Samstag, 5. September 2009

Hohe Erwartungen

"Manche Erwartungen möchte ich einfach nicht erfüllen" Dendemann

"Nach dem Goldrauch
Gehe ich schlafen in meinem Bett aus Eis
Mit dem Wissen, dass ich gar nichts weiß
Mit dem Wissen, dass ich nichts kann
Ich bin ein Thomas und kein Thomas Mann" Fotos


In den Wochen, in denen ich mein Diplom schrieb, kam das Thema verschärft auf. Ich saß mit den anderen Diplomanten im PC Raum, wir zitierten aus Büchern, Zeichneten, spielten Slide-a-Lama und redeten über Arbeitsmärkte und Gehaltsgruppen. Mein Lieblingssatz zu dem Thema war: „Ich brauch keinen Arbeitsmarkt, sondern einen Arbeitsplatz.“ Da fiel den anderen nichts mehr zu ein. Mir selbst auch nicht.

Karriere und Geldverdienen, diese beiden Worte waren zu der Zeit omnipräsent. Auch meine Altersgenossen waren schon lange Gesellen oder beendeten gerade ihr Studium oder begannen eines, sodass das Thema immer aktuell blieb. Man vergleicht sich mit den anderen und die anderen vergleichen sich mit dir. Ständig. Nun ist es so, dass nirgends (außer im Bett vielleicht) soviel gelogen wird wie bei den beruflichen Angaben. Alles wird interessanter gemacht als es in Wirklichkeit ist.

Nun ist es so, dass nicht alle die perfekte Arbeitsstelle, mit super Kollegen, Dienstwagen, übertariflichen Gehältern, in der schönsten Stadt finden können. Die, die eine Arbeit fanden, haben mir aber immer genau das erzählt. Klar ist das verdächtig und man entschließt sich meist dazu ebenfalls zu lügen, anstatt ihnen das Bewusstsein für ihre Umgebung abzusprechen. Ich gebe es zu, ich fühlte auch schon eine gewaltige innere Zufriedenheit, als ich auf jemanden traf, der gnadenlos auf dem Arbeitsmarkt gescheitert ist. Da lügt mal einer nicht und wird von mir mit einem „was du brauchst ist kein Arbeitsmarkt, was du brauchst ist ein Arbeitsplatz“ abgefertigt. Nach dieser Erfahrung entschloss ich mich bei dem Karriereding nicht mehr mitzumachen. Das ist doch pervers.
Der größte Druck geht seitdem von mir selber aus. Den kann ich wenigstens einschätzen. Druck / Zeit < 1 schrieb ich in mein Notizbuch.

Seit dem Moment, in dem ich mich dazu entschlossen habe, meine derzeitige Arbeit als Job anzusehen, ist der Druck nicht weg, aber ich habe eine Ahnung davon bekommen wie Alternativen zu dem Modell Jung - Dynamisch – Erfolgreich aussehen könnten. Der Witz an der Sache ist, seitdem ich Ingenieur bin, reden plötzlich Frauen mit mir, die mich vorher nicht mal mit dem Arsch angeschaut haben. Das bilde ich mir auch ganz bestimmt nicht ein. Das gute, alte Klischee. Heimlich nenne ich diese Frauen Cora Schumacher.
Sie holen oft die Themen Karriere und Geldverdienen wieder hervor. Da mir diese Frauen ja egal sein können, übertreibe ich maßlos in den Gesprächen. Das Wort Reichtum fiel auch schon mal. Man kann es bei denen gar nicht auf die Spitze treiben. Der Satz „Ich bin es ja eigentlich gewohnt, dass Frauen mir teure Geschenke machen, aber bei Dir bin ich bereit eine Ausnahme zu machen“ wurde entweder völlig überhört oder als wohlgesinnte Geste gesehen.

Zum Glück gibt es genug Frauen, die mich schon vorher beachteten und vielleicht sogar achteten. Freundinnen nenne ich die dann. Den konnte ich die Sache mit dem „ein Job ist ein Job“ gut vermitteln. Obgleich sie mich vermutlich am liebsten am Kragen packen und mir unter Ohrfeigen eintrichtern würden, dass man so nicht durch das Leben kommt und außerdem wurde der Freund der Jaqueline schon wieder befördert. Nur so, ganz nebenbei.

So schwer es auch ist Frauen im heiratsfähigen Alter zu erklären, Geld allein mache nicht glücklich, noch schwerer ist es bei deren Eltern. Der Vater fragt bei jedem Besuch: „was macht die Arbeit, die Karriere, das Büro?“ Dem kannste ja schlecht sagen: „Läuft, ist ein netter Job, hält mich am kacken und Kino ist auch hin und wieder drin.“
Jetzt ist es so, dass man bei der Frage nach der Arbeitssituation nicht eine Sekunde mit der Antwort zögern darf, sonst hagelt es gut gemeinte Ratschläge.

„Junge, du musst ins Ausland gehen, da sind die gutbezahlten Arbeitsplätze.
Hier, der Nachbarsjunge hat die Fluglotsenschule mit eins abgeschlossen. Es ist schon schwer genug da überhaupt ranzukommen, die nehmen nur die Besten. Der kann sich den Arbeitsplatz aussuchen, der macht seinen Weg“

Fakt 1: Ich soll ins Ausland abgeschoben werden

Fakt 2: Ich soll durch einen Fluglotsen ersetzt werden

Fakt 3: Wenn mir das egal sein kann, bin ich da angelangt, wo keine Karriereleiter hinführt

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