Montag, 5. Dezember 2011

Adventskalender Tür #5

„Ich fahre 120 Schweine nach Beirut
Spontan nahm ich das Angebot von den Roten Nienburgern dem Europa Liga Spiel Hannover gegen Kopenhagen beizuwohnen an. Für lasche 70 Euro waren die Busfahrt nach Kopenhagen und zurück, die Stadionkarte, das Wegbier sowie eine Bockwurst inbegriffen. Ein Schnäppchen, besonders auf die Bockwurst habe ich mich gefreut. Zu dem Zeitpunkt wurde von der Presse die Bengalos Diskussion gewaltig aufgebauscht und bei 10.000 mitgereisten Fans war die Chance groß, den Grund für das blanke Entsetzen, das den Stimmungsverstärkern gegenüber entgegengebracht wird, hautnah nachvollziehen zu können. 

Für die Hinfahrt brannte irgendjemand eine CD mit scheinbar bekanntem Liedgut aus dem Hannover Fanlager. Ich kannte Lieder wie das oben zitierte zwar nicht, aber das macht ja erstmal nichts. Leider war die eine CD die einzige, die zur Verfügung stand, dennoch blieb bei mir nur diese eine Textzeile von Mike Krüger hängen. Bei solchen Fahrten über acht Stunden, die zudem um 5 Uhr Morgens losgehen, ist es vorprogrammiert, dass man am Ziel in einem desolaten Zustand eintrifft. Da waren wir keine Ausnahme. Als Bayern Fan bei einem Auswärtsspiel von Hannover 96 legte ich keinen Wert darauf dem Dresscode zu entsprechen, somit war ich für die dänische Bevölkerung quasi unsichtbar. Der Hass kam erst auf, als ich durch mein faules Englisch und dem deutschen Akzent auffiel. Soll heißen, ich lallte. Zudem umgab ich mich mit grölenden 96 Anhängern, was die Hoffnung auf korrektes Wechselgeld bei Zahlung mit dem Euro Richtung Null tendieren ließ. Wenn man es eh nicht nachvollziehen kann, dann ist einem zum Glück schnell egal.

Kopenhagen ist übrigens sehr ansehnlich. Auch als Stadt.
In einem Pub in der nähe der Innenstadt, wo der Treffpunkt der Fanmassen vorher im Internet koordiniert wurde, geriet ich kurz in einen historischen Konflikt. Eine alte Dame, die aussah wie eine alte, nette Dame aus einer Astrid Lindgren Serie, fragte doch glatt, wie es uns Nazis so ginge.
Wenn mein Englisch besser wäre und ich wüsste wie man Kriegsschuld übersetzt, wäre das Gespräch bereits nach zwei Sätzen wieder beendet gewesen. So schweifte ich etwas ab und konnte der Dame ein einigermaßen realistisches Bild der deutschen Jugend vermitteln. Da geht nichts, da kommt nichts mehr nach, völlig harmlos die Jungs.

Die erste Halbzeit des Spiels habe ich fast durchgehend gepennt. 0:0 zur Halbzeit. Hannover gegen Kopenhagen halt. Das hohe Spielverständnis, das uns Bayernfans oft als Arroganz angelastet wird, flammte in mir auf. Was war das für ein lahmer Kick? und apropos aufflammen, wo ist denn nun das Handfeuerwerk? Wenn schon keine Bedrohung vor dem Tor des Gegners aufkommt, dann doch wenigstens dahinter. Eine Halbzeitpause und ein alkoholfreies Bier für 8 Euro später war ich wieder fit. Placeboeffekt. Wie sich herausstellte gaben sich beide Mannschaften auf dem Feld ebenfalls mehr Mühe. Nach einem 1:0 Rückstand drehte Hannover das Spiel zu einem 1:2. Für die Stimmung das Beste was passieren konnte. Zu den Bengalos sollte es nicht mehr kommen.

Ein bekanntes Gesicht lotste mich zu unserem Fan Bus, wo die Stimmung euphorisch war. Bierreserven wurden in Jackentaschen gebunkert und ich stellte anhand eines Laubhaufens das 2:1 Siegtor noch mal nach. Allein um zu beweisen, dass ich meine Wachphasen hatte. Nachdem der Busfahrer das Licht im Bus ausgeknipst hatte, ebbte das analysieren der Spielsituationen und der Bierpreise sofort ab, bereits hinter Kopenhagen war es plötzlich sehr still. Selbst Mike Krüger bekam keinen Einsatz mehr.

Während der Rückfahrt zog ich mir, in Anbetracht der Hundertschaften der Kopenhagener Polizei und gegnerischen Fanaufläufe, eine der dümmsten Verletzungen zu, die man sich bei einem Auswärtsspiel holen kann. Ich verschüttete beim wilden gestikulieren den Inhalt meiner Springer / Cola Mischung auf den Boden zu meinen Füßen. Als ich im Sitz zurückrutschen wollte, um mir ein Bild von dem Malheur zu machen, ruhte mein gesamtes Körpergewicht für den Bruchteil einer Sekunde auf meinen Beinen, aus irgendeinem Grund überraschte mich das und ich rutschte auf der Springer Pfütze aus. Meine Beine schnellten nach vorne und ich rammte mir beide Schienbeine an der hochgeklappten Fußleite unter dem Sitz des Vordermannes kaputt. Um drei Kommentare vorwegzunehmen:
Ich habe mir natürlich nichts anmerken lassen.
Auswärtssieg! Auswärtssieg!
und ja Boste, ich schulde dir noch 10 Euro.


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