„Dann musst du früher aufstehen“. Das Killerargument von
vielen Eltern, die sich das Elend dieser Welt nicht anders erklären können. Einfach
nicht früh genug aufgestanden. Ich stehe um 7 Uhr auf und habe das Gefühl, es
ist nicht früh genug. Ich steige auf mein Rad und fahre an Lottoannahmestellen,
Friseursalons, Imbisse und einen Laden für Kifferutensilien vorbei, direkt zum
Jobcenter. Was war wohl zuerst da? Das Jobcenter oder das soziale Umfeld. Mit einem
Termin darf ich an den Schaltern vorbei gehen. Der Warteraum ist völlig überfüllt.
Die Menschen stehen wartend auf den Treppen. Manche bringen zur Unterstützung sogar
ihre ganze Familie mit.
Die Sachbearbeiterin will meinen Antrag sehen. Ich habe nie
einen Antrag bekommen - ich schwör. Mir wurde bei meinem ersten Termin zwar aufgeführt
welche Unterlagen ich mitzubringen habe, aber nie war die Rede von einem
Antrag. Die Dame druckt mir die sieben Seiten aus und schickt mich zurück auf
den Flur. Den Antrag sehe ich tatsächlich zum ersten Mal. Alle Information, die
der Antrag von mir haben möchte, kann ich aus den mitgebrachten Unterlagen
abschreiben.
Letztendlich ging es nur um die Unterschriften. Es ist wie überall: Er hat Recht, aber kein Diplom, seine Doktorarbeit abgeschrieben, seine Hausaufgaben vergessen, also hat er nicht Recht. Wo kämen wir denn sonst hin? Zurück im Büro der Sachbearbeiterin weißt sie mich freundlich daraufhin, dass ich vergessen habe die Rückseiten auszufüllen. Einen Vorwurf macht sie mir nicht, trotzdem rechtfertige ich mich. Auf den Rückseiten geht es ums private Vermögen. Sie schätzt mich richtig ein und macht überall ein Kreuz bei „Nein“. Nichts geschenkt bekommen im Leben. Bis auf das Nachreichen einer aktuellen Meldebestätigung ist alles erledigt. Während ich auf meine Unterlagen warte, denke ich darüber nach, welchen Stellenwert saubere Schuhe in unserer Gesellschaft haben.
Letztendlich ging es nur um die Unterschriften. Es ist wie überall: Er hat Recht, aber kein Diplom, seine Doktorarbeit abgeschrieben, seine Hausaufgaben vergessen, also hat er nicht Recht. Wo kämen wir denn sonst hin? Zurück im Büro der Sachbearbeiterin weißt sie mich freundlich daraufhin, dass ich vergessen habe die Rückseiten auszufüllen. Einen Vorwurf macht sie mir nicht, trotzdem rechtfertige ich mich. Auf den Rückseiten geht es ums private Vermögen. Sie schätzt mich richtig ein und macht überall ein Kreuz bei „Nein“. Nichts geschenkt bekommen im Leben. Bis auf das Nachreichen einer aktuellen Meldebestätigung ist alles erledigt. Während ich auf meine Unterlagen warte, denke ich darüber nach, welchen Stellenwert saubere Schuhe in unserer Gesellschaft haben.
„Haben sie meinen Kugelschreiber eingesteckt?“
„Natürlich.“
Das Bürger Service Center ist ebenfalls überfüllt. Dennoch
benötigen die Angestellten, Beamte sind das mit Sicherheit keine, gegen jede
Erwartung nur zehn Minuten mir eine aktuelle Meldebestätigung auszuhändigen.
Mir wird empfohlen zum kopieren zu Saturn zu gehen. Fünf Cent die Kopie, das
ist fair. Die erste Kopie wird auf DIN A3 gedruckt, für zehn Cent. Nachdem ein
Mitarbeiter das Papierfach wieder aufgefüllt hatte, wurde der zweite Versuch
beidseitig bedruckt, wieder zehn Cent. Egal jetzt. Ich radele zurück zum
Jobcenter und schmeiße die Kopie in den Briefkasten des verantwortlichen Fachbereichs.
Hoffentlich.
Der Arzt meines Vertrauens ist seit heute aus dem Urlaub
zurück. Ich möchte wissen, was mit meinem linken Bein nicht stimmt und mir ein
paar Überweisungen abholen. Die Eigendiagnose lautet Muskelfaserriss. Ein
Ziehen in der Kniebeuge hatte ich schon länger nach den Fußballspielen, aber dass ich
überhaupt nicht mehr sprinten oder schmerzfrei Schießen konnte, ist neu. Seit
meinem letzten Besuch hat sich dort einiges getan. Auf den Praxisschild
sind zur Allgemeinmedizin, Hypnose und Akupunktur hinzugekommen. Klingt so, als
hätte der Arzt sich zusätzlich ein paar Pseudowissenschaften angeeignet, via
Fernstudium. Das kommt bei den älteren Patienten bestimmt gut an. Kann mir egal
sein. Bisher wurde mir mit meinen körperlichen Gebrechen auf konventionelle Art
und Weise gut geholfen. Das eine Mal also.
Nachdem ich im Hausflur bei der Praxis klingelte, öffnet mir
eine kleine, hutzelige Frau die Tür und fragte was ich wolle. Einladend war das
nicht. Meinen Plan, mich einfach ins Wartezimmer zu setzen und den Bukowski zu
Ende zu lesen bis ich aufgerufen werde, traute ich mich nicht ihr in dieser
Situation zu unterbreiten. Störe ich etwa?
Einen Termin hätte ich gerne, fiel es aus mir heraus. Dann
sind sie hier richtig, entgegnete die Sprechstundenhilfe und bat mich herein.
In der kleinen Praxis war kein einziger Patient. Mittwochfrüh soll ich
wiederkommen. Meine bisherigen Arzttermine wurden über Monate hinweg angesetzt.
Dagegen ist Mittwochfrüh schon fast als eine Verabredung zu bezeichnen.
Zuhause suche ich den Antrag. Den unterschwelligen Vorwurf,
den ich mir selbst gemacht habe, wollte ich nicht auf mich sitzen lassen. Was
soll ich sagen, ich habe wirklich nie einen Antrag mitbekommen. Skandal. Ich
lege mich wieder ins Bett und lese den Bukowski dort.
Abends gehe ich einkaufen, mache mir etwas zu essen und
schaue die Simpsons. Es ist so verdammt kalt geworden. In den Nachrichten
zeigen sie weiße Landschaften und berichten von dem Hurrikane in den USA.
Genauer gesagt rast ein Hurrikane in diesem Augenblick auf die Küste von New
York zu. Bis Wer wird Millionär kommt, drehe ich die Heizung auf 5 und gehe
wieder ins warme Bett. Eine Stunde später ist es immer noch kalt im Wohnzimmer.
Die Heizung geht schon wieder nicht. Jedes Jahr dasselbe Theater.
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