"Do you remember the time?" Michael Jackson
Freitag, 26. Juni 2009
Wie jeden Werktag springt mein CD/Radiowecker auch heute um 6 Uhr an. Wirklich wecken muss er mich nicht mehr, sonst wäre es auch quatsch die Weckzeit auf eine volle Stunde zu stellen, wie zum Beispiel 6 Uhr. Eine Zeit in der garantiert immer Nachrichten laufen, die einen meist nicht zu wecken vermögen. Im Gegenteil. Ich nutze das Radio nur noch um Abends beim Lesen ein wenig Hintergrundgeplänkel zu haben.
„Bremen 4, die Nachrichten. Michael Jackson ist tot. Oldenburg gewinnt die Basketballmeisterschaften. 80 Prozent Regenwahrscheinlichkeit.“
Da war es! Normalerweise drücke ich mindestens 6-mal auf die „Schlummertaste“, bevor ich wirklich aufstehe. Dieses Mal machte ich das Radio direkt aus. Nach der Hiobsbotschaft hockte ich auf der Bettkante und zwang mich dazu irgendetwas zu empfinden, von dem ich irgendwann mal stolz berichten könnte. Nichts, alles leer. Ich war weder betroffen, noch überrascht oder erleichtert. Mein Gefühl passte zum sachlichen Ton des Nachrichtensprechers.
Mit dem Musiker Jackson habe ich schon länger abgeschlossen. Für mich war Michael ab dem Tag in Rente gegangen, an dem er die Song-Angebote der Neptunes abgelehnt hatte. Justin Timberlake war die hörbar bessere Alternative gewesen. Zum Glück war das so. Seit diesem Moment habe ich gehofft, dass der Mensch Michael Jackson eine Ahnung davon bekommen hat, wie man in Würde altert und er von der großen Bühne abtreten möchte. Alle Comeback Gerüchte waren halt nur Gerüchte und die 50 Shows in London hätte er eh nie gespielt, so meine Meinung. Das lässt sich jetzt leicht sagen.
Ich setzte mich vor den Fernseher und schaute das Sat 1 Frühstücksfernsehen. Es waren die ersten bewegten Bilder, die ich sah und so blieb ich bei dem Sender. Woran er gestorben ist, konnte ich mir denken. Bei dem Leben. Eine Kerze, die von beiden Seiten brennt. Ein schwules Moderator-Maskottchen, das zu einer Frühstücksendung gehört, wie der gute Laune Köter, tut so, als wäre er seit Lebzeiten mit dem King of Pop per Du gewesen. Er fuchtelte aufgeregt mit seinen Knickhänden vor der Kamera rum und plauderte aus dem Nähkästchen. Er degradierte den wohl einflussreichsten Menschen in meinem Leben zu Klatsch und Tratsch. Die Bilder von Michael waren aber klasse. Außerdem hat das Programm eine kleine Uhr am Bildschirmrand, also blieb ich dran.
Auf einen renommierten Nachrichtensender zu schalten kam mir nicht in den Sinn. Ich frühstückte und alles fühlte sich erschreckend normal an. Auf dem Weg zur Arbeit bildete ich mir ein, die Straßenbahn sei leerer als sonst und die Straßen sowieso. Anstatt produktiv zu arbeiten, schrieb ich einen Nachruf in den Blog und las im Internet Zeitung. Am Kiosk war das einzige Blatt mit einer Titelstory über MJs Tod die Bildzeitung. Darauf konnte ich verzichten.
Um 11 Uhr hatte ich einen Termin bei einem Designer im Steintor Viertel. Thema sollte dessen Wohnung sein, vorüber wir eigentlich reden würden, war mir vorher klar. In der Bahn unterhielten sich ein paar Franzosen. Ich verstand nur zwei Wörter: Billie und Jean. Der Designer war barfuss als er mir die Tür öffnete. Zum Glück erlaubte er mir ausnahmsweise meine Schuhe anzubehalten. Wir gingen in seine „kleine Oase“ wie er es nannte und setzten uns auf teuer aussehende Stühle. Ich redete den üblichen Smalltalk runter, während er sich eine Zigarette drehte und mich anschielte.
Er: „Ich will Dich nicht ablenken, aber glaubst Du, Michael Jackson ist wirklich gestorben? Ich glaube das nicht. Es ist wie bei Falko, da haben die das auch alle vermutet.“
Ich: „Möglich wäre es natürlich. Ein schöner Gedanke, Michael irgendwo auf einer Südsee Insel, das erste Mal seit 40 Jahren wirklich wieder in Frieden und glücklich.“
Er: „Und mit dem Ausverkauf der jetzt folgen wird auch finanzierbar. So eine Leiche ist doch schnell manipuliert oder einfach verschwunden. Wie damals bei Falko.“
Was hatte der denn immer mit Falko? Ich finde es viel schlimmer, dass so Unsinnspersonen wie Britney Spears, Pete Doherty und Amy Winehouse immer noch weiter machen dürfen. Dabei war Michael noch nicht einmal ein richtiger Junkie.
Das ist dann jetzt wohl die Trotzphase, dachte ich. Im Büro hörte ich meinen eigenen Radiosender. So konnte ich den stündlich neuen Gerüchten aus dem Weg gehen und wurde nicht ausschließlich mit Jackson Songs beschallt.
Die Kollegen im Büro schienen den Verlust mit wenig gelungenen Stand up Einlagen kompensieren zu wollen.
„Ob der beerdigt wird oder kommt der in den Sondermüll?“
„Habt ihr schon gehört, Michael Jacksons Nase ist bei eBay drin.“
Wenn man mal darüber nachdenkt, dann könnte meine Generation die interessantesten Zeitzeugen der Geschichte hervorbringen. Mauerfall, Weltmeister, Millennium, 11. September, Weltwirtschaftskrise, Barack Obama, Michael Jacksons Tod, Lost Serienfinale, wieder Weltmeister und das Ende des Maya Kalenders im Jahre 2012 kann ebenfalls spektakulär werden… Sie könnte aber auch als die dusseligste Generation in die Geschichtsbücher eingehen.
Am Abend schaute ich nach, wie die anderen im Internet so reagierten. Ich schrieb jedem einen bedeutungsschwangeren Songtitel auf die virtuelle Pinnwand. Paul kam vorbei und wir schauten ablenkungsreiche DVDs. Auf 3 Sat kamen bis in die tiefe Nacht alle Michael Jackson Videos. Die Beste Reaktion eines Fernsehsenders überhaupt. Mal nicht quatschen, sondern abliefern.
Die stündlich aktualisierten Amazon Charts zeigten das dumme Verhalten derer, die scheinbar etwas ganz großes erst dann erkennen, wenn es vorbei ist. Platz 1 bis 14 gingen an den toten King of Pop. Auf Platz 26 tauchte er noch mal mit Dangerous auf und die Vinyl Version von Bad kam auf Platz 40. Da war er, der angekündigte Hype und er sollte noch lange bleiben.
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