laut und eng und stumpf gewesen. Vertreter anderer Nationen pöbeln gegen die Deutschen und die Deutschen gegen alle anderen Nationen. Hooligans freuen sich auf die WM wie arbeitslose Jugendliche auf die Sommerferien, sie fallen dann nämlich weniger auf. Seitdem schaue ich nur noch Privat oder in überschaubaren Kneipen.

Ich würde mich als Fußball-Fachmann bezeichnen. Nicht weil ich jeden Ersatzspieler der Nordkoreanischen Mannschaft von der Konsole her kenne, sondern weil ich selbst am liebsten mitspielen würde. Ich kann ein Spiel lesen und kenne den Charakter der Mitwirkenden. Den Sachverstand eines Günther Netzers weiß ich einzuschätzen und in die Aussagen der Interviewten interpretiere ich ein Stimmungsbild. Ehrlich gesagt, warte ich alle zwei Jahre wieder auf einen Anruf vom Bundestrainer. Meine Nummer habe ich auf der offiziellen Facebook Seite des DFBs hinterlassen, daran soll es nicht scheitern.

2 Kommentare:

  1. 23. Juni 2010, gegen 23 Uhr in einer einst überschaubaren Kneipe Göttingens: "Ich geh nie wieder zu euch zum Fußball gucken! Um uns rum nur Frauen die keine Ahnung haben, aber klug rumschnacken!"...

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  2. Soviel zur Frauenquote... Wenn du solche Kunden halten möchtest, dann kann ich Dir gerne ein zwei Sätze verraten, die immer funktionieren, egal was auf dem Spielfeld gerade passiert.

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