Donnerstag, 23. Oktober 2008

Teilzeit Part III - Brain Damage

"Rut mit´n Torf, hau rin und hohl rut, das matscht so schön und tut so gut" Torfrock

Meine dritte Mission führte mich an den Rand meines Orientierungssinnes. Ich wurde in einem Moorgebiet eingesetzt, eine Woche lang. Von den Torffeldern wurden Galeeren mit Torf zu der entfernten Verarbeitungsfabrik transportiert. Dort saß ich, direkt an den Schienen. Mein Job war es die Galeeren maschinell zu kippen, sodass der Inhalt in ein alles zermalmenden Moloch rutschte. Die erste Schicht bestritt ich noch begleitend mit einem Arbeiter. Obwohl ich nichts tun musste außer zuzuhören, wurde der Tag bezahlt, weshalb ich nervig gut gelaunt war und nicht zuhörte. Drei Knöpfe musste ich drücken, wie schwer könnte das schon sein? Das Stoppen, Einrasten, Kippen, Lösen der Raster und weiter fahren lassen der Galeeren hatte einen ganz bestimmten Rhythmus, damit die Maschine nicht verstopft. Falls das mal eintreffen sollte, musste ich die Maschinen stoppen und den Durchlauf reinigen. Immer wieder wurde mir von allen denen ich begegnete geraten niemals, wirklich niemals, die Hände in den Durchlauf hineinzustecken. Wieso sollte ich das tun?

Ab dem zweiten Tag wurde ich auf mich allein gestellt. 80 Wagen rollten in einer Schicht durch. Das entnahm ich dem Notizbuch, in dem jede Entleerung mit einem Strich notiert wurde. Ich hatte mir mein eigenes Buch mitgebracht.
Die Maschine verstopfte Stündlich. Als ich einen Besenstiel zum nachstopfen benutzte, wusste ich warum man niemals, wirklich niemals, seine Hände in den Durchlauf halten sollte. Der Besenstiel ist ein Gewesener, wie John Cleese sagen würde. So kleingehäckselt wie der Torf selber. Nicht nur das ständige Verstopfen der Maschine trieb meinen Durchschnitt in den Keller, sondern auch diverse Entgleisungen, Kettenrisse und Pinkelpausen. Außerdem fror ich mir den Arsch ab, was erschwerend hinzukam. Einmal habe ich während der Mittagspause eine Unterhaltung von zwei Mitarbeitern belauscht. Ich traf dort sonst niemanden und war deshalb sehr empfindsam für menschliche Stimmen. Es hieß, dass die Arbeiter auf dem Feld kaum Galeerennachschub bekamen. Meine Schuld, klar. Ich bog schnell in einen anderen Ruheraum ab. Weiter oben und weiter hinten. Der Raum war größer und schöner eingerichtet und immer leer. Seitdem verbrachte ich meine Mittagspausen nur noch dort. Leider teilte ich dieses Versteck mit einer der Putzfrauen. Sie erzählte mir immer grausige Geschichten über das Moor. Einmal soll ein Mann seiner Zukünftigen in einem Heißluftballon über dem Moor gerade einen Antrag gemacht haben, als dessen Brenner das Methan, das sich über dem Moor sammelt, entzündete. Alle tot. Sie erzählte von ihrem Sohn in meinem Alter und der beschissenen Wirtschaftslage, die schuld daran sei, dass ein so netter junger Mann wie ich hier arbeiten müsse. Von meinen Studienplänen habe ich ihr nichts erzählt. Ich genoss das Mitleid.

Am vierten Tag entdeckte ich, dass gegenüber von mir ebenfalls jemand die Wagen zum kippen brachte. Ein Kollege. Ein sehr behäbiger Kollege. Er wußte was er tat und fiel deshalb kaum auf. Hätte er den Blaumann gegen ein Weihnachtsmannkostüm getauscht, hätte er mit seinem Rauschebart und seiner Plauze auch den Weihnachtsmann geben können. Aber er meinte, wenn du Blähungen hast, bekommst du nirgends einen Job als Kaufhausweihnachtsmann. Da war was dran. Er machte sich über meine miese Quote lustig und gab mir ein paar Tipps. Ich sollte die Maschine leer laufen lassen usw.

Am fünften und letzten Tag wurde ich mit einem viel zu kurzem Besen in den Bauch jener Maschine geschickt. Alles war völlig mit Torfschnipsel übersät. Was ich da an einem Tag zusammenfegte, habe ich nicht in der gesamten Woche durch den Moloch gejagt. Wenigsten war es warm da unten. Und der Tag geht durch ehrliche Arbeit auch viel schneller rum.
Mein Auto war überdurchschnittlich verschmutzt. In jeder Ritze saß Torf. Selbst im CD-Player lag eine CD von Klaus Büchner. Neue Woche, neue Mission. Ich fühlte mich schon wie eine richtige Doppelnull.

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