In Göttingen angekommen sind es nur noch fünf Minuten zu Fuß und wir stehen vor einem alten Sandstein gefertigtem Haus. Nette Bude. Ich schmeiße meinen Schlafsack in die Ecke und das Gastgeschenk in den Kühlschrank. Es gibt belegte Stullen und drei Flaschen Havanna Club sehe ich auch. Das geht schon mal. Außer uns sind ansonsten nur noch Studenten auf der Party, was ja auch einen Sinn ergibt. Aber versammelte Studenten sind nur schwer zu ertragen. Von deren Aussehen, über die Sprache, bis hin zum Trinkverhalten… alles doch sehr verhalten. Wenn Jemand sagt, die Studentenzeit war die beste Zeit seines Lebens, dann frage ich mich immer was derjenige vorher und nachher gemacht hat.
Auf einem Pappplakat konnte man sich verewigen. Als ich was schreiben will sind bereits zwei Starschnitts von zwei, weniger Star, Schnitten aufgemalt. Inspiriert von „Mr. Bitch Power“ Rick James, schreibe ich in eine Sprechblase „I´m a Bitch, Rick James!“ hinein. Kracher. Kurz darauf reißt einer der mir unbekannten Mitbewohner das Plakat von der Wand. Ob der auch für den Professor die Tafel wischt? Die Karikaturartige Zeichnung sollte seine Freundin darstellen. Na und? Und die ist Russin könnte das falsch verstehen! Mit anderen Worten: sie kennt Rick James nicht. Wir schauen uns betroffen an, als ob jeder das gleiche denkt: Vor Katalogfrauen sollte man lieber keine Schwächen zeigen! Nachdem der Typ fertig ist mit lächerlich machen, hängen wir eine neues Pappplakat auf.
Es kommt zum ersten Sachschaden. Ich und eine Bekannte zerlegen einen Küchenstuhl. Zugegeben, ich wollte wissen, ob das durch das Verlagern unseres Körpergewichts geht. Es ging. Im Verlauf der Party nervt mich ein Langweiler mit einem Vortrag. Er dachte, er müsse auf einer Party, in einer Küche eine Gastvorlesung über Empathie halten. Ich flüchte in ein anderes Zimmer, dort liegt mein Cousin auf dem Sofa und verblutet gerade. Hä, was ist denn hier passiert. Der Notarzt kommt. „Wenn ich wieder aus dem Krankenhaus da bin, reden wir weiter Heise!“ ja gerne. Was ist passiert? Bei der Bescheuertesten Art zu tanzen, dem Pogo, ist er durch eine Glastür geflogen.
Irgendwann ist er verarztet zurück, wir sitzen auf dem Sofa und hören lautstark Led Zeppelin und den Wu-Tang Clan. Der Tutor aus der Küche ist mir ins Wohnzimmer gefolgt und lamentiert wieder. Bis der Besitzer der Glasscherben auf dem Fußboden lauter als die Musik wird und ruft: „Dich kenne ich, Dich kenne ich, Dich kenne ich nicht, Dich kenne ich und Dich kenne ich. Die, die ich aufgezählt habe und ich nicht kenne sollten sich verpissen. Meine Scheibe ist kaputt!“ Der Tutor macht zum ersten Mal in seinem Leben eine Inventur und kommt auf fünf gegen einen. Selbst diese deutliche Situation muss er noch mit einem, ich glaube ich bin hier nicht mehr willkommen, kommentieren und geht endlich.
Ich kann kaum schlafen. Sechs von fünfzehn sind übriggeblieben. Wir gehen zum Bahnhof. Es ist jetzt circa 10 Uhr. Bei Burger King wollten wir schnell noch etwas frühstücken. Einer von uns hat eine lieblos zugeschraubte 2 Liter Cola Flasche mitgenommen. Wir werden kurz darauf hingewiesen, dass es verboten sei mitgebrachte Getränke zu verzehren. Es trinkt ja keiner. Es mag ein Klischee sein, aber hinter diesem Burger King Tresen standen wirklich fast nur Türken oder meinetwegen Südländer. Ein Tablett fällt herunter, es wird wieder aufgehoben…
Als wir gehen wollten, fällt die fast volle 2 Liter Colaflasche herunter, schlägt einmal auf und rast aufgrund des Überdrucks aus den Burger King in die Mitte des Bahnhofes und hinterlässt einen reißenden Cola Fluss. Letztendlich dreht sich die Flasche im Kreis und kommt zum erliegen. Wow, unsere Augen leuchten. Eine Talk Show Türkin regt sich auf. „ALTER, seid ihr Kindergarten oder was? Wie Kindergarten. Das musst du aufheben! EY!“ Mit den Händen aufschöpfen oder was? Kindergarten ruft jetzt auch ihr Landsmann mit dem lächerlichen BK Hut auf. Es ist wie in dem Film „Die Brücke“ da konnten die Amerikaner nur das Wort Kindergarten und was ist passiert?
Wir gehen. Auf dem Bahnsteig fällt mir auf, dass ich meinen Schlafsack im Burger King habe liegenlassen. Shit. Jetzt noch mal zurück? Ich muss ja. Der Schlafsack liegt leblos im Bahnhof rum. Der Angry Whopper ruft noch mal Kindergarten und ich frage ihn, ob wir nicht die Justiz von Antalya dazu holen wollen, dann dauert das hier aber noch 10 Wochen. Servicewüste.
Ich steige in die Bahn und komme irgendwann zu Hause an. Total erledigt.