Die erwähnten Monate Januar und Februar gehören zu dem Jahr
2010, genauer zu einem Jahresrückblick, der nie veröffentlicht wurde. Wie so vieles. Fünf Jahre später ist eine gute Reifezeit. Alleine schon um zu sehen was sich geändert hat, bzw. noch
besser geworden ist. Vorsicht: privater
Content!
Januar 2010
Geschlafen hatte ich kaum, als ich die spartanisch
dekorierte Doppelgarage verließ. Irgendwo unter einem Spannbezug lagen noch
Reste von Martin und Mo, die anderen Verbliebenen erkannte ich nicht in ihren Verkleidungen.
Zum Tschüß sagen reichte es aber noch. Ich aß die Reste vom Buffet,
das iPhone hing am Ladegerät. Die Silvester Party mit dem Motto 70er, zu der
ich spontan mitgenommen wurde, war eher überschaubar und so gar nicht groovy.
Das Gute, es fand in Eystrup statt. Eystrup hat nicht viel zu bieten, außer
einem Bahnhof, der schnellste Weg hier raus. Das iPhone zeigte mir den Weg durch
die weiße Landschaft, die Straßenverläufe nur erahnen ließ. Selten war ich
kaputter in ein Jahr gestartet. Wenigstens fuhren die Züge am Neujahr
regelmäßig.
Die Abmachung Lüder in Barcelona zu besuchen, bevor
dieser seine Reise in die USA antrat, wurde mit der Buchung der Flugtickets
besiegelt. Ein guter Anlass sich endlich einen sogenannten Weekender zu kaufen.
Eine lederne Tragetasche mit Handgepäckmaße und viel Stil. Die Reise war
ebenfalls ein guter Anlass meine ersteigerte Canon Eos 500d auszuprobieren. Ach
ja, und Lüder natürlich.
Es sollte mein erster Flug werden, obwohl Fliegen so
günstig geworden ist, dass ich Models, die mit ihren
Rollköfferchen am Bahngleis auf den Zug warten, nicht ernst nehmen kann.Vor kurzem erst gesehen.
Fliegen löst in mir Unbehagen aus. Ich möchte nicht von
einer massiven Flugangst sprechen, es ist eher der Gedanke die Kontrolle, sein
Leben und den neu erworbenen Weekender in die Hände eines vermutlich übermüdeten
Piloten zu legen. Wo sollte denn auch so plötzlich das Vertrauen in den Menschen
herkommen?
Mit mir flog Linus. Christoph war bei unserer Ankunft
bereits Vorort. Wir hausten zu viert in Lüders Junggesellenbude. Zum Glück kam während
der Zeit keine angestrengte Touristenhaltung auf. Ich interessierte mich nur
nebensächlich für die Geschichte und gar nicht für die Menschen dieser Stadt.
Wenn Lüder etwas zu den Auffälligkeiten der Stadt erwähnen wollte, dann tat er das und wenn nicht, dann konnte
man sich gut selbst ein Bild machen. Im Grunde tranken wir die ganze Zeit und
spielten Karten oder Fifa auf der Xbox 360. Mehr aus einer Geste heraus aßen wir am
angrenzenden Meer einen fragilen Borito, ärgerten uns etwas über die
ausbleibenden Senioritas, trotz 19°C, streiften durch die Touristen Bars, gingen zum Spar Markt, tranken wieder und spielten
Karten. Alles easy und entspannt. Nicht deutsche Städte haben ja grundsätzlich einen Sympathievorsprung, so auch Barcelona. Aber hier leben, nein danke. Der Einblick hat mir gut
gefallen und ich denke auch das richtig eingeschätzt zu haben.
Zum zweiten Mal in meinem Leben habe ich den großen FC
Bayern live im Stadion gesehen. Das erste Mal zählt nicht, da war ich zehn
Jahre oder so alt. Hardcore "Fans" werden mir vehement widersprechen, aber ich weiß wirklich nichts mehr vom Spiel, was soll ich da behaupten? ich hätte bereits mit zehn Jahren die Bayern spielen sehen? Ribery und Robben kamen nach Bremen. Das Spiel endete 2:3 für die Bayern und mit ein paar blauen Flecken für mich.
Ich meldete mich bei Twitter und im Fitnessstudio an.
Ersteres habe ich direkt wieder aufgegeben, bei der Fitness bin ich geblieben.
Das Ziel lautete abnehmen und Kondition pumpen. Mein geschundener Rücken sollte
den Belastungen Bürojob und dritte Kreisklasse standhalten. Der Wechsel zu
einem neuen Fußballverein und der damit verbundene Versuch auf dem Rasen wieder
eine gute Figur abzugeben, war die Triebfeder.
Februar 2010
Ein Abnehmcontest unter Bloggern animierte mich
zusätzlich. Ständige Rücksprache mit erfahrenen, sportlichen Menschen, ließ
mich mein Abnehmmanifest formulieren. Ich hatte mir sprichwörtlich die Butter
vom Brot nehmen lassen. Es sollte eine dauerhafte Lösung her, ein Umdenken.
Die Nachrichten vermeldeten einen Rekordwinter. Seit
dreißig Jahren war es nicht mehr so anhaltend kalt. Matsch auf den Straßen, Sand
als Streusalzersatz, weißer Winter war in meinen Erinnerungen etwas anderes.
Das ist doch kein Winter. Winter ist in Russland, kommentierte Sönke das Wetter.
Hin und wieder ertappte ich mich dabei, wie ich ein Gespräch auf Barcelona
lenkte, dabei die Tappas oder den Thunfisch erwähnte. Selbst wenn wir uns über etwas wichtiges wie
resignierte Jugendliche lustig machten, setzte ich mit meinen Auslandserfahrungen
noch einen drauf. Ganz schlechte Eigenschaft. Es störte zum Glück niemanden.
Die ersten Partys und Geburtstage standen an. Würde ich
jede Einladung zum "in Gesellschaft betrunken sein" annehmen, wäre ich jedes
Wochenende in Gesellschaft. Und betrunken. Wir versuchten es mit einem Spieleabend in der alten Jägerhütte am Strand. So
richtig bekamen wir es nicht hin. Das Regelwerk wurde in Laufe des Abends zu kompliziert, gerade das vermeidlich simple Spiel Jenga und selbstgebrannter Schnaps vertragen
sich nicht gut. Wir schossen Silvesterraketen in die Luft, freuten uns kurz und gingen
nach Hause. Es war sehr kalt.
Element of Crime spielten in Bremen. Bereits letztes Jahr
habe ich damit begonnen alleine auf Konzerte zu gehen. Das ständige Anfragen,
ob jemand, der denselben Musikgeschmack teilt, es mit mir ein paar Stunden
aushält, dazu in der Woche nach Bremen kommen möchte und das alles unter
Zeitdruck, hat schnell etwas von Verzweiflung. Das Konzert war großartig. Zwischen den ganzen pathetischen Liedern, schrieb ich eine SMS. Ich
hatte irgendwann mal ihre Nummer bekommen, für den Notfall, falls ich ihrer Wegbeschreibung nicht hätte folgen können. Ironischerweise lag sie damals schon mit ihrer
Einschätzung meines Orientierungssinnes richtig. Ich bin immer da, wo du
nie bist. Ungefähr so lautete der Inhalt meiner, mit wenig Rückrad versendeten,
SMS.
Thilo lud mich nach Hamburg ein. Das am Weihnachtsabend
geplante Treffen mit Thomas und ihm war am Klausurenstress gescheitert.
Studentenausrede Nummer zwei. Studentenausrede Nummer eins ist das Konto.
Stellvertretend schauten Katrin, Thilo und ich uns das Theaterstück zu Sven
Regeners Herr Lehmann an. Eine sehr gelungene Umsetzung. Das Stück entwickelt
gegenüber dem Buch seine ganz eigene Dynamik. Das kann man zwar immer behaupten, aber in diesem Fall stimmte es.
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