Sonntag, 22. Mai 2011

Sonntag, den 1. Mai 2011 - Silke

Heute ist Familienparty im großen Stil angesagt – Oma wird 90. Da geht’s natürlich schon früh los, um 10 Uhr stehen wir alle im Gasthaus der Stunde zum Empfang der fast 70 Gratulanten bereit; die Zugehfrau hat einen Schauspieler angeheuert, der ganz im Sinne der britischen Krone die Gäste ankündigt. „Lady Ahrens and Lady Meyer are here! “ Es fängt also schon gut an, der Sekt fließt selbstverständlich, der Altersdurchschnitt liegt bei 60 Jahren (4 Enkelkinder reißen den Durchschnitt von 70 Jahren runter), alle sind lustig.
Dann fängt das stundenlange Essen an, unterbrochen von Reden und Diashow. Ich bin glücklich, es gibt Kroketten. Meinetwegen müsste es an solchen Anlässen auch nur ausschließlich Kroketten geben; wenn ich mal so alt werden sollte, gibt es nur Kroketten. Und Soße. Kroketten sind so fantastisch, dass sie ähnlich wie ein sehr guter Song nur zu speziellen Anlässen genossen werden sollten – um zu vermeiden, dass die Besonderheit entschwindet und der Genuss in Langeweile umschlägt. Vielleicht sollte ich das Prinzip auch auf Beziehungen anwenden: „Ich finde dich super, ich bin total verliebt in dich – lass uns also nicht so oft sehen, ich habe Angst, dass wir einander überdrüssig werden.“
Meine Oma ist klasse. Mit 90 Jahren wohnt sie noch alleine, fährt Auto (zugegebenermaßen eventuell nicht mehr ganz so frisch wie mit 60 – aber ihre Argumentation ist fehlerfrei: „Die kennen doch alle mein Auto, dann können die ja zur Seite fahren wenn die mich sehen“), schwimmt regelmäßig, spielt Karten und hat generell ein besseres Social Life als ich. Außerdem ist sie wunderbar direkt, da kann es keine Missverständnisse geben. Besonders wenn es um meine Beziehungen (oder auch nicht existierende Beziehungen) geht, macht sie unmissverständlich klar, dass sie mich gerne wieder in den Armen meines Ex-Freundes (mit dem ich seit mehr als 8 Jahren auseinander bin) sehen würde („Das war doch so ein Gentleman. Und schick war der auch!“). Weiterhin habe ich von meiner Oma gelernt, dass ich auf mich achten muss da ein klarer Hang zur Dicklichkeit vorhanden ist („das hast du von deiner Uroma“), ich die Männer nehmen muss, wie sie sind – denn es gibt keine anderen („aber sieh zu dass die mindestens 4 Jahre älter sind als du. Sonst wird das nix“) und dass ich mit meiner Arbeit und dem ganzen Rumgereise sowieso keinen Bräutigam finde („wenn du immer auf’m Swutsch bist brauchst du dir nicht einbilden, dass da einer Lust zum warten hat“). Trotzdem, und da sind wir uns einig: „Arbeit kommt zuerst. Dass war bei uns früher schon immer so.“

Ich glaube, wenn sich nur alle von meiner Oma inspirieren lassen könnten, nur ein bisschen – mit ihrem Pragmatismus, Optimismus und Lebensfreude wäre die Welt schon ein bisschen freundlicher. Nach 90 Jahren muss sie es schließlich wissen.


Age is an issue of mind over matter.  If you don't mind, it doesn't matter.  ~Mark Twain

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