Mittwoch, 23. Mai 2012

Der Profimensch

„Und ich würde das gerne schön finden
und ich wäre so gern ein Ästhet
Doch ich sehe das alles ganz anders,
als die Freunde der Realität“ Funny van Dannen

Zum Profifußballer langt es bei mir wohl leider nicht. Mehr. Vermutlich bin ich zu teuer und gleichzeitig schlecht vermarktbar. Aber mir bleibt ja noch die Möglichkeit ein Profimensch zu werden. Profi- nicht Gutmensch. Bisher trieb ich mich mit den ganzen Amateurmenschen herum und hatte gewaltigen Spaß dabei, nur war die Entlohnung beschissen. Nun also Profimensch. Was braucht es dazu? Außer einem Elfenbeinturm, nicht viel!

Im Internet fand ich folgende Anleitung:

In der Hierarchie Mensch werden die Talente nach unten hin großzügiger verteilt, weil der Amateur auf sein Talent angewiesen ist. Der bei Amateuren beliebte Satz, man muss alles können, erweckt in einem Vollprofi nichts als Mitleid, Ekel und Verachtung. Der Satz impliziert, dass derjenige sich im Leben mühsam durchschlagen muss. Mit der Belastbarkeit ist es dasselbe. Hat der keine Freunde? Weiß der nicht was er bei Google eingeben muss? Oder am traurigsten, weiß der nicht was gut ist? Denn der große Vorteil, den das Profidasein mit sich bringt, ist der Luxus der absoluten Unabhängigkeit von jeglichem Talent und Engagement.

Vorweg. Es bringt dir gar nichts ein Profileben zu führen, wenn du dich nicht ständig nach unten hin vergleichst. Denk nicht an dich, denk daran, wie dich die anderen wahrnehmen. Es geht nicht darum alles richtig zu machen, sondern das zu lassen, was die Amateure falsch machen. Halte dich einfach an die etablierten, gesellschaftlichen Konventionen. So kommst du nicht in Verlegenheit dich erklären zu müssen. Deine Überzeugungen stehen quasi bereits ausformuliert auf Zigarettenschachteln. Die offenkundigsten Prinzipien lauten: trinke keinen Alkohol, der macht dumm. Kein Fernsehen. Fernsehen macht dumme Menschen dümmer, dein Einsatz ist vielleicht gering, aber das damit verbundene Risiko steht in keinem Verhältnis. Dann lieber einen Rosé zum Essen. Und natürlich nicht Rauchen.
Die Maxime ist ganz einfach, die Meinungen eines Profis muss man irgendwo nachlesen können. So muss er nie selber Eindrücke gewinnen. Wie soll das auch gehen? Wie gewinnt man denn Eindrücke? Das Verhalten, das Aussehen, Meinungen, im Grunde ist alles vordeklariert.

Um das alles besser nachvollziehen zu können, ein kurzes Beispiel aus dem Bereich der Ernährung. Bio und Frisch ist besser als der ganze andere Dosenscheiß aus Tüten oder ausgebeuteten Entwicklungsländern. Tiefkühlfächer, Instand Produkte, Vorgemahlene Gewürze, Discounter, Homogenisiertes, Ketchup, das ist alles was für Amateure. Solche fundierten Profi/Amateur, Gut/Böse Vergleiche sind allgegenwärtig und möchten erkannt und diskutiert werden. Hast du das verinnerlicht, kannst du ruhigen Gewissens außer Haus essen. Bevorzugt teuer.
Das ist nämlich die disziplinarische Grundeinstellung auf dem Weg zum Profi. Es geht nicht darum, ob du es verstehst, hast oder kannst, sondern wie es aussehen würde, verstündest, hättest oder könntest du es. Nur darauf kommt es an. Engagement ist nicht gefragt.

Gleichwohl gehört Produktivität zum markantesten Merkmal eines jeden Profimenschen. Auch hier gilt, nicht machen, sondern, was würde ich machen, könnte ich es. Und planen kann man schließlich alles. Das beginnt bereits damit, dass ein Profimensch sich nicht mit einem unproduktiven „Tschüss“ verabschiedet, sondern mit einem viel effektiveren „Bis bald“. Gestandene Profis benutzen sogar ein nonchalantes „Bis morgen“. Damit wirklich zu überzeugen, wäre für den Anfang aber zu viel verlangt.

Denn die anspruchvollste Herausforderung kommt erst noch. Das Abstumpfen. Es ist deshalb so anspruchsvoll, weil du gleichzeitig deine Ecken und Kanten abrunden musst. Klingt zwar widersprüchlich, davon darfst du dich aber nicht abschrecken lassen. Deine Bescheidenheit, Natürlichkeit, oder sonstige Gewohnheiten, die dich bisher ausmachten, aufzugeben und in den Habitus eines Profis hineinzuwachsen, ist eine gewaltige innere Hürde. Du musst den Anker deines Hedonismus einholen und dich vom Mainstream treiben lassen. Das schwierige daran ist, die letzten Jahrzehnte, und den damit verbundenen, missgebildeten Charakter, einfach mal so als eine Phase abzutun. Schwierig, schwierig, das benötigt viel Einsicht. Das Beste ist natürlich, es kommt erst gar nicht zu dieser inneren Zerrissenheit, indem du dir nie etwas zu Eigen gemacht hast.

Allzu vorbelastete Kandidaten scheitern an dieser Hürde. Aber solange es Menschen gibt, die es schaffen ihre Fantreue aufzugeben oder ihrem Hund immer ähnlicher zu sehen, besteht weiterhin Hoffnung. Übe am besten folgende Sätze vor dem Spiegel ein, hundertzwanzig Wiederholungen, dreimal in der Woche, dreißig Monate lang, bis du sie im Schlaf beherrscht: Geld kann man gar nicht genug haben. Enden ist besser als wenden. Umso größer die Bäume, desto kleiner die Menschen. Ich habe Kleider so gern. 24 Stunden sind nicht genug. Die 70er sind das goldene Zeitalter. Wo die Reinlichkeit am größten, ist Fords Hilfe dir am nächsten. Was für die Frau das Make up, ist für den Mann der Anzug. Vinyl ist schwarzes Gold. Je mehr Nähte, desto mehr Nöte. Meine Pläne stehen.

Nachdem das sitzt, ist der Rest nur noch ein etwas intensiverer Einkaufsbummel. Du kaufst oder leihst dir die Hingabe, Leidenschaft und Interessen anderer, bzw. deren Endprodukte. Alles was irgendwann mal Menschen an Energie, ob durch ihre Kreativität, Teilnahme oder sonstige Beiträge, aufgebracht haben, um ihre Subkultur oder Kunst ins allgemeine Interesse zurücken, kannst du dir heute auf einfachsten Wege einverleiben. So musst du dich nie wirklich einbringen oder einen Bezug zu den Dingen herstellen und bleibst schön stromlinienförmig.

Trage, was du gerne wärst. Höre, was die Jahrzehnte überdauert hat. Lese, was Kult ist. Schaue, was du nicht verstehst. Wähle denjenigen, der gewinnen wird und vor allem, mache dir keine Gedanken, alles steht irgendwo für dich bereit.



von Fiva MC gibt es eine sehr weibliche Sicht auf das Thema

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