Ich kann ja mal erzählen, wie Weihnachten bei uns früher ablief. Vergangenheitsform deshalb, weil vieles mit dem Alter an Magie eingebüßt hat. Vorweg, wir sind eine Kartoffelsalat mit Knackwurst Familie. Das Gericht ist ja so was von unspektakulär, ganz besonders, weil ich es essen musste. Den Satz: Komm, nimm noch eine Wurst, empfand ich damals als eine reine Provokation. Hätte ich den Spruch zu jener Zeit bereits auf der Pfanne gehabt, ich hätte Vaddern zu gerne mal gefragt, was die Knackwurst genießbar macht (A: das n).
Der Kartoffelsalat und die Wasserwurst sind bis heute, wie in so vielen Familien, fester Bestandteil am Heiligabend. Meine Einstellung dazu hat sich jedoch geändert. Heute müssen alle auf mich warten, bis ich restlos aufgegessen habe.
Besinnlichkeit können wir bei uns nicht. Natürlich wird versucht mit Kerzenlicht, Fensterbildern, Kunstschnee und schrecklicher Panflötenmusik eine versöhnliche Atmosphäre zu simulieren, auf Dritte muss das auch so wirken, aber wenn man hautnah den vorangegangenen Aufwand und den dazugehörigen Stress mitbekommen hat, gibt einem das nichts mehr. Die Weihnachtsvorbereitungen waren damals der Horror. Bei einer Saukälte durfte ich Vaddern dabei helfen die Lichterkette an die Giebelseite des Hauses anzunageln. Oft hatte ich dabei nur eine Jogginghose und ein T-Shirt an, weil ich seine beiläufig gestellte Frage, ob ich mal eben mit anfassen könnte, auch genau so interpretiert hatte. Für "mal eben mit anfassen", würde ich mich nicht umzuziehen brauchen, dachte ich jedes Jahr wieder. Es dauerte natürlich ewig bis die Lichterkette an der Wand angebracht war. Aus der Entfernung sollte es wie ein großer Weihnachtsbaum aussehen, also ein nach oben hin spitzes Dreieck bilden. Das hat Vaddern irgendwann mal woanders gesehen und für gut befunden. Recht erbärmlich sah das in meinen Augen aus. Nicht selten wurde der „Baum“ auf dem Schulhof zum Zentrum des Spotts.
Ich stand also in der Kälte, hielt die Leiter fest, fror, reichte Lichterkette nach, peinlichst bemüht, dass die Lampen dabei nicht an die Hauswand schlugen und nachdem dann endlich mal alles fertig war, durfte ich die eine kaputte Lampe suchen, die den gesamten Stromkreis unterbrach. Eine Situation, die soviel Slapstick Potential bot, eigentlich schade dass ich nie etwas daraus gemacht habe.
Schlimmer war nur noch das gemeinsame Keksebacken mit Muddern. Die Maschine, die den Teig in eine lange Sternchenwulst presste, war in einem geschmacklosen 70er Jahre Orange gehalten und lauter als der zweite Weltkrieg. Kennt ihr die Knetpresse von Play Doh? so müsst ihr euch das vorstellen. Nur mit hydraulischer Unterstützung. Trotzdem war es ein Knochenjob den Teig durch die viel zu kleine Öffnung zu drücken. Das Stromkabel teilte, in einem Meter Höhe schwebend, die Küche in zwei Bereiche auf. In dem einen Bereich wurde was getan, in dem anderen rumgeschrien. Meine Mudder war in dem Bereich, in dem rumgeschrien wurde. Eines ihrer Mantren lautete: Finger aus der Teigschüssel. Uns wurde mit Übelkeit und Bauchschmerzen gedroht, bekommen haben wir aber immer nur Schellen. Dass hinterher jedes Mal zuviel Teig übrig war, zumindest an der Schokoladenglasur gemessen, hier herrschte ebenfalls strengstes Naschverbot, durfte auf gar keinen Fall hinterfragt werden. Widerworte kurz vor Weihnachten, das traute selbst ich mir nicht zu.
Die fertigen Teigwürste wurden zu Os und S`s geformt, wobei ich für die Os zuständig war, weil mir kein S zugetraut wurde. Mein Vorschlag etwas Abwechslung ins O-Business zubringen, indem man ein paar Is in die Produktion aufnehmen könnte, wurde mit einem: Mach das Vernünftig, einstimmig abgelehnt. Wenigstens wurde anerkannt, dass das Basteln von Fensterbildern zu weibisch für uns ist.
Die scheiß Sitte vor dem Einlass ins präparierte Wohnzimmer Blockflöte zu spielen, setzte sich aufgrund mangelnden Talentes zum Glück nicht durch. Kein Wunder dass wir den Weihnachtsmann nie zu Gesicht bekamen, bei solch einer grausigen Performance wäre ich auch durch den Schornstein getürmt. Im Wohnzimmer lief wieder Panflötenmusik. Das gute, alte Geschenk aufreißen, ignorieren, nächstes Geschenk aufreißen, in der Hoffnung das Gewünschte sei dabei, wurde irgendwann durch ein langatmiges Würfelspiel ersetzt. Wer eine Sechs würfelte, durfte ein Geschenk auspacken. Ihr könnt euch vorstellen, was das für ein zäher Mist war. Gefreut hat sich eh keiner auf den Kram und wir sind grauenhafte Schauspieler. Ich bekomme seit Jahren regelmäßig Duschgel von Axe. Fehlt nur noch ein Kärtchen mit dem freundlichen Hinweis: Dusch! das Jahr ist um.
Zudem gibt es irgendetwas, dass ich mir nie im Leben gewünscht habe, aber laut Krisenmanagement unbedingt für ein gesellschaftlich anerkanntes Leben benötigt wird. Falls der Nachbar mal durch das Fenster schaut. Eine Sofadecke, Handtücher, eine Armbanduhr, Socken, Unterwäsche, ein Buch mit dem Titel: Richtig Sprech machen, hässliche Pullover von S.Oliver, einen akkubetriebenen Rasierer, halt alles so Dinge, die ich bei Ausbruch eines Krieges gut gebrauchen kann. Meine Geschwister hingegen haben da mehr Glück. Obwohl sie weder Hobbys, noch irgendwelches Talent besitzen, das solche Ausgaben rechtfertigt, sind bei ihnen wenigstens richtige Sachgegenstände dabei. Mir kann man schon mit irgendetwas, das eine Steckdose benötigt, eine Freude machen. Unfair läuft es aber nie ab. Ich bekomme den Gegenwert der Geschenke in selbstgemachten Keksen aufgewogen.
Früher war das anders. Da gab es Transformers, Actionfiguren von den Masters oder Mask, eine ganze Mülltonne voller Legosteine, einen Amiga 500+, einen CD Player, Michael Jacksons History, Super Mario Brothers 3, Das Playmobil Fort, Cowboy Pistolen mit Halfter, eben Dinge von Wert. Früher brachte ja auch noch der Weihnachtsmann die Geschenke.
Allen Lesern einen besinnlichen und lohnenden Heiligabend, wünscht Dein Lieblingsmensch.
Ich denke, ihr habt es euch verdient. Die meisten sehe ich dann später in der Gartenlaube.
Ihr könnt dann ja raten, welches Axe zurzeit aktuell ist!
Der Kartoffelsalat und die Wasserwurst sind bis heute, wie in so vielen Familien, fester Bestandteil am Heiligabend. Meine Einstellung dazu hat sich jedoch geändert. Heute müssen alle auf mich warten, bis ich restlos aufgegessen habe.
Besinnlichkeit können wir bei uns nicht. Natürlich wird versucht mit Kerzenlicht, Fensterbildern, Kunstschnee und schrecklicher Panflötenmusik eine versöhnliche Atmosphäre zu simulieren, auf Dritte muss das auch so wirken, aber wenn man hautnah den vorangegangenen Aufwand und den dazugehörigen Stress mitbekommen hat, gibt einem das nichts mehr. Die Weihnachtsvorbereitungen waren damals der Horror. Bei einer Saukälte durfte ich Vaddern dabei helfen die Lichterkette an die Giebelseite des Hauses anzunageln. Oft hatte ich dabei nur eine Jogginghose und ein T-Shirt an, weil ich seine beiläufig gestellte Frage, ob ich mal eben mit anfassen könnte, auch genau so interpretiert hatte. Für "mal eben mit anfassen", würde ich mich nicht umzuziehen brauchen, dachte ich jedes Jahr wieder. Es dauerte natürlich ewig bis die Lichterkette an der Wand angebracht war. Aus der Entfernung sollte es wie ein großer Weihnachtsbaum aussehen, also ein nach oben hin spitzes Dreieck bilden. Das hat Vaddern irgendwann mal woanders gesehen und für gut befunden. Recht erbärmlich sah das in meinen Augen aus. Nicht selten wurde der „Baum“ auf dem Schulhof zum Zentrum des Spotts.
Ich stand also in der Kälte, hielt die Leiter fest, fror, reichte Lichterkette nach, peinlichst bemüht, dass die Lampen dabei nicht an die Hauswand schlugen und nachdem dann endlich mal alles fertig war, durfte ich die eine kaputte Lampe suchen, die den gesamten Stromkreis unterbrach. Eine Situation, die soviel Slapstick Potential bot, eigentlich schade dass ich nie etwas daraus gemacht habe.
Schlimmer war nur noch das gemeinsame Keksebacken mit Muddern. Die Maschine, die den Teig in eine lange Sternchenwulst presste, war in einem geschmacklosen 70er Jahre Orange gehalten und lauter als der zweite Weltkrieg. Kennt ihr die Knetpresse von Play Doh? so müsst ihr euch das vorstellen. Nur mit hydraulischer Unterstützung. Trotzdem war es ein Knochenjob den Teig durch die viel zu kleine Öffnung zu drücken. Das Stromkabel teilte, in einem Meter Höhe schwebend, die Küche in zwei Bereiche auf. In dem einen Bereich wurde was getan, in dem anderen rumgeschrien. Meine Mudder war in dem Bereich, in dem rumgeschrien wurde. Eines ihrer Mantren lautete: Finger aus der Teigschüssel. Uns wurde mit Übelkeit und Bauchschmerzen gedroht, bekommen haben wir aber immer nur Schellen. Dass hinterher jedes Mal zuviel Teig übrig war, zumindest an der Schokoladenglasur gemessen, hier herrschte ebenfalls strengstes Naschverbot, durfte auf gar keinen Fall hinterfragt werden. Widerworte kurz vor Weihnachten, das traute selbst ich mir nicht zu.
Die fertigen Teigwürste wurden zu Os und S`s geformt, wobei ich für die Os zuständig war, weil mir kein S zugetraut wurde. Mein Vorschlag etwas Abwechslung ins O-Business zubringen, indem man ein paar Is in die Produktion aufnehmen könnte, wurde mit einem: Mach das Vernünftig, einstimmig abgelehnt. Wenigstens wurde anerkannt, dass das Basteln von Fensterbildern zu weibisch für uns ist.
Die scheiß Sitte vor dem Einlass ins präparierte Wohnzimmer Blockflöte zu spielen, setzte sich aufgrund mangelnden Talentes zum Glück nicht durch. Kein Wunder dass wir den Weihnachtsmann nie zu Gesicht bekamen, bei solch einer grausigen Performance wäre ich auch durch den Schornstein getürmt. Im Wohnzimmer lief wieder Panflötenmusik. Das gute, alte Geschenk aufreißen, ignorieren, nächstes Geschenk aufreißen, in der Hoffnung das Gewünschte sei dabei, wurde irgendwann durch ein langatmiges Würfelspiel ersetzt. Wer eine Sechs würfelte, durfte ein Geschenk auspacken. Ihr könnt euch vorstellen, was das für ein zäher Mist war. Gefreut hat sich eh keiner auf den Kram und wir sind grauenhafte Schauspieler. Ich bekomme seit Jahren regelmäßig Duschgel von Axe. Fehlt nur noch ein Kärtchen mit dem freundlichen Hinweis: Dusch! das Jahr ist um.
Zudem gibt es irgendetwas, dass ich mir nie im Leben gewünscht habe, aber laut Krisenmanagement unbedingt für ein gesellschaftlich anerkanntes Leben benötigt wird. Falls der Nachbar mal durch das Fenster schaut. Eine Sofadecke, Handtücher, eine Armbanduhr, Socken, Unterwäsche, ein Buch mit dem Titel: Richtig Sprech machen, hässliche Pullover von S.Oliver, einen akkubetriebenen Rasierer, halt alles so Dinge, die ich bei Ausbruch eines Krieges gut gebrauchen kann. Meine Geschwister hingegen haben da mehr Glück. Obwohl sie weder Hobbys, noch irgendwelches Talent besitzen, das solche Ausgaben rechtfertigt, sind bei ihnen wenigstens richtige Sachgegenstände dabei. Mir kann man schon mit irgendetwas, das eine Steckdose benötigt, eine Freude machen. Unfair läuft es aber nie ab. Ich bekomme den Gegenwert der Geschenke in selbstgemachten Keksen aufgewogen.
Früher war das anders. Da gab es Transformers, Actionfiguren von den Masters oder Mask, eine ganze Mülltonne voller Legosteine, einen Amiga 500+, einen CD Player, Michael Jacksons History, Super Mario Brothers 3, Das Playmobil Fort, Cowboy Pistolen mit Halfter, eben Dinge von Wert. Früher brachte ja auch noch der Weihnachtsmann die Geschenke.
Allen Lesern einen besinnlichen und lohnenden Heiligabend, wünscht Dein Lieblingsmensch.
Ich denke, ihr habt es euch verdient. Die meisten sehe ich dann später in der Gartenlaube.
Ihr könnt dann ja raten, welches Axe zurzeit aktuell ist!
Du Glueckspilz! Unsere fleischwolfaehnliche Spritzgebaeck-Presse war noch von Oma und zum Kurbeln! Aber ich hab da auch meistens nur zugeschaut :)
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