Freitag, 2. Juli 2010

Die Wohnungen der anderen Teil I

"Für manch ein Mieter hats sich nie gelohnt
es wird kein Heim wo keine Liebe wohnt" Dendemann

Mein Job bringt es mit sich, dass ich hin und wieder in die Wohnungen von Privatpersonen einsteigen muss. Natürlich alles mit Termin und freundlichem Lächeln und so weiter.
Wer bei uns mietet ist entweder Hausmeister, durch das soziale Raster gerauscht oder nimmt bewilligend einige Unzulänglichkeiten an der Immobilie in Kauf. Bremen ist schon so ein kleines Königreich. Mit anderen Worten ich treffe in meinem Alltag nicht selten auf Extremfälle.

Einen Vorwurf kann man Niemanden machen, will ich auch gar nicht. Besonders die älteren Herrschaften, bei denen unsere Finanzabteilung gerne auf die natürliche Fluktuation setzt, stehen oft mittellos da und haben sich mehr oder weniger mit ihrer Situation abgefunden, bzw. kennen keinen Anspruch. Oft haben sich diese Menschen schon aufgegeben, sind verwitwet und geben sich keine Mühe mehr nach außen hin irgendetwas darzustellen, das sie nicht sind. Für wen auch?
Ihr Verhalten wird intern gerne als verloddert, oder etwas freundlicher ausgedrückt, als eigenwillig verschrien. Ich hingegen habe da volles Verständnis für. Na gut, einige Eigenwilligkeiten, gerade von den Damen jenseits jeglicher relevanten Zielgruppen, kann ich nur schwer nachvollziehen. Da wäre zum Beispiel die Sammelwut. Damit meine ich kein Messi-Verhalten, wie jemand der auf dem Hinterhof Übersteiger exerziert, genauer meine ich damit das Anhäufen von Puppen oder Werkzeug. Mittlerweile wetten wir vor jeder Begehung, hinter welcher Tür sich das Puppenzimmer der Omi oder die Werkstatt des Opis versteckt. Werkzeug: ok, aber Puppen? Die Dinger waren schon vor Chucky gruselig und ein ganzes Zimmer voll davon kann bei sensiblen Menschen Traumata auslösen. Das verfehlt den eh schon schwer nachvollziehbaren dekorativen Effekt jawohl völlig.
Man stelle sich mal vor, die hätten alle Namen und einen persönlichen Bezug. Woher kommt eine solche Leidenschaft?
Bisher waren alle Oldies nett. Ich habe auch kein Problem damit, mir Kriegsgeschichten anzuhören. Gerne auch zweimal hintereinander, in Bremen sprechen ja fast alle angenehm dialektfrei. Vielmehr tut es mir leid nichts an ihrer rudimentären Wohnsituation ändern zu können, insofern sie das überhaupt wollen.

Das genaue Gegenteil sind die jungen Menschen, die mit dem sozialen Raster. Jedes Mal beim betreten einer dieser Wohnungen, beschleicht mich das Gefühl, die Wände wurden um den Plasma Fernseher herumgemauert. Ein Jugendlicher, nennen wir ihn Kevin, angelehnt an den Film Kevin allein zu Haus, hat den Vogel abgeschossen. Sein Bruder und gleichzeitig Nachbar hatte uns die Wohnung aufgeschlossen. Kevin sollte später nachkommen. Anhand des Nachnamens war uns von vornherein klar, dass hier einer auf den Koran schwört. In der Regel sind gerade diese Wohnungen aufgeräumt. Man erkennt halt, dass zumindest ein Familienmitglied 24 Stunden am Tag den Haushalt führt.
Anders bei Kevin. Er wohnte zwar bei seiner Mutti, nur waren die Eltern gerade im Urlaub. Scheinbar schon seit längerem.
Optisches Highlight war die Treppe. Auf jeder Stufe stand jeweils ein Paar Nike Air. Geputzt.
Die Küche war hingegen nicht geputzt. Überall lagen Pizzaschachteln herum, im Ofen wurde die Wäsche getrocknet und das Spülbecken wurde scheinbar zum Schuhe putzen benutzt.
Das Esszimmer wurde zum Poker Room umfunktioniert. Fressalien, Zigarren und Bier standen noch neben dem Pokerkoffer. Im Wohnzimmer war dann auch der erwartete Plasma Fernseher. Davor stand eine Couch mit Decke und davor platziert ein Heizstrahler. Die Wände waren nicht gedämmt und im Winter, den wir zu der Zeit hatten, ist das ziemlich ungenehm. Auf dem Boden lagen etliche Gangster und Jet Li Filme, auf dem Couchtisch eine kleine, sehr sensibel wirkende Waage und ein halbes dutzend abgepackte Tütchen. Habe ich schon erwähnt, dass wir nur bei terminlicher Absprache zu Besuch kommen? Der Großteil stellt netterweise seine Peinlichkeiten vorübergehend in den Schrank oder sonst wohin.
Die Rede ist von Marihuana. Für ganz dumme ist auf den Tütchen noch ein Hanfblatt abgebildet. Ob er dealt oder wie wir alle einfach nicht gerne beschissen wird, bleibt unklar und war mir auch völlig egal.

Der zweite Stock lieferte uns Kevins Zimmer. Bereits auf dem Flur kamen uns Stapel von Klamotten entgegen. Boss, Diesel, Hilfiger. Ich kenne mich nicht genügend aus um zu sagen ob die alle echt waren oder ob die Eltern die aus dem Türkei Urlaub mitgebracht hatten. Gefälschte Markenklamotten: ja, Steine: nein.
Kevins Zimmertür ging nicht ganz auf. Ein Klamottenberg verweigerte mir den Einlass. Ich musste mich schon reinkämpfen, weshalb meine Kollegin keine Lust hatte nachzukommen. Selber Schuld, so hatte sie das Bräute-Kabinett verpasst. Die Wände hingen voll von namenlosen, nackten Amerikanerinnen. Als Poster, natürlich. Ein Regal, ausgestattet mit einer beeindruckenden Pornosammlung, bedeckte das letzte freie Stück Tapete. Reizüberflutung, zum Glück war das Zimmer nicht besonders groß. Das Schlafzimmer der Eltern war der einzige Raum, in dem ich beim durchqueren nicht auf meine Füße achten musste, dafür stieß ich mir den Kopf an.
Wenn mal keine Pornographie, dann eben Slapstick. Kevin kam nach Hause, allein, und entschuldigte sich mehrmals bei uns für die Unordnung. Jaja, egal. Nach außen hin schien der Typ wie einer der gerne irgendwo öffentlich abhängt. Chillen und so. Er hatte Nike Air an, eine And1 Hose, ein Ed Hardy Shirt und ein buntes Trucker Cap, schief auf den Kopf drapiert. Vom Beruf bestimmt Blogger. Solche Typen scheinen ausschließlich in ihr Image zu investieren. Mein Vater würde uns jetzt über einen Kamm scheren und Luxus-Penner dazu sagen.

2 Kommentare:

  1. Cool, Du bist zurück! :)

    Und coole Story, kann ich mir sehr gut vorstellen...

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  2. Hallo. Ein typischer Lückenfüllertext, aber danke. Die anderen beiden Texte aus diesem Monat sind ebenfalls neu.

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