TEIL 4
Dass ein Wechsel einem Hochverrat gleichkam, war in der
Spaßgesellschaft Amateurfußball nicht jedem klar. Mir zum Beispiel. Der Trainer
hielt eine Rede, die sich im Angesicht des Abstieges von den gewohnten
Ansprachen maximal unterschied. Karre wieder aus dem Dreck ziehen und so
weiter. Nachdem uns allen ausreichend ins Gewissen geredet wurde, sollten sich
vor versammelter Mannschaft diejenigen bekennen, die den Verein wechseln wollten.
In dem Zusammenhang konnte man froh sein, dass er nicht zur Denunzierung
aufrief. Es hatte bestimmt einen Grund warum die Rede so endete und nicht
anders.
Zwei von uns haben vor lauter Schuldgefühl ihren Einsatz
verpasst. Als ich kurz darauf meinen Wechselwunsch dem Trainer unter vier
Augen, plus den glasigen Augen einiger Spielfeldrandexperten, kundtat, kam es
zu einer kuriosen Aussage eines … na, ein Fan von mir war das nicht …
Vereinsmitgliedes.
„So wie du heute gespielt hast, nehmen die dich nie!“ Gemeint
war der Nachbarsverein. Eine sehr spitzfindige Bemerkung, da ich seit ungefähr
einem dreiviertel Jahr verletzt war. Da war er, der viel zitierte
Situationshumor der Kreisklasse. Leider schob er direkt hinterher, dass er mich
ganz genau auf dem Feld beobachtet hätte. Mit wem er mich verwechselte, ließ
sich nicht mehr aufklären, seine Verachtung war ihm in dem Moment wichtiger.
Natürlich ergab sich bei mir keine Wunderheilung, so
verpasste ich die ersten Spiele mit der
neuen Mannschaft. Zudem begann das Studium und die Prioritäten
verschoben sich. Zum Beispiel stand die Erstsemesterparty an. Die Party endete
auf einem Spielplatz, genauer auf einer Wippe. Ich oben, irgendwer anderes
unten, was mich nicht daran hinderte abzusteigen und mit dem Fuß im Haltegriff
hängen zubleiben. Die Bänder waren durch. Also wieder verletzt und wieder stieg
meine Mannschaft ab. Dieses Mal war ich nicht der Hauptschuldige. Sowieso
schien der Abstieg nicht so schwerwiegend gewesen zu sein. Das darauf folgende
Jahr spielten wir wieder in der zweiten Kreisklasse und damit gegen meinen
Exverein. Reine Ironie und eine schöne, sportliche Herausforderung, wenn da
nicht diese unsinnig geschürte Rivalität gewesen wäre. Von Tsubasa und Hyuga
habe ich gelernt, dass Rivalität die eigene Leistung fördert. Obwohl das bei
mir nicht der Fall war, gewannen wir beide Spiele deutlich. Wie asozial.
Auf der jährlichen Vatertagstour mit den Freunden und
ehemaligen Mitspielern durfte ich mich dafür rechtfertigen, wieso ich denn die
eigenen Kumpels nicht gewinnen ließ. Immer wieder Grundsatzdiskussionen und
wieder begriff ich nicht, worum es denn nun eigentlich im Amateurfußball ging.
Irgendetwas mit Doppelmoral. Im nächsten Jahr kam es zu dem von mir
Langersehnten Happy End. Erst schossen wir meine alte Mannschaft ab, eine Woche
darauf deren direkten Konkurrenten auf den Aufstieg. So wurde mein Exverein aus
eigener Kraft wieder erstklassig und der Hass hielt nur eine Woche an. Das
Beste daran war allerdings, dass ich im entspannten Modus in einer qualitativ
guten Mannschaft locker wegspielen konnte und der Amateurfußball als das
wahrnehmen konnte, worüber sich die Redakteure des 11 Freunde Magazins und der
Dreißigjährige Familienvater und Hobbykicker zu Recht amüsieren. Studieren, nebenbei
Spiele gewinnen, feiern, sich Freunde machen und endlich ein Verständnis für
Taktik entwickeln. Eine coole Zeit, bis zu meinem Bandscheibenvorfall. Aber das
ist eine andere, noch längere und ödere Geschichte.
Hätte ich den Dilettantismus, die Slapstickeinlagen, den
Größenwahn, die fehlende Selbst-Reflektion, und die Wutreden hervorgehoben,
wäre der Text, und damit ich, viel sympathischer rüber gekommen, nur ist es so,
dass es genug Leute gibt, die gut gelaunt zum Fußball gehen und schlecht
gelaunt wieder nach Hause fahren.
Hä? hin gehen,
aber zurück fahren…? Ihr versteht
was ich meine.
Darüber sollte mal jeder nachdenken und was ändern. Falls er
möchte.
Grüße an Thomas, bald ist Weihnachten.
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