Freitag, 21. Dezember 2012

21. Türchen


Den folgenden Text habe ich vor genau fünf Jahren geschrieben.  Es ist ein Blick ins Jahr 2012. Lustig, dass ausgerechnet heute der Maya Kalender endet, das war damals nicht beabsichtigt. Zukunftsvisionen aus der Vergangenheit gehören zu meinem Lieblingsgenre. 2001 Odyssee im Weltraum, Schöne neue Welt usw. Vor fünf Jahren habe ich mich auch mal in dem Genre versucht und jetzt, wo ich es erneut gelesen habe, werde ich es wieder tun. Inhaltlich haut es sehr genau hin, vielleicht auch, weil die Vorhersagen nicht allzu mutig waren. Ich habe mich in der Anzahl der Fortsetzungen von Spiderman getäuscht! Avatar und Batman sei dank, wurden die Fortsetzungen der Ursprungs-Trilogie von Spiderman, die mit Tobey Maguire, eingestampft. Alles sollte in 3D und düsterer daherkommen. Deshalb gibt es heute nur vier Spiderman Filme, anstatt fünf. Das kann doch niemand vorhersehen.


„Und dann kam ihm dieser Gedanke – heute leben – auch schon wieder unwahr, ausgedacht, geheuchelt vor, schlicht deshalb, weil er ihn schon zu oft gedacht hatte.“ Moritz von Uslar

21. Dezember 2007... irgendwo in Niedersachen

Jetzt haben sie mich alle vergessen. Innerhalb 48 Stunden keine einzige eMail im Posteingang. Noch nicht einmal eBay oder GMX 2.0, die einem etwas andrehen wollen. Hätte ich nicht soviel Schiss davor, dann würde ich die Spams durchlesen und beantworten.
Mein Handy klingelt seit Jahren nicht. Ich benutze es nur noch als Wecker und Uhr, weil ich keine Armbanduhren ausstehen kann. Früher hatte ich überhaupt keine Uhr bei mir. Notfalls habe ich einen Schokoriegel oder ein Bier im Supermarkt gekauft um auf dem Kassenbon die Uhrzeit und das Datum zu erfahren. Es funktionierte prima. Freunde wohnen ein paar Straßen weiter. Aber das Wetter ist total beschissen und mir fällt auch kein Grund ein rüber zufahren. Ich kann ja schlecht klingeln und sagen: „Moin, ich langweile mich zu Tode. Kann ich mich bei euch hinsetzen und einfach nur teilhaben?“ Denen geht es ja nicht anders. Nur haben die Familien und langweilen sich, auf lange Sicht gesehen, im großen Stil. Dennoch haben die ihre Schäfchen im trockenen, die brauchen sich nichts mehr zu beweisen. Und schon gar nicht vor mir.

Ideal wäre es sich zu verlieben. Auf die schnelle. Express quasi. Das große Gefühl fordern und wenn es nur für ein paar Monate ist. Sich irgendwie in den Frühling retten. Aus der einen, großen Liebe wird wohl nichts mehr. Nicht mit 30. Da fangen alle an sich zu arrangieren, nennen das nur anders. Wenn mit der Liebe erstmal nichts wird, dann stirbt vielleicht einer aus dem Bekanntenkreis? Das wäre wenigstens mal ein handfester Grund zum jammern und gequält aus der Wäsche gucken. Böser Gedanke. Aber anders kommt man ja nicht an die großen Emotionen, die mich noch mal fordern würden, ran. Dem ungeachtet ist es eine gute Erklärung, warum man sich so benimmt wie ich es tue. Das ist wohl eines dieser Dinge, die man noch nicht einmal denken darf. Sich geistig darauf vorzubereiten kann trotzdem nicht schaden… Wieder Fernsehen. Wenn man all diese übertrieben glücklichen und unglücklichen Menschen im Fernsehen sieht, da kann man schon neidisch werden…

Ich gehe ins Badezimmer und schaue in den Spiegel. Vielleicht ist ja noch irgendetwas zu machen? Ne, schon alles erledigt. Vielleicht eine Veränderung? Eine Narbe an der Stirn mit der dazugehörigen Piratengeschichte? Oder noch einmal duschen? Wenn ich so auf meine schrumpeligen Fingerkuppen schaue, würde ich sagen, zuviel ist auch nicht gut. Ich könnte wieder Depressiv werden… aber das habe ich abgelegt als es Trend wurde. Essen kann man stattdessen immer.

Um Bücher zu lesen muss man sie ja erstmal haben. Das ist mit Musik einfacher, die gibt es im Internet auf Abruf. Ich lese Comics. Gute Geschichten und total unbegreiflich für mich wie man so zeichnen kann. Wenn ich ein Talent hätte, dann könnte ich mir das in den Hinterkopf packen und an harten Zeiten einfach denken: "Ich habe ja noch mein Talent“.
Wäre ich krank, dürfte die Zeit ruhig weiterlaufen. Es gibt mittlerweile für jedes Verhalten eine passende Krankheit. Alles ist Normal und total out. Das beruhigt mich. Der einzige Unterschied liegt darin, ob du mit deinem Verhalten alleine da stehst oder ob du viele Leidensgenossen hast. Zum Beispiel das Boreout Syndrom. Das Gegenteil vom Burnout Syndrom. Langeweile auf und bei der Arbeit. So oder so, du bist Krank. In Amerika hat jeder einen Therapeuten. Ich habe noch nicht einmal einen Hausarzt. Natürlich habe ich einen, der wechselt aber jedes Mal mit der Schwere der Krankheit. So weiß ich nie was ich in der Praxis auf die Frage: „und wer ist ihr Hausarzt?“ antworten soll
Im Kino läuft Spiderman 5. Alleine ins Kino? Wenn ich mir einen bunten Schal anziehe, denkt die Kartenfrau bestimmt ich sei Filmkritiker oder -Student. Vorsichtshalber könnte ich auch beim bezahlen das Handy aus der Tasche ziehen und deutlich vor mir hinbrabbeln: „Oh, sie sitzt schon drinnen.“ Und dann noch einen großen Eimer Popcorn kaufen. Unmöglich, dass ich den alleine essen werde. Das könnte ich machen. Oder ich setze mich vor den Rechner und spreche ein paar Bekanntschaften im Chat an. Online sind genug. Ach, dieses scheiß „sichzuerstmelden“, den ersten Schritt machen, stehe ich nicht durch. Dann diese Machtkämpfe, wer braucht wen am wenigsten? Die anderen tun so beschäftigt und nach zwei Stunden chatten kam nichts rum. Doch, 24 weniger 2. Das lohnt nicht. Man fühlt sich so abhängig und unterwürfig den anderen gegenüber. Wenn ich mir versuche vorzustellen, wie die vor ihren Rechnern aussehen, dann sehe ich nur gelbe Smily Gesichter. Versuche ich mir vorzustellen was diese Smilys gerade machen, sind sie alle anderweitig beschäftigt. Ich bin der einzige, der wirklich auf eine, noch so lakonische, Antwort wartet. Nur um dann seitenweise zurück zuschreiben. Und plötzlich heißt es: Tschüß, ich treffe mich noch mit dem und dem… Scheiße. Was für ein Theater.

Ich mache mir keine Sorgen. Als Kind habe ich mir immer gedacht: Junge, egal was aus dir wird, Michael Jackson stirbt früher. So langsam brauche ich einen Plan B…

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