Sonntag, 22. Mai 2011

Sonntag, den 1. Mai 2011 - Tanja


Am siebten Tag ruhte Gott von seiner Arbeit aus. Er sagte: „Dieser Tag gehört mir. Er ist ein heiliger Tag. Ein Ruhetag.“

Die Innenstadt schläft und nur die Kinder hört man für gewöhnlich draußen spielen. Der Sonntag in Deutschland hilft jedem zeitlos lebenden Menschen, auch ohne Kalender die Wochentage im Blick zu behalten. Hat alles geschlossen und nur die Dönerbuden laden einen zum verkaterten Schmaus von gefüllten Brottaschen ein, so kann es nur der Sonntag sein. In China allerdings nicht. Hier ticken nämlich chinesische Uhren, die ganze sieben Tage dazu einladen, jeden Tag in der Woche gleichermaßen genießen zu können. Tage, an dem einen die Milch oder Eier ausgegangen sind und nun auf den nächsten Montag gewartet werden muss, gibt es hier nicht. Supermärkte, Shoppingmalls, Einkaufspassagen, Restaurants und sämtliche Bars haben hier geöffnet. Die Menschen hier sind ausgehfreudig und beleben alle Orte einer Stadt. Ich weiß auch gar nicht, wie ich mich wieder an einen normalen Sonntag gewöhnen soll. Wahrscheinlich erwische ich mich vor verschlossenen Türen eines Supermarktes beim Kauf von Frühstückseiern.
An dem heutigen Abend sollte auch niemand von uns schlafen: M. feierte in sein neues Lebensjahr. Das heutige Motto des Abends sollte „schlaflos in Shanghai“ lauten. Morgen sei der 1. Mai, der Tag der Arbeit, und somit ein freier Tag für alle chinesischen Arbeitstiere. Bevor es aber wild werden sollte, wollten wir den Tag entspannt starten.

Wir nutzten den späten Vormittag, um ausgiebig zu Brunchen. Serviert wurde:
Leberwurst, Salami, Aufschnitt in verschiedensten Ausführungen, Käse, Frischkäse, Bockwürstchen, Eier, Nutella, Marmelade, ein paar Gemüsesorten und frisches Brot. Im Hintergrund lief brasilianischer Bossa Nova Chill Out Remix. Oft zieht es uns aber auch in die Kommune im Tianzifang, wo die besten und originellsten Sandwichs der Stadt angeboten werden. Der Besitzer des Ladens ist ein großer, blonder Surfertyp aus Australien und ich würde lügen, wenn es die ein oder andere nicht auch deswegen dort hinzieht.

Heute sollte etwas Entspanntes auf dem Plan stehen und so machten wir uns zum Century Park – dem größten Park Shanghais- auf. Das schöne an Shanghai ist, dass es der Stadt nicht an Grün fehlt. Ein Park nach dem anderen ist zu Fuß schnell zu erreichen und an vielen Orten der Stadt blüht und duftet es nach einem Meer aus Blumen. An der Metrostation ausgestiegen, erwarteten uns auch schon etliche kleine Garküchen, die sich ungünstigerweise an dem Gehweg zum Ticketschalter platziert hatten. Die Leute, die sich für die kleinen Häppchen angestellt hatten, blockierten den Weg für diejenigen, die auf dem Weg zum Ticketschalter waren und andererseits auch für diejenigen, die sich zurück zur Metrostation machten. Irgendwann hatten wir uns gegen das Gruppenkuscheln entschieden und für die Abkürzung durch die Lücke zweier Garküchen. Wir standen endlich am Eingang vor dem Ticketschalter. Die Schlange war viel zu lang und das Wetter viel zu heiß, um sich normal anzustellen. Aber ehe ich mich mit dem Gedanken abfinden konnte, stand auch schon A. mit zwei Eintrittskarten vor meiner Nase da und deutete auf den leeren Ticketschalter für körperlich Benachteiligte. Er hatte dem Ruf eines Fuchses wieder einmal alle Ehren gemacht!

Was uns auf den ersten Blick erwartete, war eine kilometerlange Wiese, die von unzähligen  “Strandmuscheln“ und Picknickdecken bedeckt und verschluckt wurde. Nur wenn man sich konzentrierte, konnte man hin und wieder einen kleinen Grashalm erkennen. Viele Familien und Pärchen kommen hier hin, um ein wenig vom hektischen Stadtleben abzuschalten. Viele von ihnen nutzen aber auch die Gelegenheit, um ihr Fotoalbum aufzupeppen, indem sie sich ein Stückchen Natur mit aufs Bild nehmen, es umarmen, küssen, streicheln oder auch platt treten. Das Blumenbeet wird schnell zur beliebtesten Kulisse, um sich mit dem schönsten Victory-Zeichen ablichten zu lassen.

Leider reichte die Zeit nicht mehr, um eine gemütliche Runde mit dem Boot zu drehen. Es ist spät genug geworden und das gemeinsame Abendessen stand unmittelbar bevor- es fehlte nur noch die Geburtstagstorte.
Die Chinesen lieben Süßkrams: von Bonbons, Gebäck, Eis bis hin zu Kuchen und Torten. Naschkatzen sind hier zu Hause und kriegen ihren Zucker weg! Besonders beliebt und variantenreich sind hier Kuchen und Torten. Kuchen in Form von Fußbällen, Hello Kitty Köpfen, Melonen und anderen Kuriositäten. Man nehme 1kg Zucker und mische es in ein einziges Kuchenstück. Manchmal sind es aber gerade die, die nach außen hin protzen die ungenießbaren Torten unter den schmackhaften. Was M.s Kuchen anbelangt, da fiel mir gleich die Hochburg aus Marshmellows und Schokolade auf. Bezahlt, verpackt und ab nach Hause, um sich noch einmal frisch zu machen.
Nun hat auch schon der wilde Part des Abends begonnen. Vorerst noch mit einem gemütlichen Beisammensein bei einem Snack im Element Fresh und später dann in einem Club, um auf M. und sein neues Lebensjahr anzustoßen. Die ein oder anderen mögen am nächsten Morgen nicht mehr wissen, was sie sich den Abend zuvor bestellt hatten. Um allen Anschein zu vermeiden: ich bestellte ein Steak Sandwich.

Es ist immer etwas los in der “Stadt über dem Meer“. Es gibt keinen Tag, an dem nicht irgendwo ein Reissack umfällt. Am Mittwoch würde auch schon mein Bruder zu Besuch kommen – nur noch 3 Tage vor dem nächsten großen Sturm.
上海欢迎你!

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