Donnerstag, 19. Mai 2011

Donnerstag, den 28. April 2011 - Tanja

Der gestrige Abend hatte seine Spuren hinterlassen. Meine Füße schmerzten und die Hacken waren rot und aufgeratscht. Pumps waren heute nicht mehr drin und so hatte ich mich nach dem anstrengenden Abend in hohen Schuhen und schmerzenden Füßen für die bequemere Variante – den Chucks – entschieden.

Super lässig ging ich zur Arbeit. An der Ampelkreuzung traf ich dann E., eine Arbeitskollegin von mir. E. sitzt an dem Schreibtisch neben mir und wenn sie gerade ’mal nicht damit beschäftigt ist, ihre Finger Wund zu tippen, dann spricht sie über Schokolade oder Spielekonsolen. Durch sie habe ich beispielsweise mein Horizont in Punkto Videospielen, Cheats und Schokoladensorten erweitert. Normalerweise kennt man sie als die Überpünktliche. Heute hatte sie sich verspätet, weil sie die Nacht über durchgezockt hatte. Die Zeit reichte noch nicht einmal für ein Frühstück von McDonalds, was sie für gewöhnlich zu sich nimmt. Bei dem besagten Frühstück handelt es sich um ein komplettes Menü mit Burger, Chicken Nuggets, große Portion Pommes und Kaffee. Weil die Zeit heute nicht mehr reichte, hatte sie sich stattdessen mit ein paar Knabbereien und Frühstück in einem Drogeriemarkt für den heutigen Tag ausgestattet. Zwei ganze Tüten voll! Ich fand die Menge so unglaublich, dass ich es mir nicht verkneifen konnte, ein paar Scherze darüber zu machen. Genial, zu was der Verdauungstrakt von E. alles in der Lage ist!

Heute war wieder mächtig was los auf der Arbeit. Man merkt aber sofort, wenn jemand Langeweile im Büro hat. Entweder man nimmt den kurzen Weg auf sich und bedient sich im 2-Minutentakt am Wasserspeicher oder man geht regelmäßig auf die Toilette, um nicht mit beiden Augen einzuschlafen. Einige starren die ganze Zeit wie hypnotisiert die Wand an oder stöbern in alten und bereits bearbeiteten Anfragen herum. Irgendwie muss man die Sekunden und Minuten ja füllen. Was die Internetnutzung bei einer freien Minute angeht, darf man es ausdrücklich nur für die Suche nach Anbietern oder für das Nachschlagen von Vokabeln oder ähnliches verwenden. An einigen Computern wurde sogar das Internet komplett abgeschaltet. Ich habe so einen Computer. Zufall?!

Auf dem Weg zum Mittagessen sah ich vier ältere Chinesen in einer kleinen Schubkarre sitzend Karten spielen. Um diese Uhrzeit sieht man viele solcher Arbeiter, die eine kleine Verschnaufpause einlegen. Manche von ihnen nutzen ihre Schubkarre, um ein kurzes Nickerchen abzuhalten, manche lesen Zeitung und manche wiederum spielen Karten und pfeifen hübschen, jungen Chinesinnen hinterher, wie die von heute. Die Guangxibei Road ist der Inbegriff für Skurrilität. Hier habe ich schon Mütter gesehen, die ihre Kinder zum Geschäftverrichten auf die Fahrstraße setzen oder Omas, die Taucherbrillen zum Schutz gegen die Sonne tragen. Hier könnte ich mich auch problemlos in eine Schubkarre setzen und 24 Stunden lang die verdrehte Welt der Guangxibei Road beobachten.

In der Zeitung standen einige Berichte zu Amy Chua – auch bekannt als die Tigermutter - die mit ihrem Buch über chinesische Kindererziehung weltweit für Aufsehen und Aufregung gesorgt hatte. Mir waren die Unterschiede zwischen den chinesischen und westlichen Vorstellungen von Kindererziehung schon längst bekannt. Ich hatte zuvor in Peking studiert und weiß erfahrungsgemäß, was es heißt gedrillt und unter Druck gesetzt zu werden. Aus Neugier hatte ich später ein paar meiner Arbeitskollegen gefragt, was sie von einer rigiden und disziplinierten Drillerziehung halten. Ich war erleichtert, dass es immerhin eine gab, die diese Art von Kindererziehung nicht befürwortete.

Ein weiteres Gespräch führte ich später mit E.. Dieses Mal ging es um ihren Messebesuch in Guangzhou. Hier treffen sich Besucher aus aller Welt, Festlandchinesen wie auch Hongkongchinesen. Jedoch war ich erstaunt darüber, als sie mir berichtete, dass man ihr als Festlandchinesin den Zugang zu einigen Erholungsräumen und Ständen verweigerte. Auch Rabatt auf Mittagsmenüs gab es anscheinend nur für Ausländer und Chinesen mit einem Hongkongpass.

Zum Ende des Abends fühlte ich mich nicht gut. Meine Nase lief und leichte Kopfschmerzen plagten mich ebenfalls. A. hatte mich scheinbar angesteckt. Den Kochlöffel hatte ich heute in der Schublade gelassen und alles zu was wir heute noch in der Lage waren, war das Wählen der Tastenkombination des Pizza Hut Lieferservices. Einmal Käse-Salami Pizza, bitte! Aber “kuai yidian“!

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