Liebes Tagebuch. Morgen ist frei und somit beginnt heute
schon quasi das Wochenende. Obwohl ich mir überlegt habe am Freitag noch zu
arbeiten. Es gefällt mir gut alleine im Büro zu sein und es ist so ein
entspanntes Arbeiten, wenn man weiß, dass man eigentlich auch frei machen
könnte, den Soll erfüllt hat. Aber heute noch 'normaler' Betrieb. Zum Schluss
war ich mit meinem Chef alleine da und habe ein Paket für den Versand fertig
gemacht. Dafür bin ich zwar nicht ausgebildet worden, aber wie gesagt, wir sind
nur noch zu zweit da und mein Chef wird mir das wohl kaum abnehmen. Ich habe mir
dabei mit der Schere in die Hand geschnitten. Ziemlich dumm. Aber nicht dolle,
das heilt wieder. Das Paket sah dann gut (unbeblutet) aus und ich habe es in
Feierabendlaune in die Tasche gesteckt, um es später zur Poststelle zu bringen.
Aber erst fahre ich jetzt ins Kiez und treffe meinen Kollegen, wie abgemacht.
Ich komme rein und muss mich umsehen. Da ist auf ein Mal der halbe Raum erhöht
auf Dielen gestellt. Nett. Neue Sitzordnung gibt's auch, ich setze mich mitten
in den Raum auf das Zweiersofa. Als mein Kollege kommt bestellen wir, wie
immer, einen Gin-Tonic und ein alkoholfreies Bier. Ich kriege letzteres. Wir
schnacken über dies und das und irgendwann zeigt M. mir ein Handygame namens
2048. Tja, der Rest des Kiezabends gehört diesem Spiel. Aber nur fast. Denn die
schöne Bedienung macht mich ein wenig nervös. Ich ärgere mich kurz über die
Unsicherheit, die ich verspüre, aber freue mich dann auch drüber. Irgendwann
merke ich, dass ich ja noch das Paket zur Post bringen wollte. Mist, schon nach
acht. Das ärgert mich. Ich will trotzdem nach Hause. Also zahlen und tschüss.
Ich versuchs noch bei der Poststelle, aber schon zu. Zu Hause setze ich mich
auf meinen bequemen Schwingsessel (von einem Ur-Ex-Mitbewohner geerbt und
passend zu dem Rest meiner zusammengeklaubten Einrichtung alt und ausgedient)
und spiele 2048. Irgendwann ruft K an
und fragt, nach meinen Abendplänen. Ich willige ein mit ihr und ein paar
anderen aus meiner Ex-WG später aufs Grether zu schauen. Auf dem Weg dorthin
laufen wir an zig gepanzerten Polizeibeamten vorüber. Ich habe sie vorhin schon
auf dem Nachhauseweg vom Kiez gesehen und es ist ja in aller Munde, dass das
Gretherfest dieses Jahr quasi per Allgemeinverfügung komplett verboten wurde.
Viele Mensch regen sich über die Strenge des Amts für Ordnungswahn auf. Ich
auch ein bisschen. Finde es völlig überzogen so martialisch aufzufahren. Da
werden die Bullen in Massen aus den entferntesten Dörfern des Landes
herangekarrt, nur um hier vor den friedlichen Feierstudenten einen auf dicke
Hose zu machen. Naja, aber scheint zu wirken. Beim Grether ist totenstille,
Menschen kommen in kleinen Gruppen gucken und schimpfen leise unter den Augen
den verteidigungsbereiten Polizisten (der eine sogar mit Flammenwerfer oder
Feuerlöscher auf dem Rücken) und verschwinden wieder in kleinen Gruppen. Wir
bleiben ein bisschen da und hören Caribus Odessa von einem Balkon schallen. Es
erreichen uns Nachrichten, dass vor dem Bettelstudenten Musik läuft, punkige
Musik. Nach einer Weile hin und her und einem kurzen Toilettenbesuch in K.
Kita, die dort in der Nähe ist (Roman wundert sich über die kleinen Armaturen
und niedrige Anbringung derselben, weil er versehentlich auf der Kindertoilette
gelandet ist), gehen wir auch zu der Musik-Ecke. Die Polizei kesselt schon hören
wir und sind schaulustig. Raketen sausen in die Luft, knallen, eine Durchsage
vom Polizeiwagen kommt: „Achtung, dies ist eine wichtige Durchsage. Sie
brauchen nicht auf kosmischen Käfer zu warten. Er ist schon wieder auf dem
Heimweg- er wird nicht kommen. Dies ist keine Versammlung mehr und unterliegt
somit nicht mehr dem Schutze der Versammlungsfreiheit. Ich bitte die
vernünftigen Leute den Platz zu verlassen. Dies war die zweit Durchsage, wenn
Sie nach der Dritten den Platz nicht verlassen haben, werden wir ihn räumen.
Dies ischt mein Ernschd!“ Böller fliegen in die Reihen der Polizisten. Find ich
ja nicht so geil. Naja, die Leute verlassen natürlich nicht den Platz, aber
ich, denn es wurde gerade berichtet, dass auf der blauen Brücke Musik ist. Ab dahin.
Zwei Minuten später kommt uns schon ein Zug Menschen, von der rollenden Musik
angeführt, entgegen. Ich erkenne Ronny, grinse ihn an und begrüße ihn per
Handschlag. Die Musik ist elektronisch und wie erwartet saugeil. Eine Kreuzung
neben der gekesselten stoppt die Menge und tanzt um die Musikanlage herum. Ich
sehe viele bekannte Gesichter und freue mich, dass wir doch noch tanzen können.
Wenig später kommt der blaue leichenwagenähnliche Mercedes, den ich öfters in
der Nähe meiner Arbeit sehe. Die Musik samt zwei, drei tanzenden Mädels werden
zur Unterhaltung der Massen auf dessen Dach gehoben. Um halb drei gehe ich mit
Jasi weg, die Polizeibeamten sind wieder in Stellung gegangen.. Kurz in die
Beatbar geschaut, Jasi nach Hause gebracht und auf mein Zimmer gegangen. Ich
höre Lärm draußen und schaue aus dem Fenster. Lukas bastelt mit Tine und zwei
anderen Freunden einen Maibaum vor Franzis Fenster. Ach was eine schöne
Liebesgeste. Ich geh runter und wir merken, dass da Musik aus dem Stühlipark
kommt. Eine Menschentraube tanzt dort um den Musikwagen. Jetzt sind sie also
hier. Ich höre, dass die Polizei die vorherige Versammlung abgedrängt hat, mit
dem Angebot, die Leute sollen doch in den Park gehen. Gute Idee. Hier treffe
ich K und Robert wieder und wir tanzen noch über eine Stunde. K ist leicht
betrunken und wir suchen unsere Nähe. Sie gibt mir einen Kuss auf den Hals, ich
lasse das geschehen und freue mich drüber. Wie gut, dass wir nie was hatten,
wir riskierten nicht unsere Freundschaft. So soll es auch bleiben. Ich bekomme
von Ronny noch einen Flyer in die Hand gedrück, morgen Demo. Die ist wichtig!
Gegen vier gehe ich müde und zufrieden schlafen.
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