"Noch scheisse lang, fast zwei Stunden!
und wenn ich irgendwas hier liegen lass',
ist das verschwunden." Dendemann
Mit dem ICE dauert es brutto sechseinhalb Stunden von
Hannover bis nach Brügge. Zweimal muss ich umsteigen. Das Reisen mit dem Zug
hat für mich nur Vorteile. Preislich komme ich laut Fahrkostenrechner APP gut
weg. Die ganzen Umstände, die mit dem Autofahren verbunden sind, wurden von dem
Programm nicht mit einkalkuliert. Parkplatzsuche, Pinkelpausen, Stau, etc. Bei
der Bahn ist der große Faktor X die Pünktlichkeit, obwohl man sich eigentlich darauf
verlassen kann, dass es zu Verspätungen kommen wird. Bei meinem ICE hat sich
direkt die Abfahrt um 50 Minuten verzögert. Der Anschluss in Köln wird nicht
mehr erreicht. Allgemeines Entsetzen.
Im ICE ist es sehr bequem. Ich habe einen Fensterplatz ganz
für mich, also ohne Nachbarn, dafür mit ordentlicher Beinfreiheit. Die
Steckdose muss ich mir demzufolge mit niemand teilen. Das ist ein wichtiger Punkt, da der Akku meines rückstandigen iPhone 4 bei voller Auslastung ungefähr drei Stunden hält. Während alle anderen im
Abteil Anzug tragen und den Laptop rausholen, höre ich mir einen Podcast über
den Sport in den 80er Jahren an. Zumindest bis der Schaffner oder „Kundenbetreuer
im Nahverkehr“ kommt. Ich sitze in der ersten Klasse, meine Reservierung sei
aber für die zweite Klasse. Soso. Wagen 36, Sitz 32… stimmt doch, entgegne
ich dem Zugbegleiter. Stimmte auch soweit, nur steht auf meiner Reservierung
Wagen 32, Sitz 36. Ich trotte also zurück in die hinteren Abteile zu den
einfachen Leuten, mir eine Steckdose teilen. Den Blicken der Laptop Manager
zufolge, hätte man mich am liebsten gleich aus dem Zug entfernt.
Erfreulicherweise blieb mir eine weitere Sitzplatzdebatte
erspart. Normalerweise drängelt sich irgendein linksliberaler Freund auf den
ersten freien Platz und besetzt ihn solange, bis er unter Androhung von
Schlägen weggejagt wird. Das Problem dabei ist, wir Sitzplatzreservierer sind
alles Feiglinge.
Als ich mir am Informationsschalter der DB die Zugkarten
kaufte, war mir das Versprechen von freizugänglichen WLAN bereits suspekt. Niemals
wird das auf Anhieb klappen. Und so kommt es dann auch. Das beteuerte WLAN wird
mir zwar angezeigt, aber die Verbindung will nicht aufgebaut werden. Die Startseite der
Telekom ist schön übersichtlich, viel kann ich da nicht falsch machen. Der bereitgestellte
Button mit der Aufschrift: „Ins Internet starten“, verweist auf
einen undefinierbaren Fehler. Das überrascht mich nicht, aber ich könnte schwören, in der ersten Klasse hat es noch funktioniert.
Dank der Verspätung musste ich in Köln mein Ticket auf den Thalys umschreiben
lassen. Bis auf die Tatsache, dass ich eine Nummer hätte ziehen müssen, läuft alles reibungslos ab. Die bei Thalys sind die Verspätungen der Deutschen Bahn
gewohnt. Ich setze mich einfach an den ersten freien Schalter. Auf die Frage welche
Nummer ich hätte, lese ich die Zahl vor, die gerade auf dem Display steht. Funktioniert.
Im Thalys war es schon unbequemer, vor allem, weil niemand der Reisenden den
Belgiern vertraute. Ständig musste ich deutschen Passagieren bestätigen, dass
der Zug unteranderem in Aachen halten wird. Zum Glück kam es dann auch so.
Brüssel ist, vom Zug aus betrachtet, ziemlich hässlich. Und hier wird also darüber abgestimmt, worüber in Zukunft abgestimmt wird?! Falls
ich Martin Sonneborn richtig verstanden habe, passiert in der europäischen
Union nichts bedeutsameres und was macht eigentlich die NATO? Von Brüssel aus dauert
es mit dem IC keine Stunde bis man in Brügge ist. Es stehen vielleicht eine
Handvoll Menschen am Bahnsteig. Ich habe mit einem größeren Ansturm gerechnet. Eine
junge Dame im Hosenanzug steigt vor mir ein, setzt sich ans Fenster und klappt
sofort die Armlehne ihres leeren Nachbarplatzes hinunter. Verstehe. Auf dem Weg
nach Brügge geschieht nicht viel. Ein paar Häuschen, zu wenige für eine Siedlung,
Wiesen, Strommasten, Wald, Schafe und plötzlich heißt es Welkom bij Brugge, Bienvenue à Bruges, Welcome to Bruges.