„Zum Wohl, mein Freund, kein übler Jahrgang, doch die Glut ist nicht aus, die Wut ist nicht raus vom Drüberlabern.“ Dendemann
Nachdem ich meinen Lehrvertrag unterschrieben hatte, beschloss ich, die mir in Zukunft übrigbleibende Freizeit und das neu eröffnete Konto dazu zu nutzen, die Wochenenden anstandslos zu zelebrieren. Zuvor war ich größtenteils vom Taschengeld abhängig und was die Bewegungsfreiheit anging, war ich an mein Fahrrad gefesselt. Unsere Dorfkneipe war unser „Draußen“, ansonsten enthielten wir uns der Öffentlichkeit. Freitags sah ich zu, dass ich rechtzeitig um 23 Uhr vor der Harald Schmidt Show hing. Freitags gab sich Harald immer besonders viel Mühe. Alkohol trank ich erst im Alter von 16 Jahren. Vorher entdeckte ich darin keinen Funken Würde. Besoffene Kinder eben. Dann kam Faserland. Soweit alles richtig gemacht.
Ich war 16 als ich meine Lehre begann. Viele Altersgenossen hätten an meiner Stelle einen Mofaführerschein gemacht, um, wenn schon nicht cooler, wenigstens mobiler zu werden. Meiner Meinung nach sind Mofas mobile Toiletten und haben auch genau soviel rebellisches Flair und außerdem, was sollte ich mit einem Mofa, wenn meine älteren Freunde gerade ihren Führerschein machten?
Der Beschluss „wenn ich schon arbeite, dann muss auch jedes Wochenende etwas losgemacht werden“ fiel im Suff. Wir waren alle auf Sturm und Drang gepolt, sodass ich nie wirklich nach den passenden Wochenendgestaltungen suchen musste. Ich kann mich noch gut daran erinnern wie ich einst, zusammen mit Klöden und Lunchmann, in der Dorfdisco Bensemanns zugegen war. Gäste mit Gummistiefeln hatten hier freien Eintritt und es gab einen Shuttletrecker Service. Niveau egal, Musik egal, Menschen egal. So fängt es an und so hört es im schlimmsten Fall auch wieder auf.
Lunchmann war als Fahrer auserkoren. Zumindestens solange, bis Klöden und ich die ersten Wodka KiBa weg hatten.
Lunch: „Macht es euch was aus im Auto zu pennen?“
Machte es nicht. Lunchmann war letztendlich der vollste. Obwohl, wer will das noch beurteilen? Fahrer waren immer die anderen, meist die nahen Verwandten.
Über die zwei Jahre Lehre entwickelte ich eine unermessliche Belastbarkeit. Auf der Arbeit lernte ich selbst der stumpfsten psychischen Belastung stand zu halten und am Wochenende strotzte ich den physischen Herausforderungen. Stumpf ist Trumpf. Geist und Körper im Einklang.
Tatsächlich zog ich diesen Zustand die gesamten zwei Jahre lang durch und legte noch ein Jahr Fachabitur oben drauf, weil es gerade so lustig war.
In der Studienzeit wird alles gelassener angegangen, dachte ich mir. Es ist nun wirklich nicht mehr notwendig ein Gelage am Wochenende zu veranstalten, dachte ich mir. Ich muss ja nichts mehr ausgleichen, dachte ich mir. Studenten können eh nichts ab, dachte ich mir.
Heute denke ich, ich würde mich vor den richtigen Leuten lächerlich machen, wenn ich behaupten würde, die „Sturm und Drang Zeit“ sei endgültig vorbei.
Deshalb nenne ich es vorsichtshalber die „Wind und Bedürfnis Zeit“, was sich hoffentlich nie durchsetzen wird.
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